In François Ozons „8 Frauen“ trafen die beiden französischen Diven Catherine Deneuve („Belle de Jour“) und Fanny Ardant („Auf Liebe und Tod“) das erste und bislang einzige Mal aufeinander. 2013 sind die beiden Schauspielikonen zwar nicht zusammen, aber in ganz ähnlichen Tragikomödien im Kino zu sehen, in denen sie jeweils Frauen in einer Existenzkrise verkörpern, die sich auf die Suche nach sich selbst begeben. Doch während Deneuves Roadtrip in Emmanuelle Bercots Berlinale-Beitrag „On My Way“ etwas holprig geraten ist, gelingt es Marion Vernoux in ihrem Film „Die schönen Tage“, die prickelnde Affäre zwischen einer attraktiven Frührentnerin und einem bedeutend jüngeren Mann stilsicher zwischen sommerlicher Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit zu inszenieren.
Nach dem Krebstod ihrer besten Freundin bricht für die 60-Jährige Caroline (Fanny Ardant) eine Welt zusammen. Nach einem Streit mit einer Patientin wirft sie ihren Job als Zahnärztin hin und weiß fortan nicht, was sie mit ihrer Zeit anfangen soll. Um sie aus ihrer Lethargie herauszuholen, schenken ihre beiden Töchter ihr einen Gutschein für das Seniorenzentrum „Die schönen Tage“, in dem unterschiedlichste Kurse angeboten werden. Die attraktive Frührentnerin begegnet der Idee ihrer Töchter allerdings zunächst ablehnend und kann sich wenig für das umfassende Angebot begeistern. Doch dann tritt zu Hause ein Problem mit ihrem Computer auf und Caroline entschließt sich, einen Computerkurs zu besuchen. Der sympathische, gut 20 Jahre jüngere Kursleiter Julien (Laurent Lafitte) hat jedoch nicht nur Computertipps parat, sondern macht ihr auch noch klare Avancen. Anfangs verunsichert, fühlt sich Caroline bald geschmeichelt und kommt dem jungen Mann bei einigen Gläsern Wein näher. Aus dem Seitensprung entwickelt sich bald eine zunehmend ernsthafte Beziehung, was nur so lange gut geht, bis Carolins Ehemann Philippe (Patrick Chesnais) die ewigen Verspätungen und Ausreden seiner Frau nicht mehr tolerieren will.
Ebenso wie ihre Kollegin Emmanuelle Bercots in „On My Way“ nimmt sich auch Marion Vernoux („Love etc.“, „Schöne Venus“) den Problemen der älteren Generation an. Doch bei ihr wird der Seniorentreff zum Beginn einer unverhofften Liebschaft. Zum Glück nimmt Vernoux die Liebesbeziehung dabei ernst und gibt sie nie der Lächerlichkeit Preis. Mit viel Fingerspitzengefühl und ohne aufdringliche Psychologisierungen inszeniert sie den sich anbahnenden Konflikt. Hauptdarstellerin Fanny Ardant überzeugt dabei in dem lose auf Fanny Chesnels Roman „Une jeune fille aux cheveux blancs“ basierenden Film in der Rolle einer Frührentnerin, die sich einfach über Gerede und Konventionen hinwegsetzt und eine stürmische Affäre erlebt, die ihr die Zeitlosigkeit von Sehnsüchten, Genuss und Liebe vor Augen führt.
Fanny Ardant, die einst von Regielende François Truffaut („Sie küssten und sie schlugen ihn“) entdeckt wurde, ist ohne Frage auch heute immer noch eine charismatische Schönheit und versteht es wie eh und je, die Blicke auf sich zu ziehen. So ist ihre Caroline verführerischer Vamp und seriöse Dame zugleich. Wenn sie sich adrett gekleidet mit beinahe flüsternder Stimme im Seniorenzentrum anmeldet, mag man sie noch für eine eher schüchterne Frau halten, doch Caroline weiß, was sie will und versteht es, sich klar, manchmal gar zynisch und verletzend auszudrücken. Durch ihre Affäre mit Julien rücken Alter und Gedanken an die Sterblichkeit in den Hintergrund, Genuss und Freude bestimmen nun ihr Leben und lassen sie für Momente wieder wie ein kichernder Teenager agieren. Nach langer Zeit fühlt sich Caroline dadurch nicht mehr nur gefangen in ihren Rollen als Großmutter, Mutter und Ehefrau, sondern kann endlich wieder nur sie selbst sein. Doch bei all ihrer Ungezwungenheit ist sich Caroline dennoch stets der drohenden Entscheidung zwischen ihrem liebevollen Ehemann und dem charmant-humorvollen Geliebten bewusst.
Dass es trotz des Altersunterschieds nachvollziehbar erscheint, dass Caroline und Julien eine Liaison eingehen, ist vor allem der Chemie zwischen den Darstellern zu verdanken. Gerade die direkte und offene Art ihrer Kommunikation macht den Reiz der ungewöhnlichen Beziehung aus. Überzeugend gibt Laurent Lafitte („Kleine wahre Lügen“) den direkten, etwas spitzbübischen jungen Mann, der trotz aller Vereinbarungen tiefere Gefühle für die ältere Frau entwickelt. Und auch Patrick Chesnais („Man muss mich nicht lieben“) zeigt als der lange Zeit seine Augen verschließende Ehemann eine bravouröse Leistung und vervollständigt dadurch das Liebesdreiecks eines schönen, tragikomischen Films.
Fazit: „Die schönen Tage“ ist eine leichtfüßige Tragikomödie über die Sehnsüchte und Hoffnungen der Golden Ager, in der sich die von Fanny Ardant wunderbar verkörperte Protagonistin der Alterslosigkeit des Glückes bewusst wird und erkennt, dass durchaus noch viele schöne Sonnenaufgänge vor ihr liegen können.