Israel, die besetzten Gebiete und Homosexualität. Drei Dinge, die in vielerlei Hinsicht für Konflikte sorgen. Israel hat weltweit einen liberalen Ruf im Hinblick auf die Rechte und die Lebensqualität von Homosexuellen. Neben der liberalen Gesetzgebung ist dafür vor allem der Status von Tel Aviv als die „Schwulenhauptstadt des Nahen Ostens" verantwortlich. Doch gleichzeitig geht die Toleranz der orthodoxen Juden und der muslimischen Araber gegenüber Schwulen und Lesben gegen Null. Wenn dann noch der Konflikt zwischen Israel und Palästina als weiteres Thema dazukommt, ist das ganz schön viel Stoff für einen Debütfilm. Doch dem israelischen Filmemacher Michael Mayer gelingt mit „Out In The Dark" ein überzeugendes Drama über die Liebe zwischen zwei Männern im Palästina-Konflikt. „Ein Schwanz ist ein Schwanz" heißt es einmal, da spielt die Herkunft keine Rolle. In der schwulen Gemeinschaft ist man solidarisch, während die Welt versucht, ihnen ihre Natur zu verbieten.
Der Psychologiestudent Nimr (Nicholas Jacob) und der Rechtsanwalt Roy (Michael Aloni) treffen sich in einem Schwulenclub in Tel Aviv. Es funkt sofort heftig. Doch Nimr ist im palästinensischen Ramallah zu Hause und so kann er nur heimlich über die Grenze, um seinen Freund zu treffen. Das ändert sich mit der Zulassung an der Uni von Tel Aviv und einem Passierschein, der ihm den Wechsel zwischen den Welten ermöglicht. In der israelischen Großstadt kann er jetzt mit Roy zusammen sein, doch zu Hause hat sein radikaler Bruder Nabil (Jamil Khoury) das Sagen. Nicht nur vor ihm muss Nimr seine Homosexualität verheimlichen. Dann verliert Nimr nach dem Tod eines palästinensischen Freundes und einem Erpressungsversuch des israelischen Geheimdienstes seinen Passierschein. Als auch noch seine Familie von seiner Homosexualität erfährt, steht Nimr vor dem Nichts. Roy versucht alles, um seinem Freund zu helfen, doch die Umstände wenden sich immer weiter gegen die beiden Liebenden.
Die Vielschichtigkeit von „Out In The Dark" wird bereits im Titel deutlich: „Out" sein, also das Schwulsein offen leben, ist an manchen Orten nur heimlich und im Dunkeln möglich, weil Gesellschaft und Familie diese Orientierung nicht akzeptieren. Palästina ist ein solcher Ort. Eine Flucht nach Israel bedeutet für Betroffene oftmals Obdachlosigkeit und weitere Probleme, was dennoch in Kauf genommen wird. Die ständige Heimlichtuerei, das Leben im Dunklen, spiegelt sich in den spärlich ausgeleuchteten Bildern, die Kameramann Ran Aviad zwischen Tel Aviv und Ramallah eingefangen hat.
Von der ersten Minute an zieht Mayer das Tempo an: Ein, zwei Blicke und die Anziehung zwischen Nimr und Roy ist da. Und dank der Chemie, die zwischen den Hauptdarstellern herrscht, wirkt diese auch überzeugend. Besonders bemerkenswert ist dies im Falle von Debütant Nicholas Jacob, da er im Gegensatz zu seinem in Israel populären Kollegen Michael Aloni („Policeman") ein Laie ist. Bedauerlich ist allerdings, dass die Sexszenen sehr verhalten inszeniert sind. Mehr Körperlichkeit hätte der ansonsten authentischen Darstellung gut getan.
Regisseur Mayer gelingt es, die so unterschiedlichen Aspekte zwischen dem Leben in Israel und in Palästina zu zeigen: Beim nächtlichen Grenzübertritt ist die Bedrohung jederzeit spürbar. Wenn Nimr anschließend in Tel Aviv im Bus sitzt und die Lichter der Stadt an ihm vorbeiziehen, ist seine Erleichterung spürbar. Und wenn er anschließend im Schwulenclub mit Freunden ausgelassen feiert, ist dies die pure Erlösung. Hier zeigt sich auch am deutlichsten, dass Mayer ein gutes Gespür für Atmosphäre hat.
Ganz offensichtlich haben sich die Recherchen, die Mayer in Israel und Palästina vornahm, gelohnt: Trotz der komplexen Konfliktlage und der dichten Geschichte entsteht nie das Gefühl einer überladenen Inszenierung. Das Ende ist trotz einer absehbaren Eskalation überraschend: Was bleibt, ist das Gefühl von großer Hilflosigkeit. Ein anderes, konsequenteres Ende wäre kaum denkbar. Zu deutlich hat Mayer in seinem bemerkenswerten Debütfilm die staatlichen und kulturellen Besonderheiten aufgezeigt, die so verworren erscheinen, dass die Menschen oft in ausweglosen Situationen zurück gelassen werden.
Fazit: Trotz seines komplexen Themas ist „Out In The Dark" weder überfrachtet noch plakativ. Durch überzeugende Darstellerleistung, authentische Bilder und eine geschickte Dramaturgie ist Michael Mayer ein emotionaler, packender Film gelungen.