Geistliche, Priester, Pastoren, Pfarrer – es gibt viele Bezeichnungen für Menschen, die eine Kirchengemeinde leiten, die Gemeindemitglieder seelsorgerisch betreuen und Gottesdienste feiern. Das Wort „Pfarrer“ leitet sich aus dem griechischen Wort für Nachbarschaft und Nähe ab. Die meisten kennen Pfarrer oder Pfarrerinnen nur aus ihrem „Arbeitsalltag“ in der Kirche oder bei Beerdigungen. Was sind das für Menschen? Was treibt sie an? Das wollen die beiden Filmemacher Stefan Kolbe und Chris Wright in ihrem Dokumentarfilm „Pfarrer“ herausfinden. Sie zeigen dabei eigentlich ganz normale Menschen mit ganz normalen Zweifeln, wobei einige Fragen offen bleiben.
Ein Jahr lang begleiten die Filmemacher angehende Pfarrerinnen und Pfarrer im Predigerseminar in der Lutherstadt Wittenberg, zu dem diese immer wieder für mehrere Tage anreisen. Die Vikarinnen und Vikare lernen hier predigen und segnen, sie sollen aber auch in der Gruppe ihren eigenen Glauben hinterfragen und dann gefestigt in ihren Berufsalltag gehen. Almut, Ulrike, Björn, Christoph und Lars werden vor der Kamera sehr persönlich und berichten von ihren Familien, Krankheiten und Erfahrungen mit dem Tod nahestehender Personen.
Natürlich sind Pfarrerinnen und Pfarrer „normale“ Menschen und keineswegs besonders vergeistigt. Sehr sympathisch ist es, wenn Ulrike über die Zeit in Wittenberg sagt, dass das Seminar „wie eine Droge“ sei. Sie würden bis nachts um zwei sitzen, rauchen und trinken. Im nächsten Moment sehen wir sie Predigten einüben und dazu in den sehr typischen Sprachduktus verfallen. Das Einüben von „Fertigkeiten“ wie Singen und Segnen beobachten zu können, ist etwas Besonderes und weniger „heilig“ als vielleicht erwartet. Da ruft Almut ausgerechnet beim gehaspelten Vortragen des Segens „Scheiße!“ und Stimmübungen in der Schlosskirche werden begeistert von japanischen Touristen beobachtet: Ein Lehrer ganz leger in Jeans und Hemd leitet eine Gruppe von Männern und Frauen im Talar an, seltsame Laute wie „ahh, uhh, ähhh“ von sich zu geben.
Warum sie hier seien, werden sie ziemlich zu Anfang gefragt. Die Antworten lauten unter anderem „Weil ich mir nichts anderes vorstellen kann“ und „weil ich es schön finde, dass überall sonntags um zehn die Glocken läuten und alle das gleiche machen.“ Das ist ein bisschen wie die Zusammenfassung des Films: Am Ende hat man Menschen erlebt, die sich berufen fühlen, ohne es wirklich auf den Punkt bringen zu können. Und solche, für die bereits seit der Kindheit reges Gemeindeleben und der Glaube an Gott dazugehören. Das bedeutet nicht, dass die Vikarinnen und Vikare nicht streiten und zweifeln. Einiges davon fangen Kolbe und Wright ein, sie sind meist nah dran und werden bei einigen Übungen sogar einbezogen. Dann können die atheistischen Filmemacher ihre Skepsis zum Ausdruck bringen und die Protagonisten herausfordern. Dass ihr Antrieb dennoch ein Mysterium bleibt, kann als fehlende Tiefe kritisiert werden. Aber vielleicht ist das ja so mit dem Glauben – er hat mit dem Verstand eben nichts zu tun.
Interessant sind die Stellen, an denen es konkret wird. Die Pfarrerstochter Ulrike stellt belustigt fest, dass sie für ihren Beruf „die perfekten Krankheiten“ habe und damit authentisch sei. Sie ist als Kind an Diabetes erkrankt und hatte als Jugendliche Krebs. Ihr Vater konnte ihre Fragen nach dem „Warum“ nicht beantworten und gab dies offen zu, das empfand sie als gut und heilsam. Die Kamera von Stefan Kolbe fängt zwischen diesen gelungenen Gesprächen allerdings immer wieder Bilder von Details der alten Gemäuer in Wittenberg ein und ermüdend oft von Bäumen. Personen werden mal frontal, mal in irritierender Untersicht aufgenommen, teilweise wird in Gesprächen störend oft geschnitten. Einige Szenen werden zudem regelrecht überladen, etwa wenn ein Gebet in ein Abendmahl übergeht, parallel verschiedene Bilder gezeigt werden und zusätzlich eine Streichermelodie erklingt.
Fazit: Visuell ist „Pfarrer“ bisweilen überfrachtet, die Antworten der Vikare sind allerdings oftmals interessant.