Man kann an der Dokumentation „Heino Jaeger – Look before you kuck" durchaus bemängeln, dass weder die Herkunft des Multitalents Heino Jaeger aus dem verkannten Hamburger Bezirk Harburg noch sein großer Einfluss auf Komiker wie Loriot und Olli „Ditsche" Dittrich thematisiert wird. Doch das ist schon alles. Im Übrigen schafft es Regisseur und Autor Gerd Kroske den 1938 geborenen, 1997 verstorbenen melancholischen Maler, garstigen Zeichner, nostalgischen Filmemacher und hemmungslose Realsatiriker einzufangen und so kongenial den Kern dessen Werkes frei zu legen. Dieses ist nämlich ein unheimliches Echo der deutschen Vergangenheit, die weder vergehen will noch kann.
Unterstützt von viel Archivmaterial lässt Kroske viele Wegbegleiter von Heino Jaeger zu Wort kommen, so dass kaleidoskopartig ein Porträt des eigenbrötlerischen Künstlers entsteht. Buchautor Joska Pintschovius erinnert an Jaegers Traumatisierung durch den Bombenkrieg sowie gemeinsame Aktivitäten in der so genannten Anti-68er-Bewegung. Karikaturist Jürgen von Thomeϊ erzählt von Jaegers Talent als kabarettistischer Stimmenimitator. Seine Verwandten Gerrit und Ilsbeth Strasser zeigen Kinderzeichnungen. Die ehemaligen Bordellbesitzer und Mäzene Wolli und Linda Köhler berichten, wie sie Käufer für Jaegers Gemälde beschafft haben. Journalist Christian Meurer outet sich als früher Fan der Radiosendung „Fragen Sie Dr. Jaeger", deren Originalaufnahmen der ehemalige Redakteur Karl Heinz Schmiedling in den Tonarchiven des Saarländischen Rundfunks aufspürt. Ärzte und andere Zeugen der letzten Lebensjahre kommentieren schließlich den psychischen Verfall des Multitalents, seine Trunksucht und sein Sterben.
Kroske begibt sich in die Katakomben der Geschichte, ohne je die Berührung mit der Gegenwart zu verlieren. Heino Jaeger wird als eine Art anarchisches Elementarteilchen in sensibler Menschengestalt dargestellt: Er suchte seine Umgebung als Unzeitgemäßer von berstender Begabung heim. Zeitgenossen, die die Epochen der Unmenschlichkeit schon abhaken wollten, attackierte er mit seiner Hassliebe zu wilhelminischem Prachtbautentum und Militarismus, mit seiner provokanten Persiflage des Nationalsozialismus und seiner unbarmherzigen Nachahmung des Spießer-Jargons. Mit schockierender Wirkung bis heute.
Subtil deckt Kroske auf, dass sogar die Wohlmeinenden versuchten, Jaeger zu bändigen. Wolli Köhler wollte ihn gleichsam als Wiedergänger des Hurenmalers Toulouse-Lautrec in seinem Puff installieren während ihn Autor Pintschovius zu mehr Haltung ermahnte als er bei einer Vernissage geistesabwesend an der Bierflasche süffelte. Die Filmemacher fördern hingegen mit den hervorgeholten Ausschnitten auf sympathische Weise das Fortleben des Künstlers. Da wird der Aufmarsch von Neonazis in Dresden mit einem fiktiven Hitler-Interview kontrastiert, das der Stimmenimitator Jaeger für den Rundfunk konzipierte und produzierte, das aber ungesendet blieb.
Einige Zusatzinformationen hätten Kroskes Abschluss seiner Hamburg-Trilogie – nach „Der Boxprinz" (1999/00) und „Wollis Paradies"(2005/7) – freilich gut getan. Über Heino Jaegers Vater, einen strammen Nazi, erfährt man zum Beispiel viel zu wenig und auch Jaegers Einfluss auf Komiker von heute wird nicht thematisiert. Aber vielleicht ist „Heino Jaeger – look before you kuck" – der Titel verballhornt einen Warnhinweis britischer Streitkräfte auf Lebensmittelbüchsen – erst der Anfang der Erinnerungsarbeit: Angeblich planen die Jaeger-Jünger Olli Diettrich und Rocko Schamoni eine filmische Biographie.
Fazit: „Heino Jaeger – look before you kuck" ist sympathische Hommage an ein vergessenes Genie des schrägen Humors, die hoffentlich zu einem Revival des Komikers führt.