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    Tatort: Die fette Hoppe
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Tatort: Die fette Hoppe
    Von Lars-Christian Daniels

    Im März 2013 feierte der hierzulande fast konkurrenzlos erfolgreiche Filmemacher Til Schweiger im actiongeladenen „Tatort: Willkommen in Hamburg“ seinen respektablen Einstand als Hamburger Kommissar – und musste zwei Wochen später machtlos mit ansehen, wie seine Rekord-Einschaltquote vom Münsteraner „Tatort: Summ, Summ, Summ“ noch übertroffen wurde. Dabei soll das größte Krimi-Ereignis des Jahres eigentlich erst am 2. Weihnachtstag steigen: Der federführende MDR pries das mit Spannung erwartete Debüt von Nora Tschirner („Soloalbum“) und Christian Ulmen („Männerherzen“) im Vorfeld als einmaligen Event-„Tatort“ an – mittlerweile ist aber klar, dass das neue Ermittlerduo aus Weimar in Serie gehen wird. Doch kann „Die fette Hoppe“, bei dem die erfahrene TV-Regisseurin Franziska Meletzky („Frei nach Plan“) am Ruder sitzt, qualitativ mit den Münsteraner Quotenkönigen oder dem Schweiger-Krimi mithalten? Die Antwort ist ein entschiedenes Ja! Mit einer spannungsarmen, dafür aber extrem humorvollen Grundausrichtung fällt der vorletzte „Tatort“ des Jahres 2013 zwar komplett anders, aber keineswegs schlechter aus als das Schweiger-Debüt. Nora Tschirner und Christian Ulmen harmonieren prächtig und schreiben mit einem überraschenden Paukenschlag im Mittelteil des Films (über den in diesem Text natürlich nichts verraten wird) bereits bei ihrem ersten Einsatz „Tatort“-Geschichte.

    Das hatte sich Kriminalkommissar Lessing (Christian Ulmen), der aufgrund eines „Burn-Down-Syndroms“ nach Weimar versetzt wurde, anders vorgestellt: Gleich an seinem ersten Arbeitstag im beschaulichen Thüringen schickt ihn sein neuer Vorgesetzter Kurt Stich (Thorsten Merten) zu einem Großeinsatz. Im Rathaus hat sich ein maskierter Erpresser verschanzt und Lessings hochschwangere zukünftige Kollegin Kira Dorn (Nora Tschirner) als Geisel genommen. Lessing kann den Maskierten überwältigen – und wird wenige Minuten später davon Kenntnis gesetzt, dass es sich bei der Geiselnahme nur um eine Übung handelte. Nun wird er mit Dorn auf einen neuen Fall angesetzt: Die Weimarer Wurstkönigin Brigitte Hoppe (Elke Wieditz), deren Fleischereiprodukt „Die fette Hoppe“ als beste Rostbratwurst Thüringens gilt, ist verschwunden. Sie scheint einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen zu sein. Verdächtige gibt es zuhauf: Die vermisste Unternehmerin ist nicht nur reich, sondern in der ganzen Stadt bekannt und unbeliebt. Daher suchen Lessing und Dorn zunächst ihren Sohn Sigmar (Stephan Grossmann) auf, dessen heimliche Freundin Nadine Reuter (Palina Rojinski) mit Anfang 30 schon zweifache Witwe ist. Aber auch der Pferdekutschenfahrer Caspar Bogdanski (Dominique Horwitz), der von Hoppe in den Ruin getrieben wurde, gerät ins Visier der Ermittler…

    Wenn im „Tatort“ gelacht werden darf, kommt der Krimi meist aus Münster: Wenngleich Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Prof. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) ein wenig in die Jahre gekommen sind und immer seltener an die Klasse früherer Tage anknüpfen, fußt das westfälische Erfolgsrezept seit jeher auf den köstlichen Streitigkeiten des ungleichen Ermittlerduos, an das die furchtbar unlustigen Saarbrücker Ulknudeln um Hauptkommissar Jens Stellbrink (Devid Striesow) bisher nicht ansatzweise heranreichen. In Weimar startet nun ein weiterer humorvoller „Tatort“, der sich im Hinblick auf Situationskomik und Wortwitz nicht nur auf Augenhöhe mit Thiel und Boerne bewegt, sondern dank der prominenten Besetzung und der hohen Gagdichte auch beim jungen Publikum ankommen dürfte. Lessing und Dorn, deren kurz angerissene Kindheit stark an die von Tschirners Kindergärtnerin Anna aus Til Schweigers „Keinohrhasen“ erinnert, hauen sich die neckischen One-Liner förmlich um die Ohren und locken sich mit bissigen Kommentaren gegenseitig aus der Reserve. Einige Sprüche wirken dabei aber etwas bemüht: Schon der erste Gag, bei dem Lessing seine neue Kollegin auf ihren kugelrunden Babybauch anspricht, ist ein plump abgekupfertes Sportlerzitat, mit dem der damals werdende Vater und heutige ARD-Fußballexperte Mehmet Scholl („Es ist mir völlig egal, was es wird. Hauptsache, er ist gesund.“) in die Annalen einging.

    Dennoch: „Die fette Hoppe“ macht Laune, denn die Chemie zwischen Tschirner und Ulmen, die bereits mehrfach gemeinsam vor der Kamera standen, stimmt einfach. Je länger der Event-„Tatort“ dauert, desto größeren Spaß machen die beiden dem Zuschauer, weil sie ihn in ihren neuen Rollen selbst zu haben scheinen und die Suche nach Entführer und Entführter keine Sekunde lang ernst nehmen. Der komödienerprobte Drehbuchautor Murmel Clausen („Der Schuh des Manitu“) setzt im Zusammenspiel mit seinem Kollegen Andreas Pflüger, der bereits zum achtzehnten Mal ein „Tatort“-Skript beisteuert, mit dem lockeren Spaßkrimi einen gezielten Kontrapunkt zum gewohnten Schema der öffentlich-rechtlichen Erfolgsreihe: Verfolgungsjagden durch die Dichterstadt Weimar, die der Zuschauer vor allem von ihrer touristischen Seite kennenlernt, absolvieren Lessing und Dorn kurzerhand in der Kutsche des tatverdächtigen Bogdanski, in der Motorhaube des Dienstwagens verwesen tote Nager (Dorn: „Sieht mir nach ‘nem klassischen Selbstmarder aus!“) und tiefgefrorene Frauenleichen werden weitergereicht wie ausgediente Schaufensterpuppen. Auch Thorsten Merten („Halbe Treppe“) als Vorgesetzter Kurt Stich und Wolfgang Maria Bauer („Siska“) als Kriminaltechniker Hans Bangen fügen sich stimmig in das überzeugende Figurenkonzept ein, müssen den Kino-Stars Tschirner und Ulmen aber erwartungsgemäß das Feld überlassen.

    Die Leiche finden die Kommissare erst nach einer Stunde – aber akribische Ermittlungsarbeit und Auflösung der Täterfrage sind hier ohnehin Nebensache. Mit einem Krimi der alten Schule hat „Die fette Hoppe“ daher wenig gemeinsam – der erste „Tatort“ aus Weimar ist eine leicht verdauliche, aber unterhaltsame Persiflage, die sich bei ihrer TV-Premiere auf dem umkämpften Sendeplatz am zweiten Weihnachtsabend immerhin gegen „Das Traumschiff“, das Animations-Highlight „Kung Fu Panda 2“, die populäre Dan-Brown-Verfilmung „Illuminati“ oder das Actiongewitter „Transformers 3“ behaupten muss und nicht nur das Stammpublikum erreichen soll. Zu verstecken braucht sich der prominent besetzte Fadenkreuzkrimi trotz der Quotenkonkurrenz nicht: Nach dem desaströsen Erfurter Jugendexperiment „Kalter Engel“, bei dem die junge Zielgruppe mit nervtötenden Anglizismen, pseudocoolen Sprüchen und betont lässigen Kommissaren erreicht werden sollte, liefert der MDR mit leichter Verspätung den Beweis, dass der „Tatort“ die anvisierte junge Zielgruppe auch ohne große Qualitätseinbußen erreichen kann. Und macht Lust auf mehr: Das Verhältnis zwischen Dorn („Sie sollten doch bei der Leiche bleiben!“) und Lessing („Die läuft doch nicht weg!“) birgt eine große Überraschung, die angenehm spät gelüftet wird und ausgezeichneten Nährboden für weitere Folgen aus der Dichterstadt bildet.

    Fazit: „Die fette Hoppe“ ist ein kurzweiliges, wenn auch spannungsarmes Gag-Feuerwerk, bei dem die „Tatort“-Debütanten Nora Tschirner und Christian Ulmen bereits vortrefflich harmonieren und sich gegenseitig mit flotten Sprüchen überbieten.

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