Mein Konto
    Unplugged: Leben Guaia Guaia
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Unplugged: Leben Guaia Guaia
    Von Katharina Granzin

    Jung, männlich, ostdeutsch, arbeitlos – so wollen wir nicht werden, dachten sich die beiden Neubrandenburger Elias und Luis, brachen nach der zehnten Klasse die Schule ab und beschlossen, nur noch das zu machen, womit sie sich ohnehin am liebsten beschäftigten: Musik. Gemeinsam zogen sie nach Frankfurt am Main, teilten sich eine Wohnung, schrieben ihre Songs und traten auf der Straße auf. Dann erschien die Wohnung irgendwann überflüssig und zu teuer dafür, dass die umtriebigen Mieter ständig unterwegs waren. Also gaben sie auch diesen letzten Anker im bürgerlichen Leben auf und entschieden sich für ein Leben auf der Straße. – Der Dokumentarfilmer Sobo Swobodnik hat die beiden erstaunlichen jungen Männer, die unter dem Bandnamen Guaia Guaia firmieren, ein Jahr lang mit der Kamera begleitet. Sein filmisches Porträt „Unplugged: Leben Guaia Guaia“ ist von der Sorte, die sich die Porträtierten sicher selbst gewünscht hätten, wenn man sie fragen würde: unaufdringlich, freundlich und, wo sich die Gelegenheit bietet, von verspielter Kreativität.

    Nach der Schule habe das Leben erst für sie angefangen, sagen Elias und Luis im Plattenbauambiente von Neubrandenburg, wo sie zur Schule gegangen sind – eine der vielen Stationen, zu denen Regisseur Swobodnik die Musiker begleitet. Tatsächlich fällt es schwer, sich die beiden auf der Schulbank oder in einem Hörsaal vorzustellen. Sie strahlen eine ungebremste, ansteckende positive Energie aus, die sich vielleicht nur deshalb uneingeschränkt entwickeln konnte, weil die beiden dem deutschen Bildungssystem rechtzeitig den Rücken gekehrt haben. Dabei zeigt das, was die Musiker so sagen, dass sie keineswegs Null-Bock-Aussteiger sind. Ihre Vorbehalte gegen die Leistungsgesellschaft sind wohlreflektiert, ihr Bedürfnis danach, ein anderes Leben zu führen, sitzt tief. Das Unterwegssein erleben sie als ständige Bereicherung, und nur selten gibt es wegen der nicht angemeldeten Straßenkonzerte Ärger mit der Polizei.

    In einer Stadt übernachten sie in einer WG, in der nächsten in einer Villa, in der dritten müssen sie mit einem Zug vorliebnehmen, der zum Glück beheizt auf einem Abstellgleis steht. Auch eine Guaia-Guaia-CD ensteht im Laufe des Films (nach Kinostart haben die Musiker, nach mehreren Independent-Produktionen, übrigens bei Universal unterschrieben), ohne dass ihnen der Erfolg zu Kopf steigen würde. Das Ding ist halt das Produkt ihrer Arbeit. Und die Musik von Luis und Elias ist wie sie selbst: entspannt, ehrlich, geradeheraus. Ein bisschen Reggae, ein bisschen Hiphop, ein bisschen was von allem. Die Texte erzählen von ihnen selbst, von einem Leben in Unabhängigkeit, vom Unterwegssein. Singen können die Jungs nicht die Bohne, das aber umso überzeugender.

    Sobo Swobodniks Filmweise ist genauso unprätentiös und authentisch wie seine Protagonisten, so dass es einerseits so wirkt, als sei die Kamera wirklich in allen Lebenslagen dabei, andererseits aber so, als sei sie überhaupt nicht vorhanden. In der Regel hält sie sich irgendwo in Augenhöhe auf und spielt unsichtbare vierte Person, wenn gerade drei herumstehen und miteinander reden. Oder sie nimmt die Perspektive eines imaginären Mitbewohners ein, der etwa von seiner Matratze aus durch die offene Balkontür das Frühstücksgespräch von Elias und Luis mithört. Selbstredend verzichtet Swobodnik auf jeden Off-Kommentar, um nicht die Illusion von Authentizität zu stören. Oft allerdings reden Elias und Luis auch nur für die Kamera – aber auch das wirkt niemals so, als würden sie ein Interview geben, sondern immer nur wie ein beiläufiges Gespräch unter Freunden. Das einzige Manko, mit dem man so viel echtes Leben im Film wohl bezahlen muss, liegt im Ton. Man merkt es vor allem, wenn man den Film auf DVD sieht. Gefilmte Gespräche, die nicht direkt mit der Kamera geführt werden – die möglicherweise auch als einziges Tonaufnahmegerät herhalten musste –, sind oft nur schwer zu verstehen. Zudem ist die Lautstärke zwischen Originalton und Musikaufnahmen schlecht ausbalanciert, so dass man die Fernbedienung die ganze Zeit über nicht aus der Hand legen mag.

    Fazit: „Unplugged: Leben Guaia Guaia“ ist ein authentisch gefilmter, unprätentiöser Gute-Laune-Dokumentarfilm über zwei junge Straßenmusiker ohne festen Wohnsitz, die unter dem Bandnamen Guaia Guaia durch Deutschland reisen und nicht nur mit ihrer Musik, sondern auch mit ihrem alternativen Lebensmodell schon viele Fans gewonnen haben.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top