Alljährlich lädt Julian Rachlin, einer der namhaftesten Violinisten der Gegenwart, befreundete Musiker und Schauspieler zu einem humoristischen Musikfestival in die kroatische Küstenstadt Dubrovnik ein. 2010 fand das zehnjährige Jubiläum der Veranstaltung „Julian Rachlin & Friends“ statt, die gleichzeitig musikalisch anspruchsvoll, aber auch voller Selbstironie ist. Mit dabei: Der vielseitige Aleksey Igudesman, der das Geschehen auf der Bühne und hinter den Kulissen dokumentierte. Das Resultat ist das halbgare Mockumentary „Noseland“, das trotz der ein oder anderen amüsanten Szene ein alberner, verkrampfter Versuch ist, die elitär und leicht verstaubt wirkende Welt der klassischen Musik mit schrägem Humor in der Tradition von „This Is Spinal Tap“ oder „The Rutles“ aufzulockern. Doch anders als bei diesen kultigen Vorbildern wird hier selten der richtige Ton und das Timing für die Gags getroffen.
Aleksey Igudesman, Dirigent, Komponist und Geiger aus Leidenschaft, stellt seinem guten Freund und Vorbild, dem preisgekrönten Geigenvirtuosen Julian Rachlin, seinen ersten Film vor. Beide Männer sitzen mit Kopfhörern in einem Vorführraum und schauen sich den Finalschnitt von „Noseland“ an, einer Dokumentation über Rachlin, der im Laufe der Vorführung immer mehr am Verstand des Filmemachers zweifelt. Igudesman dokumentiert nämlich nicht nur das Bühnenprogramm, in dem sich zwischen musikalischen Präsentationen, der Schauspieler John Malkovich in einem wütenden Monolog über die mangelnde Kunstfertigkeit von Rachlins Geigenspiel auslässt. Er verfolgt die eingeladenen Musikanten, von Stars und Sternchen der klassischen Musikszene bis hin zu aufstrebenden Nachwuchskräften, und stellt permanent unsinnige Fragen über die scheinbar brotlose Kunst des Geigens. Nebenbei versucht Igudesman zudem Rachlin als selbstverliebten Nasenfetischisten zu diffamieren.
In „Noseland“ gehen Fakt und Fiktion regelmäßig ineinander über. So stimmt es, dass Julian Rachlin eine gewisse Faszination für Nasen hegt. Die kuriose Darstellung seines Fetischismus führt aber auch zu beleidigenden Fragen von Aleksey Igudesman an Rachlins Mutter, die daraufhin mitten im Interview (scheinbar erbost) aufsteht und geht. Hier und in anderen Interviews, in der sich etwa Bond-Altmime Roger Moore oder John Malkovich bemühen, Absurditäten in einem ernsthaften Ton aufzusagen, ist man sich als Zuschauer aber stets bewusst, dass Menschen krampfhaft versuchen, lustig zu sein. Auch der begleitende Kommentar von Igudesman und Julian Rachlin aus dem Vorführraum wirkt einstudiert und unspontan. Das ist bedauerlich, da das von Igudesman geschriebene Bühnenprogramm nicht ohne Komik ist, und seine Musiktheater-Show (u.a. mit der Geigerin Rusanda Panfili und dem Pianisten Richard Hyung-ki Joo) mit ihrem cleveren Mix aus Musik, Tanz und Schauspiel auch auf YouTube begeistern.
Mit dem Medium Film dagegen kommt Aleksey Igudesman nicht zurecht: Mehr als mühsam improvisierte Gespräche, in denen die Amateurdarsteller deutliche Schwierigkeiten mit dem betont satirischen Ton haben, fällt ihm nicht ein. Der in 14 Tagen vor Ort in Dubrovnik gedrehte Film hatte zunächst den Titel „The Festival“ und war als kleines No-Budget-Privatprojekt ohne Kino-Ambitionen geplant. Als sich nach einem Jahr ein befreundeter Finanzier fand, konnte der Film fertig geschnitten und vertont werden und lief auf einigen Festivals. Ein Teil des Publikums zeigte sich von der schrägen Mischung aus Klassik, Komik und Schauspiel so angetan, dass ein kleiner Kult um den Film entstand. Das erklärt nun auch die Veröffentlichung des Films hierzulande. In Erinnerung bleiben von dem uninspirierten Gesamtwerk allerdings nur das interessante Bühnenprogramm, vor allem das Stück „The Malkovich Torment“, in dem John Malkovich mit rotem Kopf einen Verriss des Programms zum Besten gibt.
Fazit: Aleksey Igudesmans „Noseland“ ist der missglückte Versuch einer Mockumentary, der zwar einige sehenswerte Shownummern zeigt, darüber hinaus aber nur verkrampfte Komik und missglückte Selbstironie bietet.