Äh....wie soll ich jetzt anfangen. Da habe ich mich bei "Batman vs. Superman" noch aufgrund einer auffällig einspielgenerierenden Spielzeit von 153 Minuten aufgeregt. Und da legt Marvel mit immerhin 147 Minuten eine ebenso nicht minder wichtige und nicht minder lange Comicadaption in die Lichtspielhäuser nach. 3D fast vergessen. Das wäre alles unumwunden scheiße, klare Sache, hätte "The First Avenger: Civil War" nicht tatsächlich einiges zu erzählen.
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"Civil War" ist großangelgt, tatsächlich wie es Aufmachung und PR suggerieren. Und die Drehbuchautoren McFeely und Markus bleiben, wie sie selber sagen, die "Cap – Guys", ihren Fokus auf Rogers behalten sie bei, während Gefahrenpotentiale und wegweisende Entscheidungen auf ihn einprasseln. Das dritte "Captain America" – Abenteuer kommt als die bondmäßigste Comicadaption daher, formal schon bombastisch mit seinen Ortswechseln, die namentlich ein wenig "Quantum Trost"-like eingespielt werden, ist dieser Schritt thematisch aber sogar logisch. Aprospos Quantum: Auch bei der Experimentierfreude der Actionsequenzen probieren die Regiebrüder Russo Neues aus, indem sie mit erhöhter Frequenz, aber trotzdem sauberen Schnitt arbeiten. Das verstärkt gerade die spionageartige Eröffnungsequenz in Lagos in ihrem Adrenalingehalt.
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Und letztlich macht das auch immer noch Spaß wie am ersten Tag. Die Russos wissen seit "Winter Soldier" die physische Präsenz und (Schild)Fähigkeiten des Caps in Szene zu setzen. Und ziehen dabei ebenso, dank überwältigendem Cast, immer wieder einen neuen Avenger aus dem Hut. So macht auch wiedereinmal Cap's Sidekick Falcon mit wirkungsvollen Gimmicks und artistischen Flugeinlagen eine Menge richtig, zumal ihm die zwar klischeehafte "Schwarzer Kumpel mit Witz" Rolle trotz Kalkül erstklassig sitzt. Auch das Zusammenspiel mit der zentrierteren Wanda Maximoff (Elizabeth Olsen) funktioniert, die mehr Raum zur Entfaltung bekommt und im Angesicht ihrer Kräfte zu straucheln scheint. Zudem gibt sie Metawesen Vision einen dringend benötigten Bezugspunkt, dessen Beziehung zu Romanov von Beschützerinstinkt bis irritierender Romantik pendelt.
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Es ist einfach guter Vorarbeit geschuldet, dass Marvel in jeder Szene noch einen Trumpf herausholen kann, der direkt funktioniert. Stichwort Robert Downey Jr.'s Tony Stark, der hier als Ironman deutlich kürzer tritt, da er als sarkastischer Millardär meistens sogar noch besser funktioniert. Diesmal steigt und fällt das Projekt und der zentrale Konflikt von "Civil War" mit seinem Auftreten als in sich gekehrter, fast reuevoller Mann. Auch hier nutzen die Autoren McFeely und Markus zwar die Vorarbeit ihrer Kollegen aus anderen Filme als Querverweise, streuen aber mit den wohl intimsten Momenten aus Stark's Seelenleben eine große Portion Emotionalität mit ins Geschehen. Und "zwingen" Downey Jr. zu seiner wohl besten schauspielerischen Leistung im MCU.
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Hier entsteht im Laufe des Films eine deutliche Reibungsfläche mit dem oft so glatt wirkenden Steve Rogers und seinen Werten von Selbstjustiz, Mut und Tapferkeit aber auch Freundschaft und Loyalität, die im geregelten System des 21 Jhr. tatsächlich überholt wirken. "Manchmal würde ich dir gerne deine perfekten Zähne einschlagen", erklärt Stark bereits im Trailer und teasert damit quasi an, dass sie an einen Konflikt geraten sind, den sie nicht so einfach beiseite legen können. Die staatliche Kontrolle durch ein Gremium der UN, unterzeichnet von 127 Staaten, soll die Avengers regulieren und es ist tatsächlich ein Gedanke mehrdimensionaler Gründe, Weltansichten sowie Erfahrungen bei sowohl Rogers (militärische Vergangenheit) als auch Stark (fehlerbehaftete wissenschaftliche Vergangenheit), die hier zwei Freunde zu Feinden werden lässt.
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Es ist damit auch einfach zweckmäßig und interessant, dass Bucky "Winter Soldier" Barnes nicht der Auslöser sondern der Tropfen ist, der das Glas zum Überlaufen bringt. Er zwingt Rogers endgültig Partei zu ergreifen und genau an dieser persönlichen Schiene zwischen Freundschaft und Irrationalität wird "Civil War" für den Zuschauer nochmal besonders greifbar. Und es ruft einen neuen Helden auf den Plan. Chadwick Boseman alias T'Challa alias Black Panther. Sein dramtischer Figureneinstieg ist wohl überlegt als indirektes Mitgleid des Avengers – Regulierungskomitee, seine Absichten unterscheiden sich jedoch und das verleiht ihm in einem Film, der ihm eigentlich nicht gehört, unerwartet Eigenständigkeit. Ihm obliegt es auch in einer entscheidenen Situation am Ende Größe zu zeigen. In einem Comic – Blockbuster ist das schon ein kleiner Gänsehaut – Moment, wenn er sich aus Stolz und Einsicht verbietet, von seiner Rache aufgefressen zu werden.
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Der heimliche Star des Films, abgesehen vom überwältigenden Flughafen-Showdown ist allerdings eine andere.
Scarlett Johanssons Romanov. Von der man sich immer glücklich schätzen kann, wenn man auf sie als Schauspielerin und Action-Actrice zurückgreifen kann, in "Civil War" aber mehr denn je als moralisches Pendel fungiert, an dessen Überlegungen und Handlungsweisen sich auch die des Zuschauers knüpfen. Das ist bedeutende Hintergrundarbeit im Angesicht seiner beiden Hauptaufhänger Rogers und Stark, aber sie ist auf der "guten" Seite ebenso immanent wichtig wie sie "uns Daniel" auf der "bösen" Seite betreibt. Brühl ist in "Civil War" tatsächlich weit weg von einem überdrehten Bösewicht, sondern arbeitet als Schatten mit überraschenden Motiven. Genau richtig portioniert in seinem Auftreten, seinem Wesen, seinem Wirken und auch wenn er den Comicfans wohl kaum in Erinnerung bleiben wird, ist das surrealerweise sowas wie ein Kompliment für seine Darstellung.
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Kommen wir zu den Actionsequenzen, die einfach nicht herausfallen können. Die Russos behalten ihr Gespür für die richtigen Action-Setpieces, zumal es diesmal ganz im Sinne eines global wirkenden "Unternehmens" rund um die Welt geht. Undurchsichiges Eingreifen in Wakanda mit Tempo- und Frequenzwechsel. Unscheinbar wirkende Orte, fast "Bourne"mäßig, wie Treppengeländer und öffentliche Straßen. Die Russos behalten ein wenig ihren 70/80er "Heat" – Flair, bauen ihn diesmal aber dank dem katzenartigen/soundunterstützten Black Panther sogar hier und da noch aus. Und schließlich DER Aufenöffner überhaupt, ein gesammelter Kampf von Helden auf dem Leipziger Flughafen, der zwar figurenmotivisch dann nicht mehr ganz so sauber aufgelöst ist wie zuvor, aber verdammt nochmal, es ist nichts was den Gedanken und die Zielstrebigkeit des Film zerstört und es macht einfach verdammt viel Spaß beim Zusehen, denn es ist die das herbeigesehnte Comic relief at it's best. (Hier mal ganz ohne vorweg genommene Spoiler aufgrund des Unterhaltungsfaktors). Mit seinem eher intimen Showdown macht das Sammelsurium an staunenden Aufnahmen, kreativen Einfällen und Fähigkeiten sowie einiges an Referenzlastigkeit vergangener Jahre, "Civil War" zu einem Ulitmo im Bereich des Actionkinos.
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Das glückt auch konsensmäßig sehr gut wegen der Anbindung an das MCU, an das sich der Zuschauer einfach mehr und mehr gewöhnt und mit dem witzig/kindisch auftretenden Sympathiebolzen "Spiderman" ohnehin des deutschen liebstes Comickind aus der Versenkung holt. Im MCU ist Comic längst Kino geworden, das sich selbst zitieren kann. Wenn Falcon sagt, er kenne da einen oder die neue Tante May erklärt, uns (Tanten) gebe es in allen möglichen Formen, dann ist das beste und bereits selbstverständlich gewordene Zuschauer – Inklusion. Und da ist dann doch mein unvermeidbarer DC – Seitenhieb. Der Unterschied bleibt langfristig erhalten, wenn man seinen Zuschauern keinen Aufbau serviert und ihnen stattdessen ein Omega in den Wüstensand sprayt. Marvel kann jetzt durch seine Expositionen aus dem vollen Universen-Topf schöpfen und die Gunst der Zuschauer ernten.
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Fazit: In 147 Minuten packen die Russos einen wirkungsvollen Thriller, den es gilt auf verschiedenen Ebenen zu durchleuchten und indem sich liebgewonnene Figuren in Actionsequenzen der Extraklasse die Fresse polieren. Und jetzt wird wahrscheinlich noch erwartet, dass ich irgendein Prädikat oder Superlativ aus meinem Sprachrepertoire hole. Aber mir fällt gerade wirklich nichts ein, was klug klingen würde, außer vielleicht ganz, ganz stark.
Wertung: 8,5/10