LeBron James tritt in die Cartoon-Fußstapfen von Michael Jordan
Von Sidney ScheringWenige Filmhits aus den 1990er-Jahren spalten die Gemüter derart wie „Space Jam“. Die Zeichentrickfiguren mit Realfilmaufnahmen kombinierende Komödie, in der Michael Jordan an der Seite von Bugs Bunny gegen Aliens Basketball spielt, wird gleichermaßen geliebt und gehasst, aber nur selten mit Gleichgültigkeit bedacht. Die Fans feiern „Space Jam“ für sein Tempo, die gelungene technische Umsetzung, seinen Hit-Soundtrack und dafür, dass er genau weiß, welche Art von Hirn-aus-Unterhaltung er ist. Die übrigen hassen ihn für sein schamloses Product Placement, seine himmelschreiende Albernheit und/oder die Zähmung der in ihren Cartoons eigentlich noch viel irrwitzigeren Looney Tunes.
Klar war angesichts der enormen Einnahmen dennoch: „Space Jam“ soll eine Fortsetzung bekommen. Deren Entwicklung zog sich allerdings. Aus Plänen für einen weiteren Film mit Michael Jordan wurde zwischenzeitig sogar die Idee, eine Agenten-Komödie mit Jackie Chan zu drehen. Dann wollte Warner die Looneys mit den Größen anderer Sportarten zusammenzubringen – etwa mit Pro-Skater Tony Hawk. Erst 2014 besann man sich auf Basketball zurück und entschied, LeBron James als Zugpferd an Bord zu holen. Nun, sieben Jahre später, ist „Space Jam 2: A New Legacy“ fertig – und schon jetzt lässt sich absehen: Auch das Sequel von Regisseur Malcolm D. Lee („Girls Trip“) wird die Gemüter spalten…
Bugs Bunny spielt aus Prinzip nur mit den Allerbesten: Nach Michael Jordan ist jetzt LeBron James an der Reihe ...
Seit LeBron James im Kindesalter von einem Basketballtrainer angeschnauzt wurde, er solle sich gefälligst voll aufs Spiel konzentrieren, nimmt er sich den harschen Rat zu Herzen. Mit Erfolg: Er ist eine lebende, wohlhabende Legende. Doch sein jüngster Sohn Dom (Cedric Joe) fühlt sich geringgeschätzt: Dom programmiert lieber Videospiele, statt in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, wofür der 2,06 Meter große Superstar allerdings wenig Verständnis aufbringt. Wann immer Dom zur Zerstreuung Basketball spielt, bekommt er für seine Fehler von seinem starrsinnigen Dad sofort einen dummen Spruch reingedrückt.
Als der Superstar vom Hollywoodstudio Warner Bros. wenig später zu einem Geschäftstermin gebeten wird, entführt der heimlich das Studio leitende Algorithmus Al-G Rhythm (Don Cheadle) LeBron und seinen Sohn ins Warner-3000-Serverversum. In der digitalen Welt, die alle geistigen Eigentümer des Warner-Konzerns beherbergt, zwingt Al-G Rhythm LeBron zu einem Basketballspiel mit heftigem Einsatz: Alle Looney Tunes sollen gelöscht werden, wenn sie das Match verlieren. Kann das Basketball-Ass mit der Hilfe von Bugs Bunny, Daffy Duck, Schweinchen Dick, Lola Bunny und diversen weiteren Looneys die Schergen des Algorithmus auf dem Court bezwingen?
Es ist der größte Marketinghebel, den Warner Bros. für „Space Jam: A New Legacy“ nutzt – und zugleich der Haken, an dem sich viel Vorabkritik festmacht: In dieser Komödie liegen sämtliche Warner-Filme und -Serien auf demselben Server, weshalb deren Welten verschmelzen und Figuren verschiedener Franchises interagieren können. Vorwürfe, „Space Jam: A New Legacy“ sei in Wahrheit vor allem ein abendfüllender Werbespot für Warners US-Streamingdienst HBO Max, ließen deshalb nicht lang auf sich warten. Dasselbe gilt für Vorwürfe, der Film hätte mit den klassischen Looney Tunes ja nun wirklich endgültig nichts mehr zu tun.
Wir wetten, dass diese Beschwerden so schnell nicht verstummen werden – obwohl sie zumindest im zweiten Fall einer Überprüfung mit der Geschichte der Warner-Cartoons nicht standhalten: In den Kurzfilmreihen „Looney Tunes“ und „Merrie Melodies“ gibt es schließlich eine lange Reihe an Karikaturen von Hollywood-Stars – und zeitweise traf es dabei bevorzugt Größen aus Warner-Filmen wie etwa Humphrey Bogart oder Lauren Bacall. Unzählige Male wurde die vierte Wand durchbrochen, um auf das verantwortliche Studio hinter den Cartoons zu verweisen, wie etwa im legendären „You Ought to Be in Pictures“ von 1940, in dem Daffy mit einer List Schweinchen Dick dazu bringt, bei seinem Heimatstudio zu kündigen. Selbstredend kehrt das stotternde Schweinchen am Ende des Cartoons zu Warner zurück.
... wobei sich Bugs trotzdem absolut nicht sicher zu sein scheint, ob das Match wirklich zu gewinnen ist.
Und dann sind da noch die vielen Parodie-Cartoons über Warner-Werke – von „Casablanca“ über „Tote schlafen fest“ bis „Der Exorzist“, all diese Klassiker haben die Looney Tunes schon durch den Kakao gezogen. Nach all dem ist ein Langfilm, in dem Bugs Bunny und Co. unter anderem durch „Matrix“ wuseln und beim Basketball von King Kong und dem Gigant aus dem All angefeuert werden, wahrlich kein Verrat an der Integrität der Cartoon-Helden. Wenn man so will, sind die ganzen Warner-Querverweise (und selbst der womöglich eingepreiste Werbeeffekt für HBO Max) sogar eine Rückkehr zu den Wurzeln: Schließlich wurde die Cartoon-Reihe 1930 von Hugh Harman und Rudolph Ising mit der Absicht gestartet, dem Musikkatalog des Studios zu mehr Bekanntheit zu verhelfen.
„Space Jam: A New Legacy“ ist aber auch noch in anderer Hinsicht eine Rückkehr zu den Wurzeln: Während in „Space Jam“ zwar Realfilm und Zeichentrick ansehnlich ineinandergreifen, wirken die Cartoon-Chaoten im Blockbuster von 1996 für ihre Verhältnisse mitunter stocksteif. Im Sequel sind die Zeichentricksequenzen hingegen wesentlich dynamischer animiert und in einem Look gehalten, der auf verschiedene besonders populäre Tunes-Epochen verweist.
Konsequenterweise ist LeBrons Ankunft in der 2D-Looney-Welt, wo er von Bugs Bunny in allerlei Chaos verwickelt wird, ein klares Highlight des Films. Auch die Abstecher nach Zeichentrick-Metropolis und Comic-Themyscira schöpfen das Potential eines Aufeinandertreffens von Warners klassischen Cartoon-Schöpfungen und anderen Filmwelten des Unterhaltungskonzerns durchaus aus. Weitere Crossover-Momente enttäuschen dagegen: Mehrmals besteht ihr Witz einzig und allein aus der offensichtlichen Diskrepanz zwischen erwachsenenorientierten Realfilm-Welten und den in sie hinein gezwängten Trick-Helden. Das regt anfangs noch zum Schmunzeln an, wenn manche Looney-Tunes-Helden plötzlich ein besonders pointiert überspitztes „Kostüm“ verpasst bekommen, ist dann aber schnell völlig vorhersehbar und je länger der Film läuft, desto häufiger lässt er die humoristischen Möglichkeiten der Prämisse links liegen.
Den Absturz ins rein Werbende vermeidet die sechsköpfige (!) Drehbuch-Armee weitestgehend. Zwar ist offensichtlich, was sich das Studio-Management von „Space Jam: A New Legacy“ versprochen haben dürfte, als es nach langem Warten ausgerechnet dieser Inkarnation einer „Space Jam“-Fortsetzung grünes Licht gegeben hat. Trotzdem gelingt es den Filmschaffenden, der Werbedreistigkeit unter anderem durch Seitenhiebe auf Algorithmus-basierte Studioentscheidungen und die gläserne Kundschaft digitaler Angebote den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Weltrekord für den größten Größenunterschied zweier Teamkameraden in einem Basketballmatch: LeBron James (2,06m) und Tweety (definitiv unter 2 Meter).
Schade nur, dass Malcolm D. Lee (ebenso wie der im Abspann nicht als Regisseur genannte Terence Nance, der das Projekt einige Drehwochen leitete, bevor er es aufgrund kreativer Differenzen verließ) derartige Pointen immer wieder ohne Not harmlos austrudeln lässt. Das frustriert umso mehr, weil Don Cheadle seine Rolle als Bösewicht-Algorithmus eigentlich mit exakt der süffisanten Ironie ausfüllt, die der Film benötigt – er bekommt dann nur längst nicht genug Gag-Material spendiert. Da bewies der von Joe Dante verantwortete „Looney Tunes: Back in Action“ 2003 noch deutlich mehr Biss in seinen Meta-Momenten.
Durchwachsen ist auch das eigentliche Kernstück des Films: das große Basketballmatch! Das Sequel überbietet seinen Vorgänger insofern, als dass die Looney-Tunes-Chaoten auf dem Spielfeld noch konsequenter und kreativer groben Unfug abliefern. In der Umsetzung sind diese Späße aber Hit-and-Miss, da manche wilden Einfälle schier endlos in die Länge gezogen werden, obwohl sie förmlich nach Schnellfeuertempo schreien. Zudem gibt es auch einige Probleme mit den Designs, wenn sich die Zeichentrickfiguren auf dem Feld in CG-Charaktere verwandeln: Während Daffy, Kater Sylvester, der Road Runner und Wile E. Coyote adäquat in die dritte Dimension übersetzt werden, sind einige andere 3D-Modelle eher unansehnlich geraten.
Vor allem Bugs und Lola Bunny muten im nahezu fotorealistischen Look ein wenig wie abgenutzte Plüschfiguren an – das geht auf Kosten von Charme und Witz. Die größte Enttäuschung des Films ist allerdings LeBron James, von dessem komödiantischen Timing aus „Dating Queen“ mit Amy Schumer kaum noch etwas übriggeblieben ist. Wenn er seine eigene Cartoon-Version spricht, taut der populäre Sportler durchaus auf – aber in seinen Realszenen stakst er vollkommen unbeholfen durch die dramatischen Momente, während er zugleich eine um die andere Pointe verfehlt.
Das Drehbuch tut ihm dabei überhaupt keinen Gefallen, zeichnet es ihn doch als übertrieben begriffsstutzig: LeBron benötigt trotz der deutlich ausformulierten Wetteinsätze erst eine klischeehafte Ansprache seiner Frau, um zu schnallen, dass er die Partie gewinnen muss, um die zahlreichen Gefangenen Al-G Rhythms zu retten. Und danach drängt er die Looneys erst einmal (vergeblich) dazu, ausschließlich auf Basisspielzüge zu setzen – obwohl die unmissverständlich klar gemachten Regeln besagen, dass Spaß, Kreativität und Style wichtige Bonuspunkte bringen.
Altersdiskriminierung gibt es in "Space Jam 2: A New Legacy" jedenfalls keine!
Nicht zuletzt aufgrund der misslungenen ruhigeren Momente macht es sich unschön bemerkbar, dass „Space Jam: A New Legacy“ eine halbe Stunde länger als sein knackig erzählter Vorgänger geworden ist. Das ist äußerst bedauerlich, denn die Ansätze, das Sequel zum noch schrägeren Cartoon-Abenteuer zu machen, sind durchaus vorhanden. Wenigstens punktet „Space Jam: A New Legacy“ mit einem der witzigsten Cameo-Auftritte der jüngeren Filmgeschichte – und der funktioniert sogar ganz ohne Warner-Vorkenntnisse!
Fazit: „Space Jam 2: A New Legacy“ sieht auf den ersten Blick zwar aus wie eine große Warner-Werbefeier – ist im Kern aber eigentlich sogar eine Rückkehr zu den Wurzeln der Cartoon-Helden. Trotzdem stolpert der Film immer wieder über seine eigenen Schnürsenkel – und liefert schlussendlich viel Gewusel und wenig zum Schmunzeln, gerade in Anbetracht der im Vergleich zum 96er-Original noch mal deutlich erhöhten Laufzeit.