Weg war er nie wirklich, aber jetzt ist er endlich zurück. Tausendsassa Helge Schneider attackiert wieder: das Publikum, den guten Geschmack, die Konventionen! Denn bei Helge ist alles anders - auch das Filmemachen. Der schräge Mülheimer Multikünstler bewegt sich in einem eigenen Paralleluniversum, in dem seine treuen Fans immer wieder gerne verweilen. Dazu gibt es nach neun Jahren Spielfilm-Pause nun auch wieder im Kino die Gelegenheit, denn mit der Krimi-Komödie „00 Schneider - Im Wendekreis der Eidechse“ gibt der Humorist sein Comeback auf der großen Leinwand. Die Groteske ist dabei weniger eine Fortsetzung zu Schneiders bisher bestem Film „00 Schneider - Jagd auf Nihil Baxter“ als eine Neuinterpretation der kultigen Kommissar-Titelfigur und gefällt vor allem als minimalistische Hommage an die verruchten Cop-Thriller der 70er Jahre. „00 Schneider - Im Wendekreis der Eidechse“ ist in bewährter Schneider-Manier nicht auf die großen Schenkelklopfer angelegt, sondern zeichnet sich durch feine Details im Hintergrund aus: Leerlauf als Inhalt und Langsamkeit als Programm - dabei wird das Lachen eher zum Schmunzeln.
Kommissar Roy Schneider (Helge Schneider), von seinen Kollegen im Polizeirevier Mülheim hinter vorgehaltener Hand nur „00“ genannt, ist einem gefährlichen Sexualverbrecher (Rudi Olbrich) auf der Spur, einem „Sexferkel“, wie Schneider ihn klassifiziert. Da der ebenso gnadenlose wie geniale Kriminalist ein Mann der Tat ist und am liebsten alles selbst in die Hand nimmt, wirft er sich in Frauenkleider und scharwenzelt als Lockvogel lasziv über den Mülheimer Straßenstrich. Aber der Kommissar ist vielbeschäftigt und hat noch weitere knifflige Fälle zu lösen: Ein Huhn ist verschwunden und bei einem Überfall auf einen Tabakladen wurde eine Zigarettenschachtel gestohlen. Für diesen Kippen-Klau hat Schneider den gerade aus dem Kittchen geflohenen deutsch-türkisch-belgischen Intelligenzverbrecher Jean-Claude Pillemann (Rocko Schamoni), genannt „Die Eidechse“, im Verdacht. Das Ganoven-Superhirn umkreist seine Opfer wie ein Reptil und bespuckt sie anschließend mit einer ätzenden K.O.-Flüssigkeit. Der Kommissar wird hart gefordert und zu allem Überfluss hat sich auch noch 00s Tante Tyree (Tyree Glenn Jr.) aus Amerika für einen Besuch angesagt…
Er trägt Trenchcoat, Sonnenbrille und Anzug so lässig wie niemand sonst und er braucht keine Waffe, um Verbrecher dingfest zu machen - sein messerscharfer Verstand („Ich ermittle ausschließlich mit dem Gehirn“) ist ihm genug. Die Figur 00 Schneider, die Helge Schneider bereits 1993 in „Texas - Doc Snyder hält die Welt in Atem“ in einer Nebenrolle und dann ein Jahr später auch in „00 Schneider - Jagd auf Nihil Baxter“ verkörperte, bleibt in ihren Grundzügen auch in „00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse“ unverändert. Der markanteste Unterschied liegt in der Sprechweise Schneiders. Während er den Kommissar bisher mit seiner typischen verstellten nasal-nuscheligen Nonsens-Stimme sprach, agiert der Komiker nun wesentlich zurückhaltender, nahe seiner natürlichen Stimmlage. Das ist auch ein klares Signal: Die Kriminal-Groteske ist stärker noch als die Vorgänger von einer hintergründigen Erzählweise geprägt, in der es für brüllende Lacher keinen Platz gibt. Lieber verbeugt sich Schneider in seiner eigenen unverwechselbaren Art vor den Anti-Helden der harten französischen Cop- und Gangster-Thriller der 70er Jahre mit Lino Ventura & Co. Dabei versteht sich eines von selbst: Helge Schneider macht, was er will und das, wie er es will.
Schneiders Eigensinn sorgt immer wieder für brillant-absurde Details - das lässt sich schon an der Synopsis ablesen, die kurioseste Idee des gesamten Films wurde indes aus der Not geboren. Im Drehbuch, das Schneider gemeinsam mit seiner Co-Regisseurin und langjährigen Cutterin Andrea Schumacher verfasste, war die komplette Handlung in Spanien angesiedelt, doch um die deutsche Filmförderung in Anspruch nehmen zu können, musste zumindest ein Teil der Dreharbeiten hierzulande stattfinden. Dieses Dilemma löste das Kreativteam mit einem geradezu genialen Kniff: Es verlegte die Geschichte in Schneiders Heimatstadt Mülheim an der Ruhr, aber trotzdem machte es für einige Drehtage auch unter spanischer Sonne Station. Die dort entstandenen Aufnahmen etwa in Wüstenlandschaften wurden schließlich nach Lust und Laune mit den urbanen Ruhrgebietsbildern kombiniert: Wenn der Kommissar bei der Trinkhalle um die Kurve biegt und plötzlich Kakteen am staubigen Wegesrand stehen (ein krasser Bruch, der als nahtloser Übergang inszeniert ist und auf den selbstverständlich in keiner Weise eingegangen wird), dann ist das Schneider-Humor in höchster Vollendung. Die abrupten Wechsel werden nicht etwa zelebriert, sondern finden ganz beiläufig statt, und als der Meister gegen Ende des Films in einem Nebensatz erklären lässt, dass Mülheim eben ein spanisches Viertel habe, unterstreicht er mit diesem Hauch von innerer Logik nur noch wie absurd es im 00-Schneider-Universum zugeht.
Kenner des filmischen Helge-Werks werden bei „Im Wendekreis der Eidechse“ vieles wiedererkennen: Einmal mehr lässt der Meister viele Laiendarsteller auftreten, die er hauptsächlich aus seinem persönlichen Umfeld rekrutiert hat und die dem Dilettantismus regelrecht frönen. Und natürlich werden erneut viele der Frauenrollen von Männern gespielt – das ist bei Schneider sozusagen ein filmübergreifender Running Gag. Er verzichtet überdies auch dieses Mal auf eine durchgängige, dramaturgisch durchgeformte Handlung, die eigentliche Geschichte unterbricht er ständig durch mehr oder weniger amüsante, sinnfreie Sketche etwa über ausbrechende Affen, den Transport einer Waschmaschine über schneebedeckte Berge oder den Zahnarztbesuch einer atombusigen Blondine. Dazu nutzt Schneider auch wieder Anachronismen als komödiantische Triebfeder, so repräsentiert das Wählscheibentelefon hier den neuesten Stand der Telekommunikation und es wird mehr geraucht als in der in qualmseliger Vergangenheit angesiedelten TV-Hitserie „Mad Men“ (was eigentlich fast unmöglich ist). Schneider zieht wie immer konsequent sein eigenes Ding durch, was mitunter anstrengend ist und nicht ohne Leerlauf abgeht, zumal er uns eine finale Pointe verweigert. Die beste Chance, sich bei „00 Schneider - Im Wendekreis der Eidechse“ gut zu unterhalten, hat derjenige, der einfach die Atmosphäre genießt und sich an den Absurditäten freut, die ihm nebenbei zufliegen.
Fazit: Die dadaistisch-avantgardistische Verweigerungskunst des Helge Schneider ist und bleibt Geschmackssache - das gilt auch für „00 Schneider - Im Wendekreis der Eidechse“. Dieser neueste Auftritt des exzentrischen Ermittlers wirkt gegenüber dem Vorgänger „00 Schneider – Jagd auf Nihil Baxter“ indes etwas gemäßigter und bleibt auch qualitativ etwas hinter Schneiders Bestem zurück. Für Fans ist Helges Comebackfilm aber natürlich ein Muss.