Dass erfolgreiche Bühnenkomiker irgendwann ihren eigenen Kinofilm bekommen, ist gerade in Deutschland alles andere als ein neues Konzept. Trotzdem ist „Verpiss dich, Schneewittchen!“ mit dem Monnemer Türk Bülent Ceylan in gewisser Weise ein Novum. Denn wo in Filmen von „Erkan & Stefan“ über „Schubert In Love“ bis hin zu „Morgen, ihr Luschen! Der Ausbilder-Schmidt-Film“ immer versucht wurde, die Bühnen-Persona der Komiker so ungebrochen wie möglich auf die Leinwand zu transportieren, gehen Ceylan und sein Regisseur Cüneyt Kaya („Ummah – Unter Freunden“) nun genau den entgegengesetzten Weg: So spielt Ceylan in „Verpiss dich, Schneewittchen!“ zwar die Hauptrolle, aber Verweise auf sein Bühnenprogramm finden sich nur vereinzelt am Wegesrand, etwa in Gestalt einer das Geschehen im Hasan-Dialekt kommentierenden Schildkröte mit „Atomkraft? Nein danke“-Aufkleber auf dem Panzer.
Das ist erst mal mutig. Nicht nur, weil man die Fans, die die bekannten Gags hören wollen, damit womöglich vor den Kopf stößt. Sondern auch, weil man damit ja freiwillig auf einen erprobterweise ziemlich guten Komiker verzichtet und dafür einen im besten Fall ordentlichen Schauspieler bekommt (dass sich ein Komiker plötzlich auch noch als grandioser Schauspieler erweist, wäre schließlich wie ein zweiter Sechser im Lotto). Wobei man schon sagen muss: Auch dank Schauspielcoach macht Ceylan das echt okay. Das größte Problem von „Verpiss dich, Schneewittchen!“ ist dann auch gar nicht, dass Ceylan seine spitzesten Pfeile im Köcher stecken lässt, sondern dass sich die Komödie stattdessen eines vollkommen ausgelutschten Ich-wäre-gerne-Rockstar-Plots inklusive null durchdachter Castingshow bedient, aus dem dann auch noch Emotionen statt Pointen herausgepresst werden sollen. So erweist sich letztendlich ein simpler Apostroph als MVP.
Sammy (Bülent Ceylan) wäre gerne Rockstar, aber aktuell reicht es nur für Auftritte in der Kindergartengruppe seiner Freundin Marie (Franziska Wulf) oder im Altersheim, wo ihm das greise Publikum Schläge androht, wenn er mal was anderes als Schlager spielt. Aber dann tut sich plötzlich doch noch eine Chance auf: Die herablassende Labelchefin Thomaschewsky (Sabrina Setlur) ist von Sammy ganz begeistert und würde ihn gerne zu einer Castingshow einladen, allerdings ist diese nur für Bands gedacht. Sammy bleibt nur eine Woche, um sich eine eigene Truppe von Musikern zusammenzusuchen, während er sich zugleich auch noch um das Hamam seines Bruders Momo (Kida Khodr Ramadan) kümmern muss, der sich gerade in seinen Flitterwochen auf einem Kreuzfahrschiff die Seele aus dem Leib reihert. Doch am Ende wird Sammy doch noch fündig und bildet gemeinsam mit seiner Schwester Jessi (Josefine Preuß) als DJane, seinem korpulenten Hamam-Kumpel Mahmut (Özgür Karadeniz hat sich dafür extra 25 Extrakilo angefuttert) als menschliche Trommel und dem Ex-Nazi Wolle (Paul Faßnacht) als Körpertrommler die Band Hamam Hardrock….
Bülent Ceylan hat gesagt, dass er schon immer einen Kinofilm machen wollte, der nicht auf Klamauk setzt, sondern die Zuschauer zum Nachdenken anregt. Und Produzent Oliver Berben führt dazu aus, dass man nicht nur eine witzige, sondern auch eine emotionale Geschichte erzählen wollte, weil ja viele Fans von Ceylan weiblich seien. Mal ganz abgesehen von dem altbackenen Geschlechterbild, das in Berbens Aussage durchscheint, hätte man sich dann aber auch mehr Mühe geben müssen, als einfach nur den Rockstartraum-Plot aus der Mottenkiste hervorzukramen – und das Haltbarkeitsdatum von Gags über Castingshows ist auch längst überschritten. Sowieso gibt es in „Verpiss dich, Schneewittchen!“ vergleichsweise wenige Pointen, was auch daran liegt, dass Ceylan nun in seiner eigenen Komödie den Straight Man gibt, während es seinen Co-Stars überlassen bleibt, sich an ihm abzuarbeiten.
Mit Abstand am besten gelingt das noch „Türkisch für Anfänger“-Star Josefine Preuß, die direkt aus einem 80er-Jahre-Aerobic-Musikvideo entsprungen zu sein scheint und auch dementsprechend viel Energie in ihre Szenen einfließen lässt – bis hin zu dem Moment, in dem ausgerechnet sie als Kleinste im Bunde mit einer Motorsäge zu Tarantino-Musik vor der Nazikneipe aufmarschiert. „Verpiss dich, Schneewittchen!“ war übrigens zunächst eine Dialogzeile eines der Nazis, vor denen Sammy auf der Flucht von einer Brücke springt, und wurde erst später zum Titel des Films. Eine passende Wahl, denn tatsächlich sind die Seitenhiebe gegen Rassisten (übrigens auf beiden Seiten) die stärkeren Momente des Films.
Wenn Tom Gerhardt in einem Gastauftritt als Hausmeister Krause Sammy in einer Art Deutschtest nach dem zweiten Vornamen von Angela Merkel befragt, fühlt man sich sogar selbst ein wenig ertappt, während die strammen Jungs von Freiland, der größten Konkurrenz von Hamam Hardrock, beim vorbereitenden Fotoshooting ganz subtil auch den einen oder anderen verfassungsfeindlichen Gruß in ihren Posen mit unterbringen. Etwaige Parallelen zu einer ähnlich klingenden Band mit einem Punkt in der Mitte des Namens sind natürlich sicherlich kein bisschen zufällig. Und damit wären wir dann auch wieder beim bereits erwähnten MVP: Die Bar der Nazischläger heißt nämlich „Kevin’s Kleine Kneipe“. Der Apostroph bringt’s auf den Punkt.
Fazit: Außer Haaren nichts gewesen.