Das osteuropäische Kino ist auf dem Vormarsch. Einst abgetrennt durch den ehemaligen Eisernen Vorhang ist dort wieder eine bunte Filmlandschaft erblüht, die es ganz unbedingt zu entdecken gilt. Dabei fällt auf, dass viele Filme aus Osteuropa ein ganz eigenes Verhältnis zu Zeit auszeichnet. Während gerade moderne Hollywood-Blockbuster oft hektisch geschnitten sind und auf eine völlige Reizüberflutung setzen, scheint die Zeit hier oftmals still zu stehen. Da kann es durchaus vorkommen, dass ein Film mit einem gefühlt zehnminütigen Standbild einer einsamen Bushaltestelle mitten im verschneiten Nirgendwo beginnt, bevor die erste kleine schemenhafte menschliche Figur im Bild erscheint. Mit diesem Wissen im Hinterkopf ist man recht gut für „Killing Time – Zeit zu sterben“, den dritten Spielfilm des rumänischen Schauspielers und Regisseurs Florin Piersic Jr., vorbereitet. Mag die Handlung auch zunächst an Quentin Tarantinos Erstling „Reservoir Dogs“ erinnern, wird schnell klar, dass der Titel hier Programm ist.
„Killing Time“ beginnt mit einem langen Dialog, der eigentlich fast schon ein Monolog ist. Ein älterer Mann (Florian Zamfirescu) redet auf einen zunächst nicht sichtbaren zweiten Mann ein. Die beiden wirken miteinander gut vertraut, doch trotzdem wird langsam deutlich, dass der Mann im wahrsten Sinne des Wortes gerade um sein Leben redet, während sein Gesprächspartner nur auf direkte Fragen kurz antwortet. Bei ihm handelt sich um einen Profikiller (Florin Piersic Jr.), der gekommen ist, um den alten Mann im Auftrag seines Bosses zu erschießen, was er schließlich auch tut. Als nächstes sieht man diesen Killer zusammen mit einem zweiten Auftragsmörder (Cristian Ioan Gutău) zu der Wohnung ihres nächsten Opfers fahren. Weil sie auf dieses lange warten müssen, vertreiben sie sich die Zeit mit Rauchen, Kaffeetrinken und Tischtennisspielen. Dabei offenbaren sich schnell Unterschiede bei den Kollegen. Während der erste Killer sehr wortkarg ist, plappert sein Kollege wie ein Wasserfall auf ihn ein. Er ahnt nicht, dass die Nerven seines Kollegen bereits blankliegen, da sein Sohn im Krankenhaus in Lebensgefahr schwebt...
Die schmucklosen Bilder in „Killing Time“ wurden mit einer digitalen Handkamera gedreht. Kameramann Cristian Stan hält meist direkt auf die Gesichter. Die Einstellungen sind dabei durchaus auch mal unscharf, auf den Gebrauch von Kunstlicht wurde ganz verzichtet. Daraus resultiert eine quasi dokumentarische Optik. Dies spiegelt sich auch auf der inhaltlichen Ebene wieder. Piersic Jr. zeigt in „Killing Time“ wie trostlos das Leben von Auftragskillern eigentlich sein dürfte. Das besteht zum größten Teil aus Reden und aus Warten, aus Warten und aus Reden. Die langen Dialoge sind dabei fern der skurrilen Tarantino-Virtuosität, sondern einfach banale, fast schon gewöhnliche Gespräche unter gelangweilten Männern. Wobei Piersic Jr., der neben Drehbuch und Regie auch die eine Hauptrolle übernimmt, deutlich macht, dass sich gerade gelangweilte Männer auch mal über Skurriles unterhalten, wie z.B. über die angeblichen Potenzunterschiede verschiedener Superhelden oder wie der perfekte Mord an einem Zirkuszwerg aussieht.
Florin Piersic Jr. wandelt dabei auf einem schmalen Grat. Die Langsamkeit der Erzählung langweilt auch immer wieder mal, auf faszinierende Weise wird jedoch dadurch auch die quälende Situation, in der sich die beiden Killer befinden, nachfühlbar. Der Zuschauer muss gemeinsam mit den Gangstern darauf warten, dass etwas geschieht. Und irgendwann passiert dann auch tatsächlich einiges, wofür die die vorangegangene Anspannung und Langeweile sogar essentiell ist. Wie bereits in der ersten Szene zeigt sich dabei erneut, dass nicht der Inhalt der Dialoge wichtig ist, sondern das, was sich unter der Oberfläche abspielt. Die Gespräche sind ein einziges Kräftemessen zwischen den Killern, bei dem mal der eine, mal der andere Oberwasser hat. Dabei geht es um verschiedene Wertesysteme, Lebensphilosophien und um die Konsequenzen, die das eigene Handeln hat. So beschimpft der erste Killer an einer Stelle heimlich im Badezimmer Gott, weil er die Erkrankung seines Kindes als himmelschreiende Ungerechtigkeit empfindet. Dabei ist der Mann, auf den die Killer warten, ein Rettungsarzt. Es wird zwar niemals explizit angesprochen, aber es könnte durchaus sein, dass es genau der Arzt ist, der gerade versucht dem Kind des Killers das Leben zu retten...
Fazit: Florin Piersic Jr. balanciert mit seinem Gangsterdrama „Killing Time – Zeit zu sterben“ hart an der Grenze zur Langweile. Doch das Einlassen darauf lohnt sich…