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    Virgin Mountain
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Virgin Mountain
    Von Michael Meyns

    Ein Berg von einem Mann steht im Mittelpunkt des neuen Films von Dagur Kári, der schon in seinem bekanntesten Film „Noi Albinoi“ viel Gespür für die Außenseiter der isländischen Gesellschaft bewiesen hat. In „Virgin Mountain“, der seine Weltpremiere im Berlinale Special 2015 feierte, spinnt der Regisseur dieses Thema weiter und widmet sich dem übergewichtigen, extrem introvertierten, schüchternen und jungfräulichen Fúsi. Der ist schon über 40, muss aber erst noch lernen muss, nicht mehr nur passiv durchs Leben zu gehen. Wie Kári diese Entwicklung schildert und Fúsi trotz all des Unglücks, das er erlebt, nie seine Würde verlieren lässt, macht das lakonisch erzählte Drama, das fast so etwas wie eine Antithese zum Genre der romantischen Komödie ist, zu einem so berührenden, sehenswerten Film.

    Zwar lernt Fúsi (Gunnar Jónsson, dem Kári die Rolle auf den Leib schrieb) recht bald eine Frau kennen, doch die anfangs so umgänglich wirkende Sjöfn (Ilmur Kristjánsdóttir) entpuppt sich schnell als depressive Person, die zwar nicht bewusst mit Fúsis Gefühlen spielt, sein grundgutes Herz jedoch auch nicht wirklich zu schätzen weiß. Dass Kári diese komplizierte Romanze nicht einfach in Wohlgefallen auflöst, dass er all die kleinen und größeren Probleme, mit denen Fúsi zu kämpfen hat – eine egozentrische Mutter, bei der er immer noch wohnt, unfreundliche Kollegen, die sich über ihn lustig machen – in bester nordischer Lakonie einfach im Raum stehen lässt, verleiht „Virgin Mountain“ besondere Wahrhaftigkeit. Hier wird anders als sonst meist im Kino (insbesondere bei romantischen Komödien) eben nicht alles gut und der introvertierte Fúsi verwandelt sich auch nicht plötzlich in einen tollen Hecht. Er wird als zwar etwas merkwürdiger, aber grundsympathischer Typ gezeigt, der sich nur in winzigen Schritten verändern kann. Da ist es umso berührender, wenn es ihm gelingt, ein klein wenig aus sich herauszugehen und am Ende irgendwie sogar ein anderer Mensch zu werden.

    Fazit: „Virgin Mountain“ ist eine lakonisch erzählte und dennoch berührende Charakterstudie eines beleibten, in sich gekehrten Mannes, der lernt, sich der Welt zu öffnen – in ganz kleinen Schritten.

    Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2015. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 65. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

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