Als ein „Need For Speed“-Kinofilm angekündigt wurde, stöhnten nicht wenige auf: „Nicht noch eine miserable Videospielverfilmung!“ Diese Skepsis ist angesichts einiger enttäuschender Game-Adaptionen durchaus verständlich, zudem ist die hier als Vorlage dienende Reihe zwar ein absoluter Mega-Seller, zeichnet sich aber nicht gerade durch inhaltliche Tiefe aus. Eigentlich geht es meist nur darum, mit verschiedensten Autos schneller als alle anderen zu fahren. Gibt es bei einzelnen Teilen doch mal eine Art Handlung, dann hat die nur Alibi-Funktion. Regisseur Scott Waugh bleibt diesem simplen Konzept beim Kinofilm treu und das geht überraschend gut auf - auch wenn man sich immer wieder wünscht, dass Autor George Gatins vielleicht doch etwas länger über die Story nachgedacht hätte, und der Film mit einer Laufzeit von 130 Minuten zu lang geraten ist. Dafür streut der Regisseur für die Fans immer wieder clevere Verweise auf die unterschiedlichen Teile der Spielevorlage ein und begeistert ansonsten vor allem mit handgemachter Action. Während die Autostunts und Verfolgungsjagden etwa in der „Fast & Furious“-Reihe mittlerweile völlig überdreht und over the top sind, gestaltet Waugh seine Rennszenen so, dass man sie trotz aller halsbrecherischer Virtuosität trotzdem noch irgendwie für realistisch halten kann – und gerade das bereitet besonderes Vergnügen: „Need For Speed“ mag rein inhaltlich bisweilen schwer zu ertragen sein, trotzdem bietet er ungemein spaßige Unterhaltung.
Seit dem Tod seines Vaters schmeißt Hobby-Rennfahrer Tobey Marshall (Aaron Paul) die familieneigene Autowerkstatt gemeinsam mit seinen besten Kumpeln, wobei ihm finanziell das Wasser bis zum Hals steht. Als ihm sein alter Erzrivale Dino Brewster (Dominic Cooper) anbietet, das schnellste je in den USA gebaute Auto zu tunen und ihn am Verkaufserlös zu beteiligen, schlägt er daher ein. Doch auf den Deal folgt ein illegales Autorennen, bei dem Dino den Tod von Tobeys Freund Little Pete (Harrison Gilbertson) verursacht, was er dem Konkurrenten in die Schuhe schiebt. Tobey muss ins Gefängnis und als er zwei Jahre später freikommt, kennt er nur ein Ziel: Rache! Über die smarte Britin Julia Maddon (Imogen Poots) besorgt er sich das einst von ihm selbst flott gemachte Wunderauto zurück und will damit bei dem von dem mysteriösen The Monarch (Michael Keaton) organisierten Geheimrennen The De Leon gegen Dino antreten. Doch um eine Einladung für das exklusive Event zu bekommen, muss er erst einmal die Aufmerksamkeit des Veranstalters erregen und quer durchs Land zum Startort rasen. Erschwert wird diese Aufgabe dadurch, dass Dino ein Kopfgeld auf Tobey ausgesetzt hat und nichts unversucht lässt, ihn zu stoppen.
Mit „Act Of Valor“ legte der langjährige Stuntman (u.a. „Der letzte Mohikaner“, „Mr. and Mrs. Smith“) Scott Waugh ein erfolgreiches Regie-Debüt hin. Der Army-Werbefilm ist zwar platteste Propaganda, wurde aber in den USA zum Kassenhit und für seine realistische Action gefeiert. Das Lob ist kein Zufall, schließlich setzte der Filmemacher in den großartig inszenierten Kampfszenen echte Soldaten ein. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt er nun bei „Need For Speed“: Die zahlreichen unterschiedlichen Autos, die hier zum Einsatz kommen - von historischen Muscle Cars bis zu High-Tech-High-Speed-Traumkarossen -, wurden in Zusammenarbeit mit Autofirmen und -Entwicklern (nach)gebaut, beim Dreh heizte man tatsächlich mit ihnen über die Straßen und schließlich wurden sie vor der Kamera stilecht zu Schrott gefahren. Dass die Action in „Need For Speed“ somit gleichsam „echt“ ist, das ist dann auch die besondere Qualität des Films. Schon die vielen extrem verschiedenen Automodelle erinnern an die Spielevorlage, in der es immer wieder das Ziel des Spielers ist, möglichst viele unterschiedliche fahrbare Untersätze zu erlangen (siehe z.B. „Need For Speed: Most Wanted“). Auch sonst werden immer wieder einzelne Elemente der Spiele aufgegriffen, etwa wenn Tobey in bester „Need For Speed: Hot Pursuit“-Manier ein Verfolgungsrennen mit der Polizei provoziert.
Obwohl am Anfang der Steve-McQueen-Klassiker „Bullitt“ im Autokino läuft, erinnert „Need For Speed“ viel stärker an ein anderes Vorbild: Der Film ist eine große Verbeugung vor dem Stuntman und Regisseur Hal Needham und dessen Karacho-Spaß „Ein ausgekochtes Schlitzohr“. Der 2013 verstorbene Meister des Auto-Action-Kinos, der übrigens einst eng mit dem Vater von Waugh zusammenarbeitete, entwickelte spezielle Kameras für Auto-Actionszenen, die besonders eindrucksvolle Aufnahmen ermöglichten und zugleich die Sicherheit beim Filmen erhöhten. Waugh knüpft an diese Pioniertaten an und montierte seine Kameras ebenfalls auf und in Autos, die in Hochgeschwindigkeit über die Straßen brettern: So sehr mittendrin wie in „Need For Speed“ war man als Zuschauer noch nie, durch geschickte Perspektivwechsel lässt uns Waugh den Rausch der Geschwindigkeit spüren. Auch das kennen „Need For Speed“-Spieler im Ansatz bereits aus den diversen Versionen des Games mit ihren Ego- und Luft-Perspektiven. Das hat Waugh für den Film nun perfektioniert und fügt als Running Gag noch die Figur von Rapper Scott „Kid“ Mescudi hinzu, der als Benny Tobey mit immer neuen, teilweise auf absurde Weise erlangten Fluggeräten aus der Luft unterstützt und so den erzählerischen Vorwand für einige spektakuläre Aufnahmen aus der Höhe liefert.
Die Auto-Action steht bei „Need For Speed“ so klar im Fokus, dass der Rest vernachlässigt wird. Drehbuchautor George Gatins gelingt das „Kunststück“ einer Geschichte, bei der man als Zuschauer immer weiß, was in den nächsten zehn Minuten passiert und hinterher darüber den Kopf schüttelt, wenn es tatsächlich so gekommen ist. Wer mit den Maßstäben von Logik und Wahrscheinlichkeit an diesen Film herangeht, wird sich nur vergeblich den Kopf darüber zerbrechen, warum beispielsweise Tobeys Freunde in ihrem eigenen wesentlich bescheideneren Wagen mit dem angeblich schnellsten je gebauten amerikanischen Auto nicht nur mithalten, sondern sogar unterstützend vorauseilen können. Auch die Darsteller spielen nur die zweite Geige hinter den vielen Auto-Modellen, aber sie entledigen sich ihrer Aufgaben weitgehend routiniert. Aaron Paul spielt im „Breaking Bad“-Modus zwischen verzweifelt und wütend, Dominic Cooper („Captain America“) gibt einen schmierigen Bösewicht und eine gleich dreiköpfige Sidekick-Truppe sorgt für ein paar spaßige One-Liner. Am stärksten in Erinnerung bleibt allerdings wieder einmal Imogen Poots, die bereits in „A Long Way Down“ bestens mit Paul harmonierte und geschickt überspielt, dass ihre Figur bisweilen arg unmotiviert zwischen tough und ängstlich schwankt. Einzig Michael Keatons („Batman“) nur via Webcam gefilmter Autorenn-Guru, der Sprüche raushaut wie „Racers should race, cops should eat donuts”, ist dann doch etwas arg überzeichnet.
Fazit: „Need For Speed“ ist eine unterhaltsame Videospielverfilmung. Bei einer eventuellen Fortsetzung dürfen sich die Macher trotzdem gerne etwas mehr Mühe mit der Story geben.