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    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
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    Von Björn Becher

    Im Jahr 2000 machte sich Christopher Nolan mit seinem Film Memento international einen Namen. Es folge mit Insomnia - Schlaflos das Remake eines norwegischen Erfolgsfilms und mit der Batman-Neuauflage Batman Begins der endgültige Aufstieg in die erste Garde der Hollywood-Regisseure. Doch nicht „Memento“ war, wie oft fälschlich angenommen, der Auslöser dieser steilen Karriere. Den eigentlichen Anschub gab es viel mehr schon zwei Jahre zuvor. 1998 drehte Nolan mit dem Noir-Thriller „Following“ einen Film, der zwar beim Publikum kaum Beachtung fand, aber auf Filmfestivals für Aufsehen sorgte und mit vielen Preisen bedacht wurde. Nur dank „Following“ bekam Nolan, der 1999 beim Hongkong Film Festival sogar vor dem Publikum um Geld für seinen Folgefilm bat, die Finanzierung für „Memento“ zusammen.

    Wie in „Memento“ bekommt der Zuschauer auch in „Following“ ein nur schwer zu durchschauendes Storykonstrukt geboten, was vor allem dem zeitlich ungeordneten Geschehensablauf geschuldet ist. Zu Beginn sind zwei Hände in Plastikhandschuhen zu sehen, die in den Sachen anderer Leute herumwühlen. Dann taucht ein Mann (Jeremy Theobald) auf, der auf der Straße (scheinbar wahllos) Leute verfolgt. Langsam dringt ein Gespräch durch. Zwei Männer unterhalten sich, der eine ist der Verfolger, der andere deutlich älter (John Nolan), sitzt hinter einem Schreibtisch und stellt Fragen. Ist der Fragende ein Polizist, der Verfolger ein Verbrecher? Das Publikum bleibt (noch) im Dunkeln.

    Der jüngere Mann, der sich später Bill und noch später auch mal Danny nennen wird, erzählt von einem nicht alltäglichen Spiel. Er verfolgt einfach Leute. Zunächst tat er dies mit klaren Regeln: Keine Person wird mehr als einmal verfolgt, keine Person wird zu lange verfolgt, keine Frau wird in dunkle Ecken gedrängt. Zuerst wurden die Leute komplett zufällig ausgewählt. Doch dann wurde dieser Punkt geändert: „And when it’s stopped being random, that’s when it started to go wrong!”

    Mehrmals hat Bill denselben Mann verfolgt, der ihm interessant schien. Dieser hat immer eine Sporttasche bei sich und bemerkt seinen Verfolger eines Tages. Der Mann, der sich als Cobb (Alex Haw) zu erkennen gibt, stellt Bill zur Rede. Als er von Bills „Obsession“ erfährt, weiht Cobb ihn in seine eigene Besessenheit ein. Cobb bricht bei Leuten ein, doch er stiehlt nicht viel. Er nimmt zwar einiges, das nicht von großem Wert ist, mit, doch geht es ihm vielmehr darum, herauszufinden, was für Leute in den Wohnungen leben. Er durchwühlt die privaten Sachen, macht deutlich, dass er dort war und sorgt auch mal dafür, dass die Beziehungen der Bewohner der von Cobb aufgesuchten Wohnungen auf eine harte Probe gestellt werden. Bill ist fasziniert von Cobbs Treiben und begleitet ihn fortan auf seinen Streifzügen und Einbrüchen. Parallel dazu flirtet Bill mit einer Blondine (Lucy Russell), der gegenüber er sich als Danny vorstellt…

    Nach und nach kristallisieren sich für den Zuschauer drei Zeitebenen heraus. Einmal sieht man einen unrasierten, schlecht gekleideten Bill mit längeren Haaren, der Cobb auf immer mehr Einbruchstouren begleitet. Die zweite Ebene zeigt einen deutlich gepflegteren Bill. Der Bart ist ab, die Haare sind geschnitten, er trägt einen Anzug und flirtet mit der Blondine, die, wie man erst nur vermutet, das Opfer eines der Einbrüche war. Im dritten Handlungsstrang trägt Bill zwar auch Anzug, ist rasiert und hat kurze Haare, doch er sieht nicht mehr so gut aus. Er weist deutlich sichtbare Spuren einer Schlägerei auf und plant offenbar einen besonderen Einbruch - einen ohne die Hilfe von Cobb, dafür aber mit Bewaffnung.

    Nur langsam erschließt sich dem Zuschauer die Verbindung zwischen den drei Ebenen, doch komplett erfassen wird man sie erst in den letzten Minuten des Films. Nolan beweist schon hier eindrucksvoll sein Talent für ausgeklügelte Handlungskonstruktionen, welches später bei „Memento“ und The Prestige noch mehrmals zum Tragen kam. Der Zuschauer wird von der spannenden Atmosphäre gefesselt, von der Story in die Irre geführt, am Ende überrascht und das alles mit einem stimmigen Gesamtkonzept, das seine Versprechen einhält. „Following“ ist auch deswegen so gelungen, weil er für seine doch recht geringe Laufzeit von knapp 80 Minuten ungemein komplex ist und zudem den Zuschauer zum Mitdenken auffordert.

    Die Atmosphäre trägt in erster Linie der kühle Noir-Look. Alles ist in kaltem Schwarz-Weiß gehalten, was sicher auch aus Kostengründen geschah (das Budget betrug nur etwa 6.000 Dollar), dem Film aber trotzdem zum Vorteil gereicht und ihm eine eigentümliche Note verleiht. Obwohl Nolan nur Familienangehörige, Freunde und Bekannte besetzte, wartet „Following“ mit guten Schauspielerleistungen auf. Vor allem Theobald weiß in der Hauptrolle zu gefallen und schafft es, die Sympathien der Zuschauer zu gewinnen, was für die Wirkung des Films unabdingbar ist. Von der Darstellerriege hat es übrigens nur Lucy Russell, die die mysteriöse Blondine spielt, zu einer weiterführenden Schauspielkarriere gebracht. Sie spielte 2001 eine vielbeachtete Hauptrolle in dem französischen Film „Der Herzog und die Lady“ und war unter anderem auch in Tristan und Isolde sowie Die Gebrüder Weihnachtsmann zu sehen.

    Fazit: Nolan ist ein wunderbares Low-Budget-Spielfilmdebüt gelungen. Man sollte sich vorab möglichst wenig über Nuancen der Handlung informieren. Je weniger man weiß, desto größer ist die Herausforderung, sich in dem verschrobenen Noir-Universum des Films zurechtzufinden, was den ganz eigenen experimentellen Charme der Produktion ausmacht. Nolan bezieht den Zuschauer ständig mit ein, fordert ihn, sorgt dafür, dass er sich Gedanken macht. So ist zwar durchweg eine hohe Aufmerksamkeit vonnöten, für einen bierreichen Videoabend ist „Following“ also absolut ungeeignet, doch bekommt man für seine Anstrengungen auch eine mehr als angemessene Gegenleistung: eine ambitioniert-vertrackte Story und Spannung pur.

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