Mein Konto
    Rot und Blau
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Rot und Blau
    Von Gregor Torinus

    Die Schule ist einer der Orte, die jeder Kinogänger kennt. Dort findet für uns alle ein prägender Lebensabschnitt statt, die Träume und Unsicherheiten, die Leiden und Freuden der Schulzeit begleiten uns oft noch lange, nachdem wir ins Erwachsenenleben entlassen wurden. Auch das Kino befeuert die Erinnerungen regelmäßig – sei es mit gefühlvollen Klassikern wie „Breakfast Club“ und „Der Club der toten Dichter“ oder mit Komödien wie „Die Feuerzangenbowle“ und „Fack ju Göhte“. Ähnlich wie bei feuchtfröhlichen Klassentreffen, auf denen Jahre nach der gemeinsamen Zeit vieles in versöhnlichem Licht erscheint, wird auch in Schulfilmen meist ein verklärender oder überhöhender Blick in Klassenzimmer und Pausenhöfe geworfen. Ganz frei davon sind auch jene Werke oft nicht, in denen ausdrücklich ein realistisches Bild der Zustände gezeichnet werden soll. Das gilt für den französischen Goldene-Palme-Gewinner „Die Klasse“ ebenso wie nun für Giuseppe Piccionis sympathisches Drama „Rot und Blau“. Mit seiner Verfilmung eines Romans von Marco Lodoli (der selber unterrichtet) zeigt uns der italienische Regisseur auf lebensnahe Weise, dass auch die Lehrer von den Schülern lernen.

    In „Rot und Blau“ kommt der junge idealistische Italienischlehrer Giovanni Precioso (Riccardo Scamarcio) an eine römische Oberschule voller desinteressierter Schüler und demotivierter Lehrer. Schnell macht die verknöcherte Schulleiterin Giuliana (Margherita Buy) Giovanni deutlich, dass er zwischen „innen und außen“ zu unterscheiden habe. Dies bedeutet, dass in der Schule selbst eine strikte Ordnung und strenge Regeln durchgesetzt werden, während das Schicksal der Schüler außerhalb ihres Verantwortungsbereichs der Direktorin relativ gleichgültig ist. Während Giuliana ihrem Zynismus noch ein pragmatisches Mäntelchen umhängt, stellt der alte Kunstgeschichtslehrer Herr Fiorito (Roberto Herlitzka) seine verächtliche Resignation offen zur Schau. Als die Chefin ihn ermahnt, weil Schüler sich darüber beschwert haben, dass er in der Klasse raucht, antwortet der suizidgefährdete Fiorito, dass er es sei, der bei diesen dummen Schülern Grund zur Beschwerde habe. Auch ansonsten sind dem einsiedlerischen Intellektuellen die meisten Menschen ein einziger Graus. Nur einmal im Monat pflegt er den „interkulturellen Austausch“, wenn er sich in seiner düsteren Wohnung von exotischen Prostituierten verwöhnen lässt.

    Alle diese Protagonisten erhalten in „Rot und Blau“ (das sind die Farben der Korrekturstifte der Lehrer in Italien) von einzelnen Schülern wichtige Impulse zu ihrer persönlichen Weiterentwicklung und dabei geht Regisseur Giuseppe Piccioni („Nicht von dieser Welt“) keineswegs so rein schematisch vor, wie die geradezu archetypisch angelegten Figuren nahelegen. Die sanften Einsichten und Wandlungen sind zwar auch hier nicht überraschend, aber sie kommen immer ein wenig anders zustande als man es erwarten würde. Das feine Gleichgewicht zwischen einem unaufdringlichen Realismus und einzelnen markanten Überraschungsmomenten wird den ganzen Film hindurch gehalten, auch der Humor kommt nicht zu kurz. Und so bleibt mit Hilfe der engagierten Darsteller auch die optimistisch-humanistische Botschaft von „Rot und Blau“ glaubhaft und weitgehend frei von Kitsch und Pathos.  

    Fazit: Ein berührender, charmanter und komischer kleiner Film über Lehrer und ihre Schüler.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top