Stephen Frears neuer Film „Philomena“ beruht auf einer tatsächlichen Begebenheit, beschrieben in dem Buch „The Lost Child of Philomena Lee“ von Martin Sixsmith, und bekam zahlreiche Auszeichnungen, dazu einige Nominierungen, darunter vier für den Oscar, wenn auch nicht für die beste Regie (bester Film, beste Hauptdarstellerin, bestes adaptiertes Drehbuch, beste Filmmusik).
Philomena Lee (Judi Dench) hat als Jugendliche in einem irischen Kloster gearbeitet. Sie wird in dieser Zeit durch eine flüchtige Bekanntschaft schwanger und bekommt einen unehelichen Sohn, der im Kloster neben anderen Kindern in Obhut genommen wird. Philomena muss ihn als Gegenleistung zur Adoption freigeben. Eines Tages wird er abgeholt, nur ein Foto bleibt. Philomena möchte nun - 50 Jahre nach seiner Geburt - erfahren, was aus ihm geworden ist. Der auftragslose und unentschlossene Journalist Martin Sixsmith (Steve Coogan) nimmt sich der Sache an und wittert eine verwertbare Story.
Stephen Frears ist für Filmwerke mit wechselnder Qualität bekannt. Im Jahr 2010 war dem Briten mit „Immer Drama um Tamara“ noch eine typisch englische Komödie gelungen, um dann zwei Jahre später mit „Lady Vegas“ trotz Top-Stars daneben zu liegen. Der Regisseur aus Leicester hat einige Preise erhalten und auch zwei Oscar-Nominierungen („Grifters“ 1991 und „Die Queen“ 2007).
Nun ist ihm ein Drama mit humorigen Einfügungen gelungen. Vor allem das adaptierte Drehbuch (geschrieben von Jeff Pope und Sixsmith-Schauspieler Coogan) macht es möglich, eine Erzählung zu erleben, die zwei vom Grunde auf verschiedene Charaktere im Miteinander zeigt. Zu sehr ins Eingemachte geht es allerdings nicht. Die Story konzentriert sich auf den Vorgang der Recherche um den Verbleib des Sohnes von Philomena und stets perfekt gesetzte Rückblenden, die sich in Philomenas Jugend abspielen. Von Sixsmith erfährt der Zuschauer nicht mehr, als dass er seine journalistische Schlitzohrigkeit anwendet, die ihn und die im geeigneten Maß intensiver beleuchtete, zurückhaltende, mit schematischen Meinungen bestückte Philomena immer näher ans Ziel bringen. Ab und zu geht es allerdings nur auf Philomenas Weise voran, sodass auch der ausgebuffte Sixsmith etwas lernt.
Und jene wird von einer äußerst ausdrucksstarken Judi Dench gespielt. Die mit zahlreichen Nominierungen (auch Oscar für „Philomena“) und Auszeichnungen für Film und Theater bedachte Britin lässt das Publikum auch dank der geschickten Inszenierung augenfeucht mitleiden, ohne dabei hollywoodlike übertrieben auf der Tränendrüse zu tanzen. Ankreiden muss man Frears allerdings, dass die sporadisch installierte Komik auf dem Rücken der Philomena Lee ausgetragen wird. Die einfache, aber herzliche Frau muss mit ihren Einlassungen und den entsprechenden Reaktionen des Martin Sixsmith für die Zwerchfellbewegung des Publikums sorgen.
Unterm Strich entsteht der Eindruck, dass mit „Philomena“ - ohne eine Einstellung zu viel zu verwenden - ein kurzweiliges und trotzdem sehr berührendes Werk entstanden ist. Das ist sauber ausbalanciertes Kino.