Die zwei immer noch zugkräftigsten deutschen Kinostars, Til Schweiger und Matthias Schweighöfer, haben längst begriffen, dass man, wenn man seine Filme auch selbst produziert und inszeniert, noch mehr Kasse machen kann. Florian David Fitz, der wie auch Elyas M'Barek momentan noch hinter dem Duo rangiert, wobei sie auf der Überholspur unterwegs sind, bewegt sich mehr und mehr auch hinter der Kamera – als Drehbuchautor bei „Vincent will Meer“ oder zusätzlich als Regisseur bei „Jesus liebt mich“. Dabei zeigt er Ambitionen, mehr als nur gutaussehend und sympathisch herüberzukommen und triviale Komödien nach US-amerikanischem Vorbild abzuliefern. Dieses Bestreben spiegelt sich auch in der Auswahl vieler seiner Rollen für Filme, in denen er „nur“ Schauspieler ist. So auch in „Hin und weg“ von Christian Zübert („Dreiviertelmond“, „Lammbock“), wo der wandelbare Florian David Fitz, der im Gegensatz zu einigen Kollegen nicht immer ähnliche Figuren mimt, als Todkranker in einer emotionsgeladenen Tragikomödie brilliert. Mit der versucht Zübert sichtlich über das an den Kinokassen bewährte deutsche Komödien-Rezept hinauszuwachsen, was auch teilweise gelingt.
Beim jährlichen Fahrradausflug einer sechsköpfigen Freundesgruppe bestimmen dieses Mal Hannes (Florian David Fitz) und Kiki (Julia Koschitz) ein Ziel in Belgien. Dass der an der unheilbaren Nervenkrankheit ALS leidende Hannes dort einen Sterbehilfe-Termin vereinbart hat, der den für ihn letzten gemeinsamen Abstecher mit den Menschen, die ihm am nächsten stehen, beenden soll, offenbart das Paar der Gruppe erst auf dem Weg. Ausgerechnet Hannes' Bruder Finn (Volker Bruch), der auch schon den Vater durch dieselbe Krankheit verlor, stellt sich zunächst quer, aber die Mutter (Hannelore Elsner) und der in anderen Belangen eher oberflächlich wirkende Michael (Jürgen Vogel) unterstützen den Plan und versuchen, den Abschied unter Freunden ohne peinliche Beklemmungen zu Ende zu bringen.
Das Timing für die Veröffentlichung von „Hin und weg“ ist durch einen Zufall fast perfekt. Aufgrund des plötzlich die sozialen Medien dominierenden Phänomens der „Ice Bucket Challenge“ ist die bislang der Öffentlichkeit kaum bekannte Krankheit ALS plötzlich in aller Munde. „Hin und weg“ hat das Zeug von diesem Hype richtig zu profitieren, nicht nur weil der Film fast zur richtigen Zeit kommt, sondern weil er inhaltlich die richtige Mischung bietet, um trotz des ernsten Themas ein großes Publikum anzusprechen. Der Balanceakt zwischen fröhlichem Fahrradausflug, kleinen Beziehungskrisen und dem zu erwartenden Stimmungsdämpfer am Schluss des Films gelingt Christian Zübert über weite Strecken. Er setzt dies vor allem auf der Tonebene um. So wird immer wieder – „Guardians Of The Galaxy“ lässt grüßen – das Mixtape von Romantikerin Mareike (Victoria Mayer) mit teilweise exklusiv für den Film produzierten Songs von Passenger oder den Beatsteaks genutzt, um die Gute-Laune-Szenen zu untermalen – auch wenn nicht alle Radfahrer damit einverstanden sind (Zitat: „Lasst Mareike nicht die Musik auflegen bei meiner Beerdigung!“). Sobald es aber ernst wird, ruht der Ghettoblaster und in der daraus resultierenden unvermittelten Stille ist, selbst das leiseste Atmen oder Stuhlknarzen deutlich zu vernehmen.
Diese leisen Szenen stechen auch am stärksten heraus. Sie stehen ganz im Dienste der Geschichte, während die regelmäßig eingeschobenen humorigen Zwischentöne manches Mal einen tollen Gag bringen, aber mit Nutella ins Gesicht oder einer Amtsanmaßung hin und wieder auch etwas zu fabriziert wirken. Damit „Hin und weg“ trotz des ernsten Themas über weite Strecken Unterhaltung bietet, gibt es gleich mehrere Nebenhandlungen, die zusätzlich angeschoben werden, in dem sich die Radfahrer gegenseitig Aufgaben stellen. Mareike und Dominik (Johannes Allmayer) haben etwa eine Beziehungskrise, die sich unter anderem durch einen komplett unterschiedlichen Umgang mit Sex und Erotik ausdrückt. Die Kluft zwischen Poesiealbum und Porno führt sie schließlich in einen Swingerclub, wo sie sich einem Gangbang stellen sollen. Jürgen Vogel als beziehungsuntauglicher Schürzenjäger Michael bekommt hingegen den Auftrag, in Frauenkleidern aufzutreten und gabelt ausgerechnet vor der Damentoilette die halb so junge Sabine (Miriam Stein) auf, die spontan mitradeln will. Dass sie nichts von Hannes' Krankheit weißt, sorgt für weiteren humorigen Zündstoff. Daneben bekommen aber auch ernstere Stränge wie der angemessene Abschied von Hannes' kleinem Lieblingsneffen oder die Probleme, der sich die zukünftige Witwe Kiki stellen muss, ausreichend Platz.
Diese Achterbahnfahrt der Emotionen, das Kombinieren dieser mehreren, nicht durchweg auf dem gleichen hohen Niveau befindlichen Nebengeschichten, funktioniert nicht immer reibungslos. Christian Zübert reizt die Extreme von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt bisweilen zu stark aus, so dass man als Zuschauer schon den einen oder anderen Schlenker mitmachen muss, um nicht auszusteigen. Doch „Hin und weg“ unterscheidet sich deutlich von den nicht immer geschmackssicheren und oft aseptisch wirkenden Schweig(höf)er-Filmen wie „Vaterfreuden“ und „Zweiohrküken“. Das Bestreben nicht nur viele Zuschauer mit Zoten zu erreichen, sondern diesen auch etwas nahe zu bringen, was sie nicht zwei Stunden später wieder vergessen haben, ist jederzeit spürbar. Dies spiegelt sich auch in der Inszenierung wieder. Zübert setzt nicht immer auf immer gleiche Sepia-Bilder, sondern geht Risiken ein. Die gehen zwar nicht immer auf, doch sind zumindest immer interessant. Der quirlige Splitscreen-Vorspann ist so zwar etwas zu deutlich darauf ausgelegt, die Figuren im Schnelldurchlauf vorzustellen, aber trotzdem ein Auftakt, der neugierig macht. Zudem beweist Zübert den im deutschen Kino viel zu seltenen Mut zum Pathos, schafft es nicht nur emotionale, sondern auch immer wieder intimente Momente zu schaffen. Da verzeiht man gerne die ein oder andere „Gute-Laune-Passage auf Befehl“.
Fazit: Mit starker Besetzung, einem interessanten und ernsten Thema gelingt Christian Zübert mit „Hin und weg“ trotz einiger Schwächen eine sehenswerte Emanzipation vom üblichen deutschen Komödienschema.