Wer heutzutage nach der großen Liebe sucht, dem bieten sich viel mehr Möglichkeiten als früher: Online-Partnerbörsen erleben derzeitig einen Boom und buhlen in der TV-Werbung mit prominenten Aushängeschildern wie Cosma Shiva Hagen („Männerhort“) um neue Mitglieder. Mittlerweile lernt sich jedes dritte Paar im Internet kennen – ist ja schließlich auch ganz praktisch, sich vorab und unverbindlich über die Interessen und Vorlieben seines potenziellen neuen Herzblatts informieren und gezielt nach Gemeinsamkeiten suchen zu können. Der Nachteil: Wer sich online ein Profil anlegt, zeigt sich in der Regel von seiner Schokoladenseite – und nach den ersten Treffen erleben einsame Herzen bisweilen eine unliebsame Überraschung. Filmemacher André Erkau („Das Leben ist nichts für Feiglinge“) greift dieses Dilemma im „Tatort: Wahre Liebe“ auf und lässt Hauptkommissar und Dauer-Single Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) ein Wechselbad der Gefühle durchleben. Das Ergebnis ist ein durchaus kurzweiliger, aber erst auf der Zielgeraden spannender Krimi, in dem sich einmal mehr eine neue Aushilfsassistentin auf dem Kölner Polizeipräsidium ausprobieren darf.
Natascha Klein (Suzan Anbeh) hat Grund zur Freude: Ihre Online-Partneragentur „Lovecast“ verzeichnet den zwanzigmillionsten Kunden. Doch am Morgen nach der standesgemäßen Firmenfeier, auf der ihr Geschäftsführer Gerd Machnow (Bernd Moss) eine Trophäe überreicht, liegt Klein tot in ihrem Büro – erschlagen mit eben jener Trophäe und neben einem Briefumschlag mit 50.000 Euro. Die Kölner Hauptkommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) ermitteln in alle Richtungen: Hat sich eine enttäuschte Kundin an der Agenturchefin gerächt? In den vergangenen Wochen waren mehrere Frauen von einem Heiratsschwindler (Kai Ivo Baulitz), der im Netz unter dem Namen „Zauberer“ auftritt, um große Geldbeträge erleichtert worden. Natascha Kleins Ehemann Jörg (Holger Daemgen) bringt ebenfalls ein Mordmotiv mit, war zur Tatzeit aber auf Geschäftsreise in China. Und warum hat Hausmeister Matthias Freytag (Oliver Bröcker) ausgerechnet die Überwachungskamera vor Kleins Büro nicht reparieren lassen? Licht ins Dunkel kommt, als sich die neue Aushilfsassistentin Gabi (Kathi Angerer) für eine Lockvogel-Aktion anbietet: Gemeinsam mit Polizeipsychologin Lydia Rosenberg (Juliane Köhler) erstellt sie ein Online-Profil von sich selbst – und ihre Kontaktanzeige bleibt nicht lange unbeantwortet…
„Sag mal, Max, hast du eigentlich schon mal im Internet nach ‘ner Frau gesucht?“, fragt der glücklich verheiratete Familienvater Freddy Schenk seinen alleinstehenden Kollegen Ballauf schon bei der ersten Tatortbesichtigung im „Lovecast“-Gebäude. Na klar: In den „Tatort“-Folgen aus der Domstadt machen es sich die Filmemacher fast traditionell zur Aufgabe, soziale Missstände anzuprangern oder – wie hier - aktuelle Themen aufzugreifen. Drehbuch-Debütant Maxim Leo nimmt die weniger online-affinen TV-Zuschauer dabei an die Hand und erläutert zunächst das ausgeklügelte System der digitalen Kuppelbörsen: Bei „Lovecast“ berechnet ein Algorithmus die Gemeinsamkeiten potenzieller Partner und soll den perfekten Deckel für jeden Topf finden. Das ist natürlich unromantisch und anonym, sind sich die aus der Offline-Generation stammenden Kommissare schnell einig – eine recht einseitige Betrachtungsweise, die in der Folge Stück für Stück aufgebrochen wird. So dreht der ergraute Internet-Laie Ballauf („Avatare.“ – „Wie bitte?“) schon bald in einem unbeobachteten Moment selbst eine Testrunde in der virtuellen Kennenlernwelt.
Während ihrer Ermittlungen kauen die Kölner Kommissare dann immer wieder platte Weisheiten und Erfahrungswerte zu den Themen Liebe, Ehe und Beziehungen durch – das passt zwar prima zum Mordfall, ist aber schnell ermüdend. Auch durch das Wiedersehen mit Psychologin Lydia Rosenberg (Juliane Köhler, zum vierten Mal im Kölner „Tatort“ mit von der Partie) kommt kein Schwung ins Geschehen: Ballaufs Gelegenheitsgeliebte bringt den Kriminalfall kaum voran – sieht man davon ab, dass sie der anfangs ziemlich überforderten Neu-Assistentin Gabi kichernd beim Anlegen eines Online-Profils assistiert und damit den Boden für die späteren Treffen mit potenziellen Mördern bereitet. Deutlich mehr Spaß machen die Kurzauftritte der drei vom „Zauberer“ betrogenen Frauen: Kieferorthopädin Ute Schilling (Sabine Orléans), Innenarchitektin Elisabeth Sanders (Andreja Schneider) und Alleinerbin Maren Heise (Judith Engel) fügen sich prima in das heitere Stimmungsbild im Mittelteil des Films ein, in dem sich Staatsanwalt von Prinz (der 2013 verstorbene Christian Tasche in seiner letzten Rolle) mit einem schallenden Lachen für immer aus der Krimireihe verabschiedet.
Nach einer guten Stunde kommt der Krimi dann doch noch auf Touren, weil die Filmemacher die ausgetreten „Tatort“-Pfade verlassen und die nachnamenlose Assistentin Gabi schon bei ihrem ersten (und voraussichtlich letzten) Einsatz solo ermitteln lassen. Das naive Greenhorn mit der bescheidenen „Ich mach sowieso wieder alles falsch“-Art nimmt bei der Suche nach dem „Zauberer“ eine Schlüsselrolle ein, weil Ballauf und Schenk eine andere Spur verfolgen und den Zuschauer beim Bangen um den sympathischen Lockvogel allein lassen. Ob der von ihr ins Visier genommene Heiratsschwindler auch die Agenturchefin auf dem Gewissen hat, ist zu diesem Zeitpunkt ungewiss – doch trotz der zahlreichen Verdächtigen und einer netten Schlusspointe wird die Auflösung das krimierprobte Publikum kaum verblüffen können. So bleibt die beste Szene im 918. „Tatort“ eine Begegnung der Kommissare mit der Empfangsdame des undurchsichtigen Psychotherapeuten Dr. Senfft (Christian Kerepeszki): „Kripo Köln“, entgegnet Ballauf mit versteinerter Miene, als er von ihr gefragt wird, ob Freddy und er zur gleichgeschlechtlichen Partnerschaftsberatung oder zur Männergruppe angemeldet sind.
Fazit: Vom Suchen und Finden der Liebe – Ballauf und Schenk ermitteln im „Tatort: Wahre Liebe“ in der Welt der Singles und Betrogenen. Das gestaltet sich durchaus kurzweilig, ist aber erst auf der Zielgeraden wirklich spannend.