Schaurige Zeitungsmeldungen über einsam verstorbene Menschen, deren Leichen teilweise wochenlang unentdeckt in Wohnungen lagen, gibt es immer wieder. Und viele haben sich vielleicht schon einmal die Frage gestellt, was mit solchen Menschen, die ohne Kontakt zu Freunden oder Verwandten sterben, anschließend passiert. In seiner Tragikomödie „Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit“ stellt der italienische Regisseur und Drehbuchautor Uberto Pasolini („Spiel der Träume“) einen sogenannten „funeral officer“ aus London vor, der ebenjenen Menschen die letzte Würde beschert. Die stille Tragikomödie, die ihre erfolgreiche Uraufführung 2013 bei den Filmfestspielen von Venedig feierte, lebt vom Charakterdarsteller Eddie Marsan, der die Hauptfigur mit vielen kleinen und glaubwürdigen Nuancen ausstattet.
John May (Eddie Marsan) arbeitet als „funeral officer“ für die Londoner Stadtverwaltung. Er spürt die Angehörigen von anonym Verstorbenen auf und organisiert die Formalitäten rund um die Bestattung. Der Beamte geht dabei mit besonderer Sorgfalt vor, versetzt sich anhand von Fotografien in die Leben der Verstorbenen und ist schließlich meist der einzige Trauergast auf der Beerdigung. Seinem Chef ist diese Arbeitsweise allerdings zu umständlich, so dass er die Stelle wegrationalisiert. Mays letzter Fall ist dann ausgerechnet sein eigener trunksüchtiger Nachbar William Stoke, den er persönlich nicht kannte. Fast schon obsessiv steigert sich der Beamte in seine letzte Aufgabe und reist ins Londoner Umland, um Billys Tochter Kelly (Joanne Froggatt) zu treffen. Durch die Gespräche mit Kelly und anderen Hinterbliebenen findet May langsam einen Weg in sein eigenes Leben, das letztlich genauso einsam ist wie das seiner verstorbenen Schützlinge.
Im Mittelpunkt von „Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit“ steht der titelgebende Protagonist. Die tragische Komödie bleibt stets nah bei der Hauptfigur, die der aus Nebenrollen in „21 Gramm“, „Happy-Go-Lucky“ oder der Komödie „The World’s End“ bekannte Eddie Marsan präzise spielt. Marsan stattet den akribischen und stets mustergültig korrekten Beamten, der selbst seine überraschende Kündigung stoisch hinnimmt, mit viel Charisma und sympathischen Wesenszügen aus. Im Verlauf seiner letzten Todesfall-Recherche findet May stückweise eine neue Perspektive auf sein Leben, das zuvor von Tristesse und routinierten Abläufen geprägt ist. Die Wandlung des Protagonisten wird allerdings nicht mit Pauken und Trompeten, sondern eher anhand von Kleinigkeiten präsentiert: Während das Abendbrot des Beamten normalerweise herzhaft ausfällt, probiert May im Handlungsverlauf ein süßes Eis und trinkt statt Tee eine heiße Schokolade. Ein filmisches Mittel, das die Entwicklung der Figur verdeutlich, ist die Farbgestaltung – zu Beginn herrschen gesetzte Töne vor, erst später kommen immer mehr buntere Akzente zur Anwendung.
Auch abseits der Figurenzeichnung bleiben – von einer Ausnahme abgesehen – große Knalleffekte aus. Regisseur und Drehbuchautor Uberto Pasolini bevorzugt vielmehr eine ruhige und unaufgeregte Erzählweise, arbeitet mit unbewegten Kameraeinstellungen und macht kleine Nuancen anhand von leicht variierten Wiederholungen fest, die zugleich auch auf die eingespielten Routinen der Hauptfigur verweisen. So vergewissert sich May beim Überqueren einer Straße stets zweimal, ob der Weg frei ist, breitet wiederholt die Fotos seiner verstorbenen „Klienten“ sorgfältig auf dem Schreibtisch aus und besucht regelmäßig den Friedhof, auf dem die anonym Verstorbenen in unbenannten Gräbern ruhen. Die phasenweise etwas penetrante Gitarrenmusik will indes nicht so recht zur ansonsten schnörkellosen Inszenierung passen, was letztlich aber nicht allzu stark ins Gewicht fällt. Mit dem berührenden Finale wird der Kreis der Erzählung nämlich zu einem stimmigen Gesamtwerk geschlossen.
Fazit: Warmherzige und zurückhaltend inszenierte Tragikomödie, die von der eindringlichen Leistung des Hauptdarstellers Eddie Marsan profitiert.