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    Tatort: Auf ewig Dein
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Tatort: Auf ewig Dein
    Von Lars-Christian Daniels

    Eingefleischte „Tatort“-Fans kennen das Dilemma: Vor allem was die Wiederholung älterer Folgen angeht, scheinen zwischen den verschiedenen Rundfunkanstalten der ARD kaum Abstimmungen stattzufinden. Nicht selten kommt es vor, dass eine „Tatort“-Folge innerhalb eines Monats gleich mehrfach auf den dritten Programmen gezeigt wird, während andere Krimis jahrelang überhaupt nicht ausgestrahlt werden. Auch was die Besetzung der Nebenrollen oder die in den Drehbüchern aufgegriffenen Themen angeht, ergeben sich oft ärgerliche Dopplungen. Dror Zahavis neuer Dortmunder „Tatort: Auf ewig Dein“ steht dafür exemplarisch: Wie zuletzt im Hannoveraner „Tatort: Wegwerfmädchen“, im Stuttgarter „Tatort: Happy Birthday, Sarah“ und vor allem im vorherigen Dortmunder „Tatort: Eine andere Welt“ gerät auch hier wieder ein hübsches Mädchen im Teenager-Alter ins Visier der Verbrecher. Doch damit nicht genug: Keine zwei Monate ist es her, dass Hauptkommissarin Kira Dorn (Nora Tschirner) im Weihnachts-„Tatort: Die fette Hoppe“ stolz ihren kugelrunden Babybauch präsentierte – und nun ist im Ruhrpott die nächste Kommissarin schwanger. Die Schwangerschaft von Nora Dalay (Aylin Tezel), die ein Kind von ihrem Kollegen Daniel Kossik (Stefan Konarske) erwartet, ist nur einer von zahlreichen Nebenkriegsschauplätzen, die den als Psychoduell angelegten Dortmund-Krimi immer wieder seiner Spannung berauben.

    Den Dortmunder Kommissaren Peter Faber (Jörg Hartmann), Martina Bönisch (Anna Schudt), Daniel Kossik (Stefan Konarske) und Nora Dalay (Aylin Tezel) bietet sich ein Bild des Schreckens: In einem Waldstück wird die Leiche der zwölfjährigen Miriam gefunden. Das Mädchen wurde brutal erdrosselt und notdürftig verscharrt. Schnell verdichten sich die Hinweise, dass es sich bei dem Mord um keine Einzeltat handelt: Die 13-jährige Lisa ist ebenfalls spurlos verschwunden, und schon bald folgen weitere Mädchen. Eine erste Spur führt die Ermittler zu Miriams Stiefvater Gunnar Stetter (Hans-Jochen Wagner), bei dem die Polizei nicht zum ersten Mal klingelt: Auf seinem Computer wurden kinderpornografische Bilder gefunden. Aber ist er auch der Mörder? Faber hegt Zweifel. Auch Stefan Passek (Martin Reik), der Vater der verschwundenen Lisa, gerät ins Visier der Dortmunder Ermittler. Die stehen diesmal besonders unter Strom: Dalay erwartet ein Kind von Kossik und Bönisch trifft auf dem Präsidium Callboy und Koksdealer Toni Kelling (Jo Weil) wieder, dem sie zuletzt den Laufpass gegeben hatte. Faber hingegen muss sich wohl oder übel mit dem Tod seiner Frau und Tochter auseinandersetzen, der in Person des unberechenbaren Markus Graf (Florian Bartholomäi) mit dem Verschwinden der jungen Mädchen verknüpft zu sein scheint…

    Ungewollte Schwangerschaft, dealender Callboy, dramatischer Unfalltod von Frau und Tochter:  Jürgen Werner, der bereits die ersten drei Drehbücher für den kontrovers diskutierten „Tatort“ aus Dortmund schrieb, setzt seinen Kurs mit auffallendem Fokus auf das Privatleben der Ermittler auch in „Auf ewig Dein“ konsequent fort. Im 898. „Tatort“  wimmelt es nur so von Nebenkriegsschauplätzen, die den Kriminalfall um das ermordete Mädchen und ihre verschwundenen Leidensgenossinnen immer wieder vom Kurs abbringen. Exemplarisch zeigt sich dies in einer kitschigen Kaffeeküchenszene, in der die rational abwägende Dalay ihrem deutlich euphorischeren Lover Kossik gesteht, dass sie das gemeinsame Kind abtreiben möchte: Als  Rechtsmediziner Jonas Zander (Thomas Arnold) mit frischen Laborergebnissen in die traute Zweisamkeit platzt und den Ermittlern damit wertvolle Erkenntnisse beim Wettlauf gegen die Zeit liefert, scheint Kossik darüber fast verärgert. Was kümmert den Kommissar schließlich ein potenzielles zweites Mordopfer, wenn es um den eigenen Nachwuchs geht? Dieser Fokus auf die Nebenkriegsschauplätze ist bisweilen ärgerlich, denn die Geschichten ließen sich problemlos kürzen, ohne dass der Geschichte dadurch Substanz verloren ginge.

    Auch Bönischs Wiedersehen mit Ex-Lover Toni bereitet Drehbuchautor Werner ausführlich auf: Die verstohlenen Blicke im Präsidium, wenn das Geheimnis aufzufliegen droht, die scharfen Worte der Kommissarin bei einem unbeobachteten Moment im Parkhaus und schließlich ein plumper Erpressungsversuch. Zumindest gipfeln die Schatten in Bönischs Vergangenheit in einer amüsanten Hotelzimmerszene, in der Faber seiner Kollegin unerwartet zur Seite springt und die Drohgebärden des Callboys auf seine ganz eigene Art im Keim erstickt. Wenn so viele Störfeuer im Plot untergebracht werden müssen, bleibt für die Mördersuche natürlich wenig Zeit: In der ersten halben Stunde rast Regisseur Dror Zahavi durch den Kriminalfall, bombardiert den Zuschauer förmlich mit neuen Namen und handelt Ermittlungsarbeit, die locker auf eine Stunde hätte gestreckt werden können, in wenigen Minuten ab. Wer hier auch nur für zwei Minuten geistig abwesend ist oder ein paar Minuten zu spät eingeschaltet hat, wird große Probleme haben, dem Geschehen im Mittelteil des Films zu folgen und das halbe Dutzend Namen nicht hoffnungslos durcheinanderzuwerfen.

    Mit fortlaufender Spielzeit offenbart sich die größte Stärke des Krimis: das packende Psychoduell zwischen Faber und Graf, der keinen Hehl daraus macht, dass er für den Tod von Fabers Familie verantwortlich ist und dem Kommissar so heimzahlt, dass der einst seinen Vater hinter Gitter brachte. Ermittler und Verdächtiger bewegen sich in den emotional aufgeladenen Wortgefechten auf Augenhöhe, weil Graf nach dem frühen Selbstmord seines inhaftierten Vaters nichts zu verlieren hat und mit den verschwundenen Mädchen stets eine Trumpfkarte in der Hinterhand hält. Für Fans des durchgeknallten Hauptkommissars sind diese Szenen eine Offenbarung: Der gewohnt verlottert auftretende Faber, der diesmal bei einer Stippvisite in einem Reinigungsbetrieb für einen schlecht gekleideten Bewerber gehalten wird („Wenn Sie’n Job suchen, lassen Sie’s, ich stelle keine Obdachlosen ein!“), wirkt angesichts der unvermeidbaren Konfrontation mit seinem Trauma so unberechenbar wie nie zuvor. Die Gratwanderung zwischen grandioser Psycho-Show und unfreiwilliger Komik ist hier bisweilen recht schmal: Vielen seiner Extratouren mangelt es an der letzten Glaubwürdigkeit, aber Fabers bissige One-Liner sitzen einfach und Jörg Hartmanns Spiel ist einmal mehr überragend.

    Fazit: Vierter „Tatort“ aus Dortmund, vier Ermittler und zum vierten Mal Mittelmaß: Der „Tatort“ aus dem Ruhrpott tritt weiterhin auf der Stelle. Für Fans von Faber & Co. ist „Auf ewig Dein“ aber auch aufgrund der Weiterentwicklung der Figuren ein Pflichttermin.

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