Auch in Frankreich ist Rassismus ein großes Problem. In den vergangenen Jahren schickte sich die Filmbranche der Grand Nation an, dem auf breiter Front entgegenzutreten. In dieser Hinsicht war natürlich vor allem „Ziemlich beste Freunde“ bahnbrechend erfolgreich, mit „Ein MordsTeam“ gab es eine ganz nette „Beverly Hills Cop“-Variante, „Paulette“ ist schlicht milieuecht und „Paris um jeden Preis“ modisch schick. Demnächst kommt mit „Monsieur Claude und seine Töchter“ sogar eine großbürgerliche Version in die Kinos. Als bislang bestes Werk dieser Reihe könnte sich jedoch „Eine ganz ruhige Kugel“ erweisen. Die Multikulti-Komödie des meist fürs Fernsehen arbeitenden Regisseurs Frédéric Berthe hat mit Gérard Depardieu nicht nur einen Mega-Schauspielstar zu bieten, sondern besticht auch mit einem stimmigen Konzept. Wie von selbst entrollen sich daraus mit Tempo und einer ganz speziellen Action Witze und Gags.
In seiner Heimat, der französischen Provence, rangiert der arabischstämmige Momo (Atmen Kelif) ganz unten auf der sozialen Leiter. Obwohl er ein guter Schüler war, steht er mit vierzig ohne Job und ohne Zukunft da. Schon wegen seiner Mutter, die ihn eifersüchtig behütet, bleibt keine Freundin lange bei ihm. Groß ist Momo nur beim Boule, auch Pétonque genannt. Jacky Camboulaze (Gérard Dépardieu), einst Champion, derzeit Sozialhilfeempfänger, hat Momo faktisch zu einem Spitzenspieler aufgebaut. Geld verdienen lässt sich damit aber scheinbar nur beim Trickbetrug. Die ganz große Chance winkt ihnen erst, als der spleenige Millionär Stéphane Darcy (Edouard Baer) eine Boule-Weltmeisterschaft veranstaltet. Das Siegerteam soll eine halbe Million Euro erhalten. Momo bewirbt sich für die französische Equipe. Schließlich wird er dort auch aufgenommen – aber nur mit Hilfe von PR-Managerin Caroline Fernet (Virginie Efira) und auf Druck von Darcy. Denn Trainer René Martinez (Daniel Prévost) ist ein schlimmer Rassist. Mit allen Mitteln will er Momo loswerden.
Erst reibt man sich bei „Eine ganz ruhige Kugel“ erwartungsvoll die Hände. Dann ist man etwas verwundert. Schließlich bereitet der Film aber vor allem Vergnügen, trotz einer sehr harten Zeit für Momo. Wenn er und Jacky aus dem Fernseher von der angekündigten Weltmeisterschaft erfahren, teilt man ihre Vorfreude und malt sich aus, wie das wohl wird, wenn der schmächtige Momo und der schon mal „Walross“ genannte Jacky ein Team bilden, das ein bisschen wie Asterix und Obelix gegen den Rest der Welt antritt. Aber der Wurf von „Eine ganz ruhige Kugel“ geht in eine andere Richtung. Nicht um die Auseinandersetzung mit anderen Nationen geht es, sondern um Frankreich selbst – und um die Arroganz, die viele Franzosen gegenüber Migranten zeigen. Auf und neben der Boule-Bahn wird mit harten Bandagen um Integration gespielt.
Zum einen sind dafür die Figuren trefflich ausgemalt. Kann er sich nicht am Spiel berauschen, lässt Atmen Kelif seinen Momo zu einem Häufchen Elend zusammenfallen, mit einer Mischung aus Demut und Resignation, die Bände spricht über das, was er als französischer Bürger zweiter Klasse erlebt hat. Gérard Depardieu verwandelt seine Körperfülle als Jacky in das Monument des Unglücks eines Verlierers. Jacky liebt Momo wie einen Sohn. Seit ihm Kredithaie auf den Fersen sind und seine Frau ihm den Laufpass gegeben hat, ist er allerdings auch seine einzige Hoffnung auf ein besseres Leben. Virginie Efiras blonde und kluge PR-Managerin Caroline hat viel Gelegenheit zur verbalen Zähmung von Machos, aber auch dazu, Momo so zu achten, wie sie selbst geachtet werden möchte. Die drei treten gegen den fremdenfeindlichen Trainer und den erfolgssüchtigen Weltmeisterschaftsveranstalter Darcy an. Den einen macht die Verbohrtheit zum Spott, den anderen seine Selbstgefälligkeit. Für die Komik sorgen die Streiche, mit denen die Sympathieträger um der Selbstbehauptung willen die fiesen Absichten der vermeintlich Mächtigen durchkreuzen.
Der andere große Trumpf des Films ist das Spiel. Boule bzw. Pétonque wird zu einer rasanten Metapher dafür, dass französische Tradition erneuerbar ist und die Schwachen ganz stark werden können. Stil und Sujet fusionieren hier zum großen Kino. Die vermeintliche Freizeitbeschäftigung für übergewichtige Herren im Platanenschatten wird fesselnd und spektakulär in Szene gesetzt. Wenn Momo „die Qualle macht“, wenn er seine Kugel in die Luft wirft, damit sie treffsicher mitten unter die gegnerischen Kugeln platzt, sie in alle Richtungen zerstreut und neben dem Zielbällchen liegenbleibt, möchte man am liebsten einen Pétonque-Kurs buchen. Bis dieser anfängt, kann man Momo und Jacky zujubeln.
Fazit: Die Multikulti-Komödie „Eine ganz ruhige Kugel“ punktet mit glaubwürdigen und liebenswerten Underdogs sowie hinreißend temporeichen Boule-Partien. Möglicherweise ist „Eine ganz ruhige Kugel“ so auch das bisher stimmigste und unterhaltsamste französische Plädoyer gegen Rassismus und für die gesellschaftlich Benachteiligten.