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    Cold Blooded - Wer wird es überleben?
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Cold Blooded - Wer wird es überleben?
    Von Lars-Christian Daniels

    In Nicolas Winding Refns meisterhaftem Neo-Noir-Actiondrama „Drive“ gibt es kurz vor dem Abspann eine Szene, in der der schwer verwundete „Driver“ (Ryan Gosling) mit starrem Blick in seinem Wagen sitzt und sekundenlang keine Miene verzieht. Die Sonne strahlt ihm ins Gesicht, die Geschichte ist vorüber – aber hat der Held den letzten Kampf überlebt? Eine gefühlte Ewigkeit spannt Refn den Zuschauer auf die Folter, bis die Spannung kaum noch zu ertragen ist und Gosling schließlich blinzelt und die Augen schließt. In Jason Lapeyres kanadischem Krankenhaus-Thriller „Cold Blooded – Wer wird es überleben?“ gibt es eine ganz ähnliche Szene: Geschlagene 48 Sekunden blickt der Zuschauer dem ans Krankenhausbett gefesselten Diamantenräuber Cordero (Ryan Robbins) ins Gesicht, bevor dieser schließlich aus dem Koma erwacht. Der Unterschied: Im Gegensatz zur genannten Szene in „Drive“ verpufft dieser einleitende Drehbuchkniff – und in der Folge leider noch viele weitere – ohne jede Wirkung. „Cold Blooded“ entpuppt sich früh als spannungsarmer, überraschungsfreier und auch in den Hauptrollen schwach besetzter Thriller.

    Der gewiefte Diamantenräuber Cordero (Ryan Robbins) wird bei einem Überfall schwer verletzt und in den leerstehenden Flügel eines Krankenhauses gebracht, um dort weiter versorgt zu werden. Damit der Schwerverbrecher, der vorübergehend ins Koma fällt, nach dem Aufwachen nicht fliehen kann, wird die engagierte Jungpolizistin Frances Jane (Zoie Palmer) zu seiner Bewachung abgestellt. Schon wenige Minuten nach ihrer Ankunft erwacht Cordero, dem Jane ein Geständnis des Raubs entlocken will, aus dem Koma – doch damit gehen die Probleme erst so richtig los. Die Polizistin ist nämlich nicht die Einzige, die sich von dem Diamantenräuber Informationen erhofft: Auch Corderos Boss Holland (William MacDonald) hat es auf den Schwerverletzten abgesehen, weil ein Komplize beim Überfall sein Leben ließ und die erbeuteten Edelsteine spurlos verschwunden sind. Gemeinsam mit ein paar schwer bewaffneten Handlangern stürmt Holland das Krankenhaus...

    Die Produktionsgeschichte zu „Cold Blooded“ ist durchaus bemerkenswert: Filmproduzent Tim Merkel, der in den vergangenen Jahren als Camera Operator bei TV-Serien wie „Fringe“ oder Hollywood-Produktionen wie „R.E.D.“ in Erscheinung trat, zäumte das Pferd nämlich von hinten auf. Er hatte von einem leerstehenden Krankenhausflügel gehört und suchte daher nach einem Stoff, der sich darin verfilmen ließe. Filmemacher Jason Lapeyre („I Declare War“) bewarb sich gleich mit zwei Ideen: einer Crime- und einer Zombie-Geschichte. Merkel gefielen beide, und so überließ er Lapeyre die Wahl, sein Wunschprojekt in die Tat umzusetzen. Im Nachhinein würde man sich fast wünschen, Lapeyre hätte sich für den Zombiefilm entschieden, denn viel schlechter hätte der kaum ausfallen können: „Cold Blooded“ mangelt es fast an allen existenziellen Zutaten, die einen Thriller fesselnd und unterhaltsam machen.

    Ob charismatische Figuren, eine steile Spannungskurve, doppelte Handlungsböden oder clevere Twists: Lapeyres Film hat nichts davon. Der kanadische Regisseur und Drehbuchautor lässt bei seinem Spielfilmdebüt jegliches Gespür für knisternde Atmosphäre vermissen und inszeniert einen vor allem in der Auftaktphase fast sterilen, wahnsinnig schleppend in Fahrt kommenden Thriller, in dem der genannte Augenaufschlag des Komapatienten fast noch einer der besseren Einfälle ist. Von den Figuren wird keine einzige näher skizziert, sie bleiben langweilige Stereotypen, und somit taugt auch keiner der Charaktere zur Identifikationsfigur: Die engagierte Jung-Polizistin Jane, die man der fast über die gesamte Spielzeit blutverschmierten Hauptdarstellerin Zoie Palmer („Devil“) selten abkauft, lässt sich nach wenigen Minuten wie eine Anfängerin von den Verbrechern übertölpeln und muss ab dem zweiten Filmdrittel auch noch einhändig agieren, weil ihr der skrupellose Gangsterboss Holland kurzerhand die Hand abgesägt hat. Diese vereinzelten Torture-Porn-Einlagen, die zumindest nicht (dieser letzte Wortwitz sei gestattet) überhand nehmen, machen „Cold Blooded“ kaum besser, denn Jane scheint nicht einmal nennenswerte Schmerzen zu empfinden. Dicker Verband um den Stumpf – weiter geht‘s.

    Auch Ryan Robbins („Apollo 18“) verrichtet als verletzter Diamantenräuber, der erwartungsgemäß zwischen alle Fronten gerät, nur Dienst nach Vorschrift, und bleibt als Figur so austauschbar wie alle anderen. Jeder ballert auf jeden, und am Ende versucht jeder, unerkannt aus dem Krankenhaus zu fliehen und seine Schäfchen ins Trockene zu bringen: Dass der Weg vorbei am argwöhnischen Wachposten (Samantha Kaine), der am Haupteingang von der wilden Action im Gebäude überhaupt nichts mitzubekommen scheint, der riskanteste Weg von allen ist, spielt dabei keine Rolle: Statt einfach aus einem Fenster im Erdgeschoss zu klettern oder sich einen unbewachten Nebenausgang aufzuschießen, wird auch dieser angestrebte Spannungsmoment mit dem Holzhammer in den Plot gemeißelt. So bleiben Corderos „Mac Gyver“-Qualitäten („Wenn Sie hier rauswollen, brauch ich eine Bierdose!“) die einzig nette Idee in einem ansonsten uninspirierten und nie fesselnden Film.

    Fazit: „Cold Blooded“ ist einfallslose, spannungsarme Thriller-Kost.

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