Geschmeidiger geht's nicht
Von Christoph PetersenAls Michael Jackson 1987 von einem „Smooth Criminal“ gesungen hat, muss er dabei bereits den 31 Jahre später von Robert Redford verkörperten Protagonisten aus dem Bankräuber-Biopic „Ein Gauner und Gentleman“ im Kopf gehabt haben. „Smooth“ lässt sich mit „glatt“, „geschmeidig“, „leichtgängig“, „geschliffen“ oder auch „cool“ übersetzen. Aber keiner dieser Begriffe kommt auch nur ansatzweise an die „Smoothness“ heran, die der inzwischen 82-jährige Oscarpreisträger als Gentleman-Räuber in seiner nach jetzigem Stand letzten Schauspielrolle an den Tag legt. Wenn sein Forrest Tucker eine Bank überfällt, dann können sich die Ausgeraubten hinterher nicht daran erinnern, ob er eine Waffe dabeihatte oder nicht. Stattdessen erzählen sie lieber davon, wie höflich und zuvorkommend er doch war. Es ist ein klassischer, entwaffnender, unwiderstehlicher Charme, den Redford hier mit einer unerhörten Leichtigkeit auf die Leinwand schmeißt und der den ganzen Film notfalls auch allein tragen würde. Aber zum Glück muss er das gar nicht, weil neben dem grandiosen Hauptdarsteller auch Regisseur David Lowery und seine Co-Stars Casey Affleck und Sissy Spacek großartige Leistungen abliefern.
„Eine beinahe wahre Geschichte“: Forrest Tucker (Robert Redford) hat den größten Teil seines Lebens hinter Gittern gesessen. Und dass er nicht noch mehr Zeit im Gefängnis verbracht hat, liegt allein daran, dass er nicht nur einer der besten Bankräuber, sondern auch einer der erfolgreichsten Ausbrecherkönige des Landes ist. Einmal ist er sogar aus dem berüchtigten Knast von Alcatraz entkommen. Im Jahr 1981 zieht er mit seinen Komplizen Teddy (Danny Glover) und Waller (Tom Waits) umher und raubt eine Bank nach der anderen aus. Zudem bändelt er mit der Farmbesitzerin Jewel (Sissy Spacek) an, die er auf der Flucht nach einem Überfall am Straßenrand kennenlernt, wo sie mit ihrem Truck liegengeblieben ist. Alles läuft super, bis John Hunt (Casey Affleck) als erster Cop dahinterkommt, dass all die Dutzenden Bankraube in verschiedenen Staaten in Wahrheit von ein und derselben Bande begangen worden sind. Mit diesem Wissen kommt er Tucker und seinem Team immer näher...
„Ein Gauner und Gentleman” beginnt mit einem der lässigsten Banküberfälle der Kinogeschichte. Und damit meinen wir nicht diese angesagte Filmcoolness von Hipster-Helden, die soweit über den Dingen stehen, dass man als Zuschauer kaum noch weiß, warum man sich überhaupt noch für das Geschehen interessieren sollte, wo es doch der Protagonist selbst auch nicht tut. Im Fall von Forrest Tucker kommt diese unfassbare Lässigkeit vielmehr daher, dass er sich nur dann so richtig pudelwohl fühlt, wenn er gerade eine Bank überfällt – und diese ehrlich empfundene Freude an „der Arbeit“ überträgt sich auch auf das Publikum (und seine Opfer). Dieser Very-Old-School-Charme passt auch perfekt zur Arbeit von „A Ghost Story“-Mastermind David Lowery: Die Körnung und die Auswahl der Bildausschnitte sehen hier nie so aus, als würde ein moderner Regisseur einen auf Retro machen. Stattdessen würde „Ein Gauner und Gentleman“ glatt als Film aus dem Jahr 1981 durchgehen, wenn das Alter der Schauspieler ihn nicht verraten würde. Ein sich wunderbar ergänzendes Doppel aus Protagonisten und Inszenierung.
Der reale Forrest Tucker, der schon im zarten Alter von 15 das erste Mal eingewandert ist, hat 18 erfolgreiche und zwölf nicht erfolgreiche Gefängnisausbrüche unternommen. Aber statt einer braven Biopic-Struktur zu folgen, entpuppt sich „Ein Gauner und Gentleman“ als jazziger Schwanengesang nicht nur auf die Bankräuber-Legende, sondern zugleich auch auf die Kino-Legende Robert Redford. Wobei die Grenze zwischen dargestellter Figur und der eigenen ikonischen Leinwand-Persona immer mehr verschwimmt. Nicht von ungefähr würde der Originaltitel „The Old Man And The Gun“ auch perfekt zu einer (Auto-)Biographie des „Zwei Banditen“-Stars passen. Nur ganz am Ende verpasst Lowery den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören. Nach einigen potentiell starken letzten Szenen übertreibt er es ein wenig mit dem Understatement und lässt seinen Film etwas uninspiriert austrudeln. Ein Fehler, den Redford definitiv nicht gemacht hat, wenn er seine Ankündigung tatsächlich wahrmacht und nach „Ein Gauner und Gentleman“ nicht mehr als Schauspieler zurückkehrt. Ein starker Abgang.
Für diesen muss man ihm mit „Lethal Weapon“-Fast-Rentner Danny Glover und Beatnik-Legende Tom Waits („Down By Law“) schon zwei der coolsten Säcke der 80er Jahre zur Seite stellen, damit seine Komplizen neben Redfords Tucker nicht völlig verblassen. Aber die spannendste Beziehung des Films besteht dennoch zwischen Tucker und Hunt: Der eine fühlt sich nur lebendig, wenn er Banken überfällt, der andere nur, wenn er Bankräuber jagt (das Schnappen ist ihm weniger wichtig). Es gibt im Film nur eine gemeinsame Szene von Redford und Affleck in einem Diner-Klo. Aber die ist dafür auch ähnlich genial, wenn auch eine ganze Ecke verschmitzter wie das legendäre Café-Aufeinandertreffen von Al Pacino und Robert De Niro in „Heat“.
Fazit: Ein Film so geschmeidig wie ein verdammt guter Whiskey – eine ebenso passende wie würdige Abschiedsvorstellung für Leinwandlegende Robert Redford.