„Wir haben keine Chance, also nutzen wir sie.“ Diesem Motto folgen nicht nur die vier Hauptfiguren in „HARTs 5“, einer melancholischen Gauner-Komödie über den quichotischen Kampf gegen Gentrifizierung im Prenzlauer Berg, es könnte auch die Grundhaltung von Julian Tyrasa sein: Als Autor, Regisseur, Produzent, Komponist und Cutter in Personalunion agiert Tyrasa bei seinem Debütfilm, den er komplett außerhalb der deutschen Förderstrukturen für die kaum zu glaubende Summe von 5.000 Euro gedreht hat. Diese beschränkten Mittel merkt man seinem Film zwar bisweilen an, vor allem spürt man jedoch das Engagement, das Tyrasa und seine Mitstreiter an den Tag legten, um einen kleinen, feinen, teilweise sehr pointierten Film über die sozialen Realitäten unserer Zeit zu drehen.
Die „Räuberbande“ steht vor dem Aus: Die Kita in einem Plattenbau im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg ist dem Immobilenspekulant Siebold (Oliver Stadl) ein Dorn im Auge. Um sein Neubauprojekt zu realisieren sind Siebold alle Mittel recht, doch er hat die Rechnung ohne Kurt (Dirk Dreissen) und Co. gemacht. In der Kneipe von Hart (Fabian Böckhoff), einem verhinderten Musikproduzent und Internetshop-Betreiber, treffen sich die verlorenen Seelen des Kiez zum Feierabendbier: Kurt, der mal Schauspieler werden wollte und nun Taxi fährt, Frank (Frank Dukowski), der einst promovieren wollte und bei jeder Gelegenheit ein meist lateinisches Zitat zur Verfügung hat, und Josef (Uli Engelmann), der gerne Tango tanzt, sich an im Park wachsendem Salat erfreuen kann und am besten mit der prekären Lebenssituation umzugehen weiß. Zu viert fassen die Hartzer den Plan, Siebold den Plan zu vermasseln. Doch das ist leichter gesagt als getan und führt schließlich sogar zur kurzzeitigen Entführung von Siebolds Sohn Amadeus (Victor Neumeister), der ebenso von seinem aalglatten Vater genervt ist wie seine Mutter Katharina (Karoline Hugler). Mit der hat inzwischen Josef angebändelt, was die Lage zusätzlich kompliziert.
Hehre Ziele hatten sie alle, doch nun leben sie von Harts IV und bessern ihr karges Einkommen mit allerlei Nebenjobs auf. Solche „Helden“ könnten leicht zu deprimierenden Figuren geraten, doch von Anfang schlägt Julian Tyrasa einen Ton an, der genau richtig ist. Irgendwo zwischen Melancholie und Optimismus bewegen sich die vier Hartzer, irgendwo zwischen Versacken am Tresen und Momenten der Euphorie. Pläne sind schnell gefasst, Ideen haben sie alle, doch an der Umsetzung krankt es. Wie es Tyrasa dabei gelingt, nicht in Klamauk zu verfallen, seine Figuren zwar immer wieder an ihrer Amateurhaftigkeit scheitern zu lassen, ihnen aber dennoch stets die Würde zu lassen, ist eine der größten Qualitäten seines Films.
Dass man immer wieder merkt, mit wie wenig Geld hier gedreht wurde, dass offensichtlich in Wohnungen von Beteiligten gefilmt wurde, etliche der Darsteller auch eher Laien sind, stört nur wenig. „HARTs 5“ kann und soll kein glattes Kino sein, aber genau diese Do-it-yourself-Mentalität, mit der die Produktion offenbar vonstatten ging, passt ideal zu der Geschichte die erzählt wird, zu den Figuren, die gezeigt werden. Die kämpfen gegen die Folgen des kapitalistischen Systems und die zunehmende Gentrifizierung, wohlwissend, dass sie am Ende nicht gewinnen können. Tyrasa ist klug genug seiner Geschichte kein konstruiertes Happy End aufzuzwingen, doch selbst der kleine Erfolg, denn sich seine Hartzer am Ende erkämpfen, zeigt, dass es sich immer lohnt, für seine Ideale zu kämpfen – Denn wer es nicht versucht, der hat ohnehin schon verloren.
Fazit: Mit geringsten Mitteln gelingt Julian Tyrasa in seinem Debütfilm „HARTs 5“ eine schöne, melancholische Komödie über den Umgang mit prekären Lebenssituationen. Ein engagierter Film, der von seinem Witz und Charme lebt und nicht zuletzt von etwas, das für Geld nicht zu kaufen ist: Haltung.