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    Vom Ordnen der Dinge
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Vom Ordnen der Dinge
    Von Andreas Günther

    Der Titel „Vom Ordnen der Dinge“ hört sich schon so vornehm an, dass sich Schilderungen von Messie-Schicksalen kaum dahinter verbergen dürften. Aber wer nun dagegen große Philosophie erwartet, wird auch enttäuscht. Nur dem Anklang nach ähnelt „Vom Ordnen der Dinge“ Lukrez Lehrgedicht „Von der Natur der Dinge“ (meist als „Welt aus Atomen“ verdeutscht) oder Foucaults Philosophie-Klassiker „Die Ordnung der Dinge“. Weder suchen noch finden die Dokumentarfilmer Jürgen Brügger und Jörg Haaßengier visuelle Entsprechungen für die stilistische Wohlgeformtheit und den  Wahrheitsdrang solcher Schriften. Das wäre noch kein Problem, wenn sie ihr selbstgestelltes Thema ergiebig ausbreiten würden. Mit diesem gehen sie aber nicht nur sehr frei um, sondern auch mit sehr magerem Ertrag.

    Eine Handvoll Personen, die sich mehr oder weniger mit dem Ordnen von Dingen befassen, stehen im Mittelpunkt des Dokumentarfilms. Mit einem Hochfrequenzgerät erzeugt ein Mann mittleren Alters Muster in einer kleinen Menge feinen Sandes. Ein pensionierter Postbeamter erstellt über alles Mögliche Statistiken – von Gewohnheiten beim Parken des Autos bis zum Getränkeverbrauch in seinem Wanderverein. Junge Leute spießen Käfer auf. Ein Zoologe versucht Teilabschnitte der Evolution anhand der Eigenschaften von Reptilienarten zu rekonstruieren. Der Wissenschaftler eines Bundesforschungsinstituts kann das Genom von Bakterien herauslesen, in der Hoffnung, dass damit die Herstellung wirksamer Antibiotika erleichtert wird. Ein junger Mann versucht seine Krankheit mit eigenen Computermessungen besser in den Griff zu bekommen, sein Freund will damit seine Persönlichkeit optimieren. Immer mal wieder sind dazwischen zwei Landvermesser zu sehen, die schließlich auch noch Auskunft über ihre Tätigkeit geben.

    Weder belehrt noch unterhält „Vom Ordnen der Dinge“. Unbekümmert um den Wissenshorizont des Zuschauers wird dieser mit vielen Verständnisfragen allein gelassen. Was, verflixt noch mal, ist eigentlich ganz genau ein Genom? Warum die Landvermesser in ganz Deutschland „Höhepunkte“ suchen und diese so penibel messen, wird von diesen lediglich grob angedeutet. Die Filmemacher bleiben stumm. An die Stelle eines Kommentars rückt die schmissige Musik von Pit Przygodda („Nichts ist besser als gar nichts“). Obwohl sich die Kamera von Sven O´Hill („Ausfahrt Eden“) pflichtschuldigst über Unterlagen und Objekte beugt, kommt man weder den Personen noch ihren Ordnungssystemen wirklich nahe. Nicht einmal die Namen der Menschen, die da teilweise so lebhaft in die Kamera sprechen, erfahren wir, geschweige denn dass wir andere Informationen erhielten, die es erlauben würden, sie besser zu verstehen.

    Ob es wirklich um Ordnung geht, bleibt dabei zweifelhaft. Denn ist Selbstoptimierung ein Phänomen von Ordnung in einem einigermaßen strengen Sinne? Bezeichnenderweise fällt der Begriff der Ordnung nur zweimal, beim Hochfrequenzforscher und beim Zoologen. Der eine hält Ordnung für menschengemacht, der andere für in der Natur objektiv auffindbar, obwohl er eingesteht, dass unter Zoologen die Ansichten darüber, welche Tiere zu dieser und welche zu jener Art oder gar Gattung gehören, weit auseinandergehen. Funken schlägt der Film aus solchen Divergenzen nicht, auch nicht durch den Schnitt von Gesa Marten („Fräulein Stinnes fährt um die Welt“). Die Filmemacher fixieren sich vielmehr darauf, eine Porträtreihe mit eher melancholischem Grundton zu fabrizieren -  mit teilweise skurrilen Momenten, etwa beim Blick auf aufhellende Tupfer. Die Auswahl der Porträtierten wirkt denkbar willkürlich. Das Bild vom Ordnen der Dinge erscheint in der Konsequenz dann auch denkbar unscharf.

    Fazit: Ohne nützliche Erklärungen wird das Ordnen in „Vom Ordnen der Dinge“ stumm als Schrulligkeit präsentiert.

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