Die Helden in „Wüstentänzer – Afshins verbotener Traum von Freiheit“ sind junge Menschen, die gegen die Unterdrückung künstlerischen Ausdrucks im Iran Widerstand leisten – indem sie sich dem absoluten Tanzverbot, das seit der islamischen Revolution von 1979 gilt, widersetzen. Den zeitgeschichtlichen Hintergrund bilden dabei die studentischen Proteste von 2008 und 2009 anlässlich der Wiederwahl des damaligen Präsidenten Ahmadinedschad. Angelegt ist die erste Regiearbeit des britischen Produzenten Richard Raymond als Biopic über einen noch jungen iranischen Tänzer, der heute in Paris lebt. Abgesehen von einer hervorragend choreographierten Tanzszene ist das Ergebnis aber schon ästhetisch nur schlichter Polit-Kitsch.
Schon in der Schule versucht sich Afshin Ghaffarian (als Kind verkörpert von Gabriel Senior) an der Imitation von Michael Jacksons ‚Moonwalk’ und wird dafür mitunter vom Lehrer übel gezüchtigt. Andere sind verständnisvoller, seine Mutter, aber auch der Schulleiter, der Afshin eine Einrichtung empfiehlt, die westliche Künste und Kultur vermittelt. Dort tobt er sich beim Malen und Tanzen aus, bis auch hier das Regime den Riegel vorschiebt. Als Student (nun dargestellt von Reece Ritchie) in Teheran lernt er eine Parallelgesellschaft junger Intellektueller und Künstler kennen, die Discos und Youtube, Alkohol und freier Liebe huldigt und für mehr Freiheit demonstriert. Zusammen mit Ardavan (Tom Cullen), Mona (Marama Corlett), Nasar (Neet Mohan) und der melancholischen, hochbegabten und heroinabhängigen Elaheh (Freida Pinto) gründet Afshin ein geheimes Tanzensemble, das unter Lebensgefahr und verfolgt von Häschern der Religionspolizei Tanzperfomances in der Wüste aufführt.
„Wüstentänzer – Afshins verbotener Traum von Freiheit“ wirkt wie ein Film, der über sein Planungsstadium nicht hinausgelangt zu sein scheint. Wenn in meist nichtssagenden Bildern Anekdote an Anekdote gereiht wird, meint man weniger etwas zu sehen als etwas zu hören, nämlich wie der echte Afshin Ghaffarian, der am Schluss verhalten in die Kamera lächelt, Regisseur Raymond und Co-Drehbuchautor Jon Croker sein Leben erzählt hat. Und dann geschah das, und dann das…Und wie so oft bei mündlichen Berichten kann man manches gar nicht beschreiben, sondern nur beschwören, wie großartig oder schrecklich es war. Die Macher von „Wüstentänzer - Afshins verbotener Traum von Freiheit“ können das ärgerlicherweise auch nicht, weder mit Dialogen noch mit visuellen Mitteln.
Wo immer Afshin Ghaffarian gestockt haben mag, können auch sie nur beschwören statt zeigen. Welche Faszination Kunst ausübt? Zur Erklärung nur strahlende Gesichter abzufilmen, ist auf Dauer anstrengend und armselig. Die Reaktion auf den Tanz, den Elaheh hinlegt, als sie sich der Gruppe um Afshin vorstellt? Die Phantasie der Inszenierung und des Drehbuchs reicht nur bis zu staunend aufgerissenen Mündern, die man noch sehr oft sehen wird. Sicher agiert die Crew nur bei genrehaften Intermezzi, wenn Gewalt dargestellt wird, wenn Knüppel geschwungen, Pistolen an Köpfe gepresst und Gefesselte mit Fußtritten traktiert werden. Oder wenn tränenreiche Abschiede zu zelebrieren sind, die sich routiniert mit dem Instrumentarium des Melodrams in Szene setzen lassen. Abgesehen von Freido Pinto („Slumdog Millionär“), der die drogensüchtige Tänzerin schon von der Rolle her einfach mehr Einsatz abverlangt, beschränken sich die Darsteller auf mimische Eindimensionalität, als wäre die Mitwirkung an dem Film selbst schon eine gute Sache oder jede emotionale Schattierung ein Verrat an derselben. Die Freiheit des Ausdrucks mit dessen Minimalisierung erkämpfen zu wollen, ist ein Paradox, der zum Verhängnis werden muss.
Filmenthusiasten erinnern sich vielleicht wehmütig an Taylor Hackfords Thriller „White Nights – Nacht der Entscheidung“. Jede Minute nimmt man Mikhail Baryshnikov und Gregory Hines darin ab, dass der Tanz für sie nichts weniger als eine der Gefangenschaft abgerungene Form des Atmens in Freiheit ist. Nicht annähernd diese Wirkung hat der Tanz von Reece Ritchie und Freida Pinto in der Wüste, mag er auch allegorisch, schön und pathetisch sein und einer gefährlichen Situation trotzen. Als Afshin seinen Freund Nasar, der den Auftritt gefilmt hat, mit einem malträtierten Auge wiedersieht und ihn besorgt danach fragt, antwortet dieser, er habe Besuch von der Geheimpolizei erhalten. „Aber für diesen Moment der Freiheit, als ihr beide getanzt habt“, sagt er, „hat es sich gelohnt.“ Das hätte man als Zuschauer allerdings gerne deutlicher gespürt.
Fazit: „Wüstentänzer – Afshins verbotener Traum von Freiheit“ ist ohne Frage ein Film mit einem wichtigen Anliegen. Das Ergebnis ist allerdings unausgereift und hölzern inszeniert. Über die Parallelgesellschaft junger Menschen im Iran erfährt man einiges, über das Widerstandspotenzial der Kunst – hier des Tanzes – viel zu wenig.