Nachdem sie in dem Historiendrama „Die Kinder von Paris“ eine wahre Geschichte über Judendeportationen in Paris 1942 erzählte, wendet sich die französische Regisseurin und Drehbuchautorin Rose Bosch in ihrem neuesten Film einem deutlich leichteren Stoff zu: „Ein Sommer in der Provence“ ist ein tragikomisches und ruhig erzähltes Familiendrama, das die meiste Zeit auf einem idyllischen Bauernhof spielt. Dank eines überzeugenden Schauspielerensembles, angeführt von Jean Reno, gelingt Bosch ein einfühlsamer Film, der mit seinen malerischen Impressionen von der Provence und pointierten zwischenmenschlichen Reibereien vor allem Freunde des französischen Gefühlskinos ansprechen dürfte.
Die Sommerferien stehen an, doch anstatt die viele Freizeit in ihrer Heimatstadt Paris zu verbringen, sollen die 15-jährige Léa (Chloé Jouannet), ihr drei Jahre älterer Bruder Adrien (Hugo Dessioux) sowie der kleine Théo (Lukas Pelissier) die Ferien bei den Großeltern in der Provence verbringen. Die Eltern der drei Pariser stehen nämlich kurz vor der Scheidung. Während sich Großmutter Irène (Anna Galiena) über den Besuch der Enkelkinder freut, sind Adrien, Léa und Großvater Paul (Jean Reno) skeptisch. Schließlich hat der mit seiner Tochter zerstrittene Paul seine Enkelkinder noch nie gesehen. Die Enkel finden das ländliche Anwesen des Opas, das nur beschränkten Internetzugang und auch sonst wenig großstädtischen Komfort bietet, furchtbar langweilig. Das ändert sich, als der Schürzenjäger Adrien die Dorfschönheit Magali (Aure Atika) kennen lernt und Léa mit dem draufgängerischen Stierkämpfer Tiago (Tom Leeb) anbändelt. Zudem bringen die Enkelkinder immer mehr Verständnis für den störrischen Großvater auf, der bald seine weiche Seite zeigt.
Mit „Ein Sommer in der Provence“ bearbeitet Rose Bosch einen Teil ihrer eigenen Biographie: Die Regisseurin wuchs in der Provence auf und hatte wie ihre jugendlichen Protagonisten ein schwieriges Verhältnis zum eigenen Großvater. Den Generationenkonflikt, der den inhaltlichen Kern des Films markiert, breitet Bosch dabei auf verschiedenen Ebenen aus. Das zerrüttete Vater-Tochter-Verhältnis spiegelt sich im angespannten Verhältnis zu den Enkelkindern, die wiederum mit ihrem eigenen Vater hadern, der die Mutter für eine andere Frau verlassen will. Einen weiteren Kontrast zwischen den Generationen eröffnen die romantischen Einschübe des Familiendramas: Während Jean Reno („Leon – Der Profi“) und Anna Galiena („Der Mann der Friseuse“) als eingespieltes Ehepaar auftreten, das augenscheinlich schon einige Höhen und Tiefen überstanden hat, ist die erste Liebe der Enkelin von übergroßen, stürmischen Hoffnungen getragen, die sich alsbald in Luft auflösen.
Als Ursache der familiären Zwistigkeiten macht „Ein Sommer in der Provence“ die mangelhafte Kommunikation aus. So zeigt die Eröffnungsszene den taubstummen Théo zum Simon & Garfunkel-Hit „The Sound of Silence“ in einer Großaufnahme, was gleich überdeutlich auf das Thema (fehlende) Kommunikation verweist. Nicht zufällig ist es dann auch der kleine Théo, der dem Großvater unvoreingenommen begegnet und ihm bei der Gartenarbeit als erster näher kommt. Denn wo keine verbale Kommunikation stattfindet, können die Gespräche auch nicht schief laufen. Die Unterredungen mit Adrien und Léa führen hingegen besonders anfangs oft zu Streitereien, weil die Beteiligten schlichtweg nicht die richtigen Worte finden, um die Distanz zwischen den unterschiedlichen Lebenswelten zu überbrücken. Dass sich die Konflikte zum Ende hin recht schnell in Wohlgefallen auflösen und das Drama in ein hoffnungsvolles Ende mündet, passt zur positiv gestimmten Erzählweise des Films.
Diese zahlreichen emotionalen Momente finden ihr Pendant in den Bildern der sommerlichen Provence. Die von Kameramann Stéphane Le Parc („Le Mac – Doppelt knallt's besser“, „Vive la France - gesprengt wird später“) schwelgerisch gefilmte Landschaft mit den Olivenbäumen des Großvaters, dem stets präsenten Zirpen der Grillen und malerischen Sonnenuntergängen dient fast als ein weiterer Protagonist. Neben diesen Bildern sind es aber dann doch vor allem die exzellenten Schauspieler, die ihre Figuren durch die Bank glaubwürdig ausfüllen und so das oft allzu konventionelle Drehbuch vergessen lassen.
Fazit: Mit „Sommer in der Provence“ hat Rose Bosch ein eingängiges Familiendrama gedreht, das von seinem bukolischen Setting und den überzeugenden Darstellern lebt.