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    Tatort: Die Wahrheit stirbt zuerst
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Tatort: Die Wahrheit stirbt zuerst
    Von Lars-Christian Daniels

    Katja Riemann zählt seit vielen Jahren zu den erfolgreichsten deutschen Schauspielerinnen – ob auf der großen Leinwand („Der bewegte Mann“, „Die Apothekerin“) oder im Fernsehen („Die Grenze“, „Baron Münchhausen“). Da überrascht es nicht, dass die Adolf-Grimme-Preis-Trägerin, die 2010 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, auch schon zweimal in der erfolgreichsten deutschen Krimireihe, dem „Tatort“, zu sehen war. Satte 13 Jahre nach ihrem bislang letzten Auftritt in „Die kleine Zeugin“ ist Riemann nun in einem neuer Ausgabe des TV-Krimis dabei: In Miguel Alexandres „Die Wahrheit stirbt zuerst“ mimt die Blondine eine toughe BKA-Ermittlerin, die früher ihr Bett mit Hauptkommissar Andreas Keppler (Martin Wuttke) teilte und bei der Suche nach einem Mädchenmörder mit dem Leipziger Beamten aneinandergerät. Diese Reibereien sorgen für ein wenig Abwechslung in einem ansonsten einfalls- und spannungsarmen „Tatort“ aus Sachsen, in dem Regisseur und Drehbuchautor Alexandre großes Augenmerk auf seine Figuren legt und stimmungsvolle Winterbilder liefert, aber selten Spannung zu erzeugen vermag.

    Die Hauptkommissare Eva Saalfeld (Simone Thomalla) und Andreas Keppler (Martin Wuttke) werden am frühen Morgen an den Waldsee gerufen, an dem das längst geschiedene Ermittler-Ehepaar früher glückliche Stunden verbrachte. Diesmal ist der Anlass allerdings kein erfreulicher: In einem Boot wurde die siebenjährige Amelie tot aufgefunden. Deren aufgelöste Mutter Paula Albrecht (Anne Ratte-Polle) hat einen schlimmen Verdacht: Sie verdächtigt ihren Mann Peter (Pasquale Aleardi), von dem sie getrennt lebt und der die letzten Tage mit der gemeinsamen Tochter verbracht hatte, Amelie ermordet zu haben. Albrecht befürchtet, ihr Mann habe es nicht ertragen können, dass sie mit dem Kind und ihrem neuen Lebensgefährten Johannes Bittner (Bernhard Schir) einen Umzug nach Kairo geplant hatte. Kurz darauf wird Amelies Vater mit aufgeschnittenen Pulsadern ins Krankenhaus gebracht. Der Fall scheint klar – doch da meldet sich die BKA-Ermittlerin Linda Groner (Katja Riemann) bei Keppler und möchte ab sofort in die Ermittlungen eingebunden werden...

    Die Dreharbeiten zu „Die Wahrheit stirbt zuerst“ standen unter keinem guten Stern: Hauptdarsteller Martin Wuttke zog sich im Oktober 2012 bei einer Theateraufführung auf der Berliner Volksbühne einen Wadenbeinbruch zu und fiel monatelang aus. Das Bühnenstück spielte er trotz seiner schmerzhaften Verletzung mit eisernem Willen zu Ende. Der Dreh zum 877. „Tatort“ wurde allerdings unterbrochen und konnte so erst im März 2013 abgeschlossen werden konnte. Von Wuttkes zwischenzeitlicher Verletzung ist so nichts zu spüren, der Schauspieler körperlich scheinbar keineswegs gehandicapt. Und so steht auch sein Hauptkommissar Keppler mal wieder voll im Saft und gibt sich bei den Verhören gewohnt energisch. Auch seine Kollegin Eva Saalfeld strotzt nur so vor Vitalität und spendet sogar dem schwerverletzten Hauptverdächtigen Albrecht im Laderaum eines Leichenwagens spontan ein paar Liter Blut: Was sich wie eine absurde Situation anhört, die ein grotesker Gag direkt aus dem populären Münsteraner „Tatort“ sein könnte, ist hier todernst gemeint.

    Der langjährige TV-Regisseur Miguel Alexandre („Die Patin - Kein Weg zurück“), der in den Credits auch für die Kameraarbeit gelistet ist, liefert zwar eindrucks- und  stimmungsvolle Waldseebilder, das gemeinsam mit den vielfach „Tatort“- und TV-bewährten Autoren André Georgi und Harald Göckeritz verfasste Drehbuch fällt dagegen aber weit zurück. Wie schon im Leipziger Vorgänger „Schwarzer Afghane“ von Thomas Jahn ist der Auftaktmord nur der Aufhänger für ein globaler angelegtes Verbrechen, was dem Krimi nicht wirklich gut zu Gesicht steht. Die Hintergründe reichen bis nach Nordafrika, und so ist es einmal mehr nur eine Frage der Zeit, wann die Leipziger Kommissare zum ersten Mal mit einer höher gestellten deutschen Ermittlungsbehörde aneinandergeraten. BKA-Kollegin Groner, die mit irritierender Penetranz auf einer selbstgedrehten Zigarette herumkaut, will die Zügel natürlich selbst in der Hand halten und versucht vergeblich, Keppler und Saalfeld an die Kette zu legen: Szenen, wie man sie im „Tatort“ schon dutzende Male und schon deutlich besser gesehen hat. Immerhin: Die Auflösung ist zwar kaum glaubwürdiger als der Rest der Geschichte, fällt aber zumindest halbwegs überraschend aus.

    Für eingefleischte Fans des Leipziger „Tatorts“ lohnt sich das Einschalten aus einem Grund dennoch: „Die Wahrheit stirbt zuerst“ ist trotz des konstruierten Drehbuchs ein durchaus interessanter Vertreter der Krimireihe, weil sich die Figuren weiterentwickeln. Keppler wird durch Groners Anrufe von seiner Wiesbadener Vergangenheit eingeholt und schwelgt mit Saalfeld ausgiebig in Erinnerungen an glückliche Tage. Und neben den Kommissaren kommen auffallend häufig auch zwei Figuren zu Wort, die im Leipziger Krimi sonst nur die zweite oder dritte Geige spielen: Während Kriminaltechniker Wolfgang Menzel (Maxim Mehmet, „Männerherzen“), der seit jeher auf Kriegsfuß mit Keppler steht, bei der Laborarbeit über sich hinaus wächst und am Ende der Folge fast Freundschaft mit dem mürrischen Straßenbullen schließt, plaudert Pensionswirt Brunner (Tom Jahn) munter aus dem Nähkästchen und bittet Groner, die sich gezielt in Kepplers Dauer-Absteige einquartiert, zum gemeinsamen Frühstück.

    Fazit: Hübsche Verpackung, weniger überzeugender Inhalt – das Gastspiel von Leinwandgröße Katja Riemann und Miguel Alexandres tolle Winteraufnahmen können über das einfallsarme Drehbuch und die flache Spannungskurve in „Die Wahrheit stirbt zuerst“ nicht hinwegtäuschen.

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