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    Blood Father
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Blood Father
    Von Christoph Petersen

    Blood Father“ ist nicht – wie oft geschrieben wurde – Mel Gibsons „Taken - 96 Hours“, denn seinen Einstand als Action-Rentner hat der „Lethal Weapon“-Star in den vergangenen Jahren bereits mit „Get The Gringo“ und „The Expendables 3“ gegeben. Stattdessen ist „Blood Father“ das langerhoffte, wenn auch kaum noch für möglich gehaltene Comeback eines verdammt großartigen Schauspielers (selbst wenn er nach seinen zahlreichen Verfehlungen der vergangenen Dekade in Hollywood inzwischen ähnlich beliebt ist wie Donald Trump): Der zweifache Oscarpreisträger (als Regisseur und Produzent von „Braveheart“) entwickelt als tattoosstechender Ex-Sträfling und trockener Alkoholiker eine solch energiegeladen-wütende, aber zugleich auch geerdet-väterliche Präsenz, dass er das ansonsten solide B-Movie von Jean-François Richet („Das Ende – Assault On Precint 13“) allein mit seiner Performance auf eine ganz andere Ebene hievt. Einen so starken Gibson haben wir seit Ewigkeiten nicht gesehen.

    Die 17-jährige Lydia (Erin Moriarty) ist schon vor Jahren aus dem Haus ihrer Mutter und ihres wohlhabenden Stiefvaters abgehauen. Inzwischen ist sie mit dem Gangster Jonah (Diego Luna) zusammen, für den sie ein Haus hütet, in dessen Wänden Geld und Drogen versteckt sind. Als bei einer aus dem Ruder gelaufenen Feier etwas aus den Wänden verschwindet, zwingt Jonah sie, eine ihr fremde Familienmutter zu erschießen, um so ihre Loyalität zu beweisen. Aber statt auf die Frau schießt Lydia auf ihren Freund und flieht anschließend zu ihrem in einem Wohnwagen in der Wüste hausenden Vater Link (Mel Gibson), den sie kaum kennt, weil er fast ihr ganzes Leben lang im Knast gesessen hat. Aber so leicht lassen sich die Kartell-Killer nicht abschütteln…

    Es gibt Leute, die Mel-Gibson-Filme nach seinen rassistischen und antisemitischen Tiraden aus Prinzip meiden (genau wie es Leute gibt, die Filme mit Tom Cruise wegen seiner Scientology-Verbindungen boykottieren). Aber so verständlich das auch ist: Gibsons Performance in „Blood Father“ ist nicht TROTZ seines Karriereknicks herausragend, sondern zum Teil auch WEGEN der offensichtlichen Parallelen zu seinem eigenen Lebensweg. Auf dem Papier ist Link der Inbegriff eines typischen Antihelden – ein trockener Alkoholiker und Ex-Knacki, der nach Absolution für seine früheren Verfehlungen strebt. Aber Gibson verkörpert die Rolle zugleich mit einer solchen Inbrunst (bei seinen Wutausbrüchen hat man ständig das Gefühl, dass seine Halsschlagader gleich platzt, und dennoch wirken sie nie übertrieben) und einer solchen Natürlichkeit, dass er allein durch sein geerdetes Schauspiel jedes Klischee umschifft (selbst wenn im Skript noch das ein oder andere bedient wird). Wobei: Ganz so simpel, wie es zunächst den Anschein hat, ist das Drehbuch von Peter Craig („The Town“) und Andrea Berloff („Straight Outta Compton“) dann auch wieder nicht…

    … denn das Duo entwirft rund um den simplen Flucht-vor-den-Gangstern-Plot ein ziemlich spannendes Bild des heutigen Amerika. Das geht gleich mit einer netten satirischen Spitze in der ersten Szene los, wenn die 17-jährige Lydia beim Kauf einer Packung „Camel Light“-Zigaretten nach ihrem Ausweis gefragt wird und daraufhin resigniert erwidert: „Dann eben nur die Munition.“ Später zeichnet Richet in nur wenigen Szenen zwischen Link und seinem Nachbarn und AA-Sponsor Kirby (William H. Macy) das berührende Bild einer Wohnwagensiedlung, in der die Verlierer des Systems tatsächlich mit geschwellter Brust füreinander einstehen. Genau wie diese kleinen Skizzen am Wegesrand sind auch die Actionszenen allesamt kurz, knapp und auf den Punkt: Vor allem der Auftakt-Angriff auf Links Wohnwagen und der erste Auftritt des volltätowierten No-Nonsense-Kartell-Killers The Cleaner (Raoul Max Trujillo) entfalten gerade deshalb eine solche Intensität, weil sie ohne jeden überflüssigen Schnickschnack auskommen. Hier tut keiner so, als wäre „Blood Father“ mehr als er tatsächlich ist - und gerade diese Bodenständigkeit hebt ihn über das Gros der üblichen Rache-Reißer hinaus.

    Fazit: Geradliniges Genrekino mit einem grandiosen Mel Gibson.

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