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    The Berlin File
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Berlin File
    Von Robert Cherkowski

    In den James-Bond-Filmen wird die Arbeit von Geheimdiensten als glamouröses Heldenabenteuer beschrieben, bei dem der meist auf sich alleine gestellte Frontkämpfer rund um die Welt jettet und diese schlussendlich im Kampf gegen den klar definierten Bösewicht rettet. Das wahre Agentenleben ist davon wohl ein ganzes Stück entfernt. Gezielt gestreute Falschinformationen, Verrat und Hinterlist spielen hier auch eine große Rolle, doch der einfache Agent ist nur ein Rad im bürokratischen System, bleibt austauschbar und anonym. Vor allem ist aber auch in der unübersichtlichen Welt der Geheimdienste die Grenze zwischen Gut und Böse anders als bei 007 fließend, so dass es nicht immer leicht fällt, Freund und Feind zu unterscheiden. In diese Kerbe schlägt Ryoo Seung-wans actionreiche Spionage-Hatz „The Berlin File“, wo der Konflikt zwischen Nord- und Südkorea auch in der ehemals geteilten deutschen Hauptstadt ausgetragen wird. Egal ob man sich auf derbe südkoreanische Action, trockene Agentenspannung oder schlicht auf Berlin-Sightseeing gefasst macht: Bei „The Berlin File“ kommt man auf seine Kosten.

    Seit einigen Jahren lebt der nordkoreanische Agent Pyo (Ha Jung-woo), genannt „der Geist“, unerkannt in der deutschen Hauptstadt Berlin, wo er bei einer südkoreanischen Rüstungsfirma spioniert. Als ein großer Waffen-Deal platzt, werden Agenten diverser Geheimdienste hellhörig, so dass die bislang eher leise geführte Auseinandersetzung eskaliert. Sowohl der südkoreanische Geheimdienst als auch der israelische Mossad heften sich an die Fersen des gewieften „Geists“. Als dann auch noch der nordkoreanische Superagent Dong Myung-soo (Ryoo Seung-bum) in Berlin ankommt, um Pyo zu liquidieren und so eine folgenschwere Gefangennahme zu verhindern, scheint es für diesen kein Entkommen mehr zu geben. Doch Pyo trägt seinen Spitznamen nicht umsonst…

    Schon mit seinem Frühwerk „Die Bad“ bewies Regisseur Ryoo Seung-wan sein Faible und Talent für adrenalinreiches Actionkino. Seitdem setzt er als Mann fürs Grobe immer wieder Akzente und ist längst eine feste Größe des südkoreanischen Kinos. Mit Werken wie „No Blood No Tears“ oder „City of Violence“ etablierte Ryoo Seung-wan sich als Marke für kurioses, erzählerisch bisweilen auch mal etwas holpriges, aber immerzu unterhaltsames Genrekino. Mit dem 2011 auch auf der Berlinale gezeigten Cop-Thriller „The Unjust" vergaloppierte sich Ryoo allerdings. Die Dialoglastigkeit stand der Action-Unterhaltung ebenso im Weg wie der sperrig inszenierte stetige Wechsel zwischen drei Hauptfiguren. Auch sein neues Werk „The Berlin File“ ist bisweilen überkompliziert erzählt, dieses Mal liegt der Fokus aber stärker auf dem, was der Regisseur am besten kann: der Action! Wenn die Geheimdienstkabale schlussendlich eskaliert und die Helden die Waffen sprechen lassen, blüht Ryoo auf und ist voll in seinem Element.

    Ryoo gelingt es seinen grob, aber zweckdienlich gezeichneten Antihelden ein Maximum an Strapazen zuzumuten, ohne dabei die Bodenhaftung zu verlieren. Die Gesetze der Schwerkraft werden zwar oft großzügig ausgelegt, doch trotz allem Exzess bleibt stets ein Gefühl für die den Figuren drohende Gefahr bestehen. Besonders Hauptdarsteller Ha Jung-woo („The Chaser“, „The Yellow Sea“) weiß zu überzeugen, so dass man am Schicksal seiner Figur interessiert bleibt, auch wenn diese auf dem Papier zu den „Bösen“ gehört. Er federt so ab, dass die alte Leier von der roten Gefahr aus dem Norden nicht gerade elegant verpackt wird. Das mag zum einen daran liegen, dass Autor/Regisseur Ryoo Seung-wan sich einfach nicht um Eleganz schert, zum anderen aber auch daran, dass die Wunden der Teilung und der akuten Bedrohung in Korea noch akut spürbar sind: „The Berlin File“ wirkt so auch wie ein Film aus der Zeit des Kalten Krieges. Da passt es wie die Faust aufs Auge, dass der Spionagekrieg in der lange geteilten deutschen Hauptstadt stattfindet. Wie schon zuletzt seine Kollegen Jaume Collet-Serra im Liam-Neeson-Klopper „Unknown Identity“ oder Farhan Akhtar beim Shah-Rukh-Khan-Vehikel „Don 2“ setzt Ryoo seinen deutschen Schauplatz ganz im Sinne von „arm aber sexy“ in Szene. Zwischen Kreuzberger Kiez und Hackeschen Markt inszeniert er Berlin als stimmungsvolle Kulisse zwischen Hochglanz und hartem Pflaster und dringt dabei auch in die düstersten Ecken der Stadt vor.

    Fazit: Trotz einiger Längen ist „The Berlin File“ ein düsterer, harter Agentenpoker, der in seinen besten Momenten an Kalte-Kriegs-Klassiker wie „Das vierte Protokoll“ oder „Finale in Berlin“ erinnert.

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