Mein Konto
    Im Krieg - Der 1. Weltkrieg in 3D
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Im Krieg - Der 1. Weltkrieg in 3D
    Von Michael Meyns

    Vor 100 Jahren begann der Erste Weltkrieg und wie das so ist in Jahren großer Jubiläen: Mit unzähligen Ausstellungen, Dokumentarfilmen und sonstigen Veranstaltungen wird versucht, die Historie einzuordnen, wobei dem längst Bekannten Neues abgewonnen werden soll. Der Ansatz, den der Dokumentarfilmer Nikolai Vialkowitsch wählt, deutet sich schon im umständlichen Titel seines Films „Im Krieg – Der 1. Weltkrieg in 3D“ an: In diversen Archiven fand Vialkowitsch stereoskopische Fotos, die in aufwändiger Weise digitalisiert wurden und die Basis zu einem Film liefern, der eine große Stärke und eine große Schwäche hat: Denn so eindrucksvoll die auch noch farbigen Bilder vom Leben und Sterben während des Ersten Weltkriegs sind, so behäbig und oft prätentiös ist die Dramaturgie, in die sie eingefügt werden.

    Seit Erfindung der Fotografie experimentierten Fotografen mit einer Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten. Besonders die Farbfotografie stand ganz oben auf der Wunschliste, war jedoch schwer umzusetzen und blieb lange Zeit zu teuer für den Massengebrauch. Dennoch entstanden schon früh tausende Aufnahmen, die oft handkoloriert wurden und zu den erstaunlichsten Schätzen historischer Museen zählen. Dass manche dieser Aufnahmen aus den 1910er Jahren auch noch stereoskopisch erfolgten, also in einer Art frühem 3D-Effekt, macht sie zum geradezu idealen Ausgangspunkt für moderne Filme. Dass dachte sich auch der durch seinen Film „Die Ruhe vor dem Sturm“ bekannt gewordene Nikolai Vialkowitsch und begann mit der aufwändigen Digitalisierung hunderter Fotos.

    Das Ergebnis ist atemberaubend: Bilder vom Paris dieser Zeit, aus Berlin oder einem belgischen Ostseebad lassen die Welt von vor hundert Jahren in einer Weise lebendig werden, wie man es noch nicht gesehen hat. Der 3D-Effekt ermöglicht es dabei quasi in die Fotografien hineinzufahren, Details hervorzuheben, fast hinter einzelne Personen zu blicken und so im Gesamteindruck, ein erstaunlich lebendiges Bild der Zeit um 1914 zu zeigen. Auch auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs kam die stereoskopische Fotografie zum Einsatz und liefert eindrucksvolle Aufnahmen der Stellungskriege, der hunderttausenden Toten und Verwundeten, der Verwüstung und des Chaos. Aber auch Aufnahmen von Momenten der Ruhe, vom Baden im See, provisorischen Duschen, dem Austeilen der Post aus der Heimat, der einzigen Verbindung der Soldaten mit der friedlichen Wirklichkeit, finden sich in „Im Krieg“.

    All diese Fotografien versucht Vialkowitsch in eine Erzählung über den Krieg einzubetten, die sich lose von der Begeisterung des Jahres 1914 bis zur Ernüchterung der Kriegsjahre und schließlich zur trügerischen Hoffnung von 1918 entwickelt, dass dies nun aber wirklich der letzte große Krieg gewesen sei. Unterlegt von bombastischer, pathetischer Musik wird aus Tagebuchaufzeichnungen oder Briefen vorgelesen, disparate Erinnerungen mal deutscher, mal britischer, mal französischer Soldaten, die zusammengenommen ein allgemeines Bild des Krieges abgeben sollen, diesen aber doch nur oberflächlich skizzieren. Würde man ohne Wissen über den Ersten Weltkrieg in diesen Film gehen, man würde nicht erfahren, wer hier wo und vor allem warum gegeneinander gekämpft hat.

    Doch statt die offensichtliche Unmöglichkeit, den Ersten Weltkrieg in kaum 100 Minuten auch nur ansatzweise darstellen zu können, als Anlass für einen abstrakten Film zu nehmen, der das individuelle Leid überhöht und zum universellen Bild vom Krieg wird, bemüht sich Vialkowitsch um konkrete Bilder – und scheitert. Ominös und bedeutungsschwer filmt er überwucherte Bahngleise ab, lässt die Kamera durch die Reste von Schützengräben fahren und verharrt ewig lang auf Bäumen, in der Hoffnung, dass sich irgendwie Bedeutung einstellt. Dabei hätte sich Vialkowitsch einfach mehr auf die Bilder verlassen können. Denn die eindrucksvollen Aufnahmen vom Leben und nicht zuletzt vom Sterben während des Ersten Weltkriegs, vom Leid, das den Soldaten ins Gesicht geschrieben steht, erzählen schon von alleine so deutlich und eindringlich. Da hätte es kein aufgesetztes Pathos, keine bombastische Überwältigungsmusik benötigt, um zu vermitteln, was der Erste Weltkrieg bedeutet hat.

    Fazit: Nikolai Vialkowitsch zeigt in seinem Film „Im Krieg – Der 1. Weltkrieg in 3D“ überaus eindrucksvolle Fotos aus dem Ersten Weltkrieg, die durch Farbe und den stereoskopischen Tiefeneffekt mehr über Leben und Tod im Ersten Weltkrieg erzählen, als es die aufgesetzte Dramaturgie und die unnötig pathetische Musik vermögen.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top