Bevor Regisseur Zhang Yimou mit Hero und House Of Flying Daggers visuell herausragende epische Eastern-Werke schuf, war er vor allem für kritische Charakterdramen bekannt, in denen starke Frauengestalten gegen Unterdrückung und feudale Strukturen zu kämpfen hatten. So wurde Yimous vierter Spielfilm, das Drama „Die rote Laterne“ (1991) aufgrund seiner systemkritischen Auslegungsmöglichkeit in China zuerst verboten, fand aber dafür große Anerkennung im Ausland und wurde unter anderem mit einer Oscarnominierung und dem Silbernen Löwen in Venedig bedacht.
Im China der 20er Jahre ist die 19-jährige Songliang (Gong Li) dazu gezwungen, nach dem Tod ihres Vaters ihr angefangenes Studium aufzugeben und den 31 Jahre älteren wohlhabenden und mächtigen Feudalherrn Chen (Ma Jingwu) zu ehelichen. Doch auch wenn Songliang als vierte Ehefrau auf dem weitläufigen Anwesen einen eigenen Gebäudeflügel und eine Bedienstete zugewiesen bekommt, ist sie letztendlich nur eine Gefangene im goldenen Käfig, in welchem Neid und Intrigen den Alltag beherrschen. Allabendlich wird ein Ritual vollzogen, bei dem ein Diener lauthals verkündet, bei welcher der vier Damen der Hausherr die Nacht verbringen wird. Als Symbol der Gunst werden rote Laternen im Hof und in den Gemächern der Favoritin des Herrn Chen aufgehängt, die nicht nur den nächtlichen Besuch des Hausherrn verkünden, sondern die jeweilige Ehefrau für den Folgetag auch zur Herrin des gesamten Anwesens machen.
Zhang Yimou präsentiert dem Zuschauer eine streng geregelte und ritualisierte Welt innerhalb eines labyrinthischen Prachtbaus, aus der es kein Entkommen gibt. Nach der Ankunft Songliangs im Anwesen gibt es keinen einzigen Blick mehr auf die Außenwelt, alles spielt sich in den symmetrisch angelegten Höfen ab, in denen Rituale und ungeschriebene Gesetze, deren Sinn niemand mehr zu erklären vermag, das Leben regieren. Songliang und die drei anderen Frauen, die von Dienern und Haushälterinnen umsorgt werden, sind letztlich in diesem traditionellen System nicht mehr als Besitzobjekte, die zur Untätigkeit verdammt sind. Doch statt solidarisch das Luxuselend zu durchleiden, herrscht ein erbitterter Kampf zwischen den Frauen um die Anerkennung des Hausherrn. Dabei geht es weniger um die Privilegien, welche die nächtliche Gespielin des Herrn genießt, sondern vielmehr um Bestätigung und Anteilnahme, die den vier Frauen innerhalb der hohen Mauern nur bei der Ausrufung ihres Hofes zuteil werden können. Die roten Laternen werden von den Damen zwar als Zeichen ihrer Überlegenheit gegenüber den drei Rivalinnen angesehen, letztlich symbolisieren sie aber ihre Unterdrückung. Die eigentlichen Opfer des feudalen Systems werden aufgrund ihrer perspektivenlosen Situation selbst zu Täterinnen.
Aus der Darstellerriege sticht die damalige Lebensgefährtin Yimous Gong Li (2046, Die Geisha, Miami Vice) heraus, die den Lebenswillen der Hauptfigur, der letztlich an den Mauern aus Tradition und Dekadenz zerbrechen muss, auf beeindruckende Weise zum Ausdruck bringt. In den immer wiederkehrenden statischen Raumtotalen darf die wandlungsfähige chinesische Mimin ihr Können bei dem aussichtlosen Versuch, aus dem Mikrokosmos der Trostlosigkeit zu entfliehen, unter Beweis stellen. Trotz der strengen und stilisierten Form, die der Regisseur für seinen Film wählte, findet die langsame Entfaltung der Handlung in den für Yimou typischen farblich herausragend gestalteten Bildern statt, welche der Geschichte einen scheinbar konträren Rahmen geben.
Dadurch, dass der Herr des Anwesenes immer nur von Ferne gezeigt wird und der Betrachter sein Gesicht nicht ein einziges Mal zu sehen bekommt, bleibt Herr Chen nur eine Funktion und wird nie zur individuellen Person. Das hebt den Film auf eine abstraktere Ebene und macht ihn letztlich nicht nur zur psychologische Studie über Unterdrückung und ihre Konsequenzen, sondern auch zur gesellschaftspolitischen Parabel auf die Repression Chinas durch seine kommunistischen Machthaber.