Fast wäre Johannes Roberts‘ Survival-Thriller „47 Meters Down“ genau wie seine auf dem Meeresboden um ihre Leben kämpfenden Protagonisten in der Versenkung (sprich: im DVD-Regal) verschwunden: Der ursprüngliche US-Verleih Dimension hatte den Film im August 2016 sogar schon unter dem Titel „In The Deep“ an den Handel ausgeliefert, bevor die Rechte in letzter Sekunde an den Verleih Entertainment Studios übergingen, woraufhin der Heimkino-Release abgesagt und der Film stattdessen unter dem Titel „47 Meters Down“ im Juni 2017 in die nordamerikanischen Kinos gebracht wurde. Dort hat der nur 5,5 Millionen Dollar teure Hai-Horror inzwischen 43,7 Millionen eingespielt – eine der ganz wenigen positiven Überraschungen in diesem an Box-Office-Enttäuschungen reichen Kinosommer. Weil einige Händler den Film schon vor dem offiziellen Veröffentlichungsdatum in die Regale gestellt hatten, sind einige der „In The Deep“-DVDs übrigens noch vor dem Rückruf über die Ladentheke gegangen und inzwischen begehrte Sammlerstücke auf eBay. Aber warum erzählen wir das alles so ausführlich zum Einstieg, zumal der Film jetzt in Deutschland doch direkt fürs Heimkino erscheint? Es ist einfach die interessantere Geschichte – der Film selbst ist nämlich leider nur in einigen wenigen Einzelszenen wirklich spannend.
Weil ihr Freund sie kurz vor einem geplanten Mexiko-Trip verlassen hat, nimmt Lisa (Mandy Moore, „This Is Us“) stattdessen ihre jüngere Schwester Kate (Claire Holt, „Vampire Diaries“) mit auf die Reise. Während Lisa eher vorsichtig ist und auch kein Problem damit hätte, einfach den ganzen Tag am Pool des Nobelhotels zu verbringen, will Kate unbedingt etwas erleben – zum Beispiel mit den attraktiven Mexikanern, die den Schwestern beim Abendessen von der Möglichkeit erzählen, in einem Metallkäfig im Ozean zu tauchen und so aus nächster Nähe Haie zu beobachten. Auch um ihrem Ex zu zeigen, was sie wirklich draufhat, willigt Lisa schließlich ein – solche Unterwasseraufnahmen mit Haien würden auf ihrem Instagram-Profil sicherlich mächtig Eindruck schinden. Aber dann reißt die ziemlich verrostet anmutende Stahlkette und die Schwestern sinken im Käfig 47 Meter tief auf den Meeresgrund – mit nur noch wenig Sauerstoff in ihren Flaschen und zuvor extra mit Fischabfällen angefütterten Haien, die zwischen ihnen und der Meeresoberfläche ihre Kreise ziehen…
Die Direct-to-DVD-Veröffentlichung hat im Fall von „47 Meters Down“ auch etwas Gutes, schließlich kann man so direkt zum Beginn der Tauchaktion springen, statt zunächst den völlig missratenen Einstieg über sich ergehen lassen zu müssen: Die Einführung der ungleichen Schwestern inklusive der üblichen Geschwisterkonkurrenz ist Klischee pur – kein Vergleich zu der dominierenden One-Woman-Show von Blake Lively im letztjährigen Hai-Horror „The Shallows – Gefahr aus der Tiefe“. Für die nötige Exotik am Luxusstrand sorgen im Hintergrund drapierte, niedlich winkende einheimische Kinder, die wie Statisten für ein Touristenbroschüren-Fotoshooting anmuten und im wahren Leben vermutlich sofort von solch einem Ort verscheucht werden würden. Und als der Bootskapitän Taylor (Matthew Modine, „Full Metal Jacket“) die Haie anfüttert, warnt ihn Kate derart hölzern und steif, als würde sie gerade einen auswendig gelernten Wikipedia-Artikel vortragen: „Ich dachte, das wäre illegal, weil es für die Haie Menschen und Nahrung miteinander in Verbindung bringt und sie noch aggressiver macht…“
Der Vorspann von „47 Meters Down“ besteht aus einer langen Kamerafahrt unter Wasser – düster, unheimlich, gruselig! Zumindest bis die Kamera schließlich auftaucht und offenbart, dass sie da gerade gar nicht tief im Meer, sondern lediglich in einem Hotelpool herumgeschwommen ist. Das stockfinstere Tief mit einer Sichtweite von nur wenigen Metern, wo abgesehen von kleinen fluoreszierenden Fetzen nichts eine Orientierung bietet, eignet sich eben perfekt für nervenaufreibendes Spannungskino – und Johannes Roberts („The Strangers 2“) nutzt das vielversprechende Szenario zumindest für einige effektive Schockmomente auch sehr geschickt aus (Stichwort: Unterwasserfackel). Trotzdem bleibt die Spannung auf diese einzelnen Szenen beschränkt, weil die zunehmende Hoffnungslosigkeit der Schwestern nie wirklich greifbar wird: Es gibt kaum Szenen, in denen dem Zuschauer mal die Luft bleibt, um über die vermeintliche Ausweglosigkeit der Situation zu reflektieren (solche Tempowechsel haben in „The Shallows“ ebenfalls viel besser funktioniert). Stattdessen sind die Rettungsversuche von Anfang an von einer unheimlichen Hektik geprägt – so langweilt man sich zwar nicht unbedingt, weil immer gerade irgendwas passiert, aber mitreißend ist es eben auch nicht, denn die Verzweiflung der Figuren kommt viel zu selten beim Publikum an.
Fazit: In Survival-Thrillern geht es oft darum, dass den Protagonisten langsam aber sicher eine bestimmte Ressource (Nahrung, Strom, Luft) ausgeht. Und genau in dem Moment, wo dann in letzter Sekunde doch noch Nachschub auftaucht, lässt sich am besten erkennen, ob dem Publikum der Film gefällt oder nicht: Freut es sich mit den Figuren über die neue Chance? Oder schaut es genervt auf die Uhr, weil das jetzt alles noch ´ne halbe Stunde länger dauert? Als sich die Schwestern in „47 Meters Down“ frische Sauerstoffflaschen an ihre Tauchermasken anschließen, haben wir gerade auf die Uhr geschaut.
Wir haben „47 Meters Down“ auf dem Fantasy Filmfest gesehen, wo er im offiziellen Programm gezeigt wird.