Nicht nur angesichts des 25. Jubiläums des Mauerfalls herrscht kein Mangel an fiktionalen und dokumentarischen Verarbeitungen der jüngeren deutschen Vergangenheit. Gerade abseits der „offiziellen“ politischen Historie, gibt es weiterhin unzählige Geschichten zu erzählen, die sonst einfach unter den Tisch fallen würden. So ist selten von jenen Verlierern die Rede, denen eher unspektakulär etwas weggebrochen ist. Zu ihnen gehört Dragan Wende. Einst im Westberliner Nachtleben ein Star und die rechte Hand von Nachtclub-Zampano Rolf Eden, fristet er nun sein Dasein von staatlicher Hilfe und der Arbeit als Bordelltürsteher. In Dragan von Petrovics und Lena Müllers Dokumentarfilm „Dragan Wende – West Berlin“ bekommt der Zuschauer einen Einblick in dieses tragikomische Leben. Während die Archiv-Aufnahmen zu flotten Collagen montiert sind und das damalige Lebensgefühl gut vermitteln, ermüden die Szenen im Jetzt durch ihre Banalität.
Dragan war einmal das, was man in anderen Städten wohl eine „Kiezgröße“ nennen würde. Als Türsteher und Barmann in den Etablissements von Rolf Eden wurde er in der Szene bekannt wie ein bunter Hund. Der Sohn eines Gastarbeiters durfte aufgrund seines jugoslawischen Passes zudem ungehindert – also ohne Visum – in den Osten einreisen und machte mit illegalen Geschäften einen Reibach. Die Wende beendete das Paradies der 70er und 80er, geblieben ist das Zehren von zweifelhaftem Ruhm. Nun erhält er also Besuch von seinem Neffen, dem Kameramann Vuk Maksimovic, der als Kind in Jugoslawien von seinen Eltern jede Menge Anekdoten über den Onkel im aufregenden Berlin hörte und Dragan seither bewundert hat. Nun begleitet Vuk seinen Kindheitshelden in der deutschen Hauptstadt durch einen ernüchternden Alltag.
Die Faszination des Neffen für den Onkel ist deutlich spürbar, aber sie überträgt sich kaum auf den Zuschauer. Gerade Dragans Äußerungen in der mit einfachsten Mitteln gefilmten Gegenwart (die Aufnahmen erinnern zum Teil an ein Homevideo) sind äußerst banal. Er reflektiert seinen eigenen Werdegang kaum, auch was andere Vertreter der Halbwelt vor der Kamera der Filmemacher zu sagen haben, trägt nicht zur Vertiefung des Porträts bei. Es wirkt eher so, als würden auch die Co-Regisseure die (Selbst-)Stilisierung des Protagonisten fortschreiben wollen: Die Tristesse der Gegenwart bildet einen akzentuierten, aber kaum hinterfragten Kontrast zu den Passagen, die Dragans glorreiche Vergangenheit illustrieren. Der dazu rasant montierte Mix aus alten dokumentarischen Filmaufnahmen, Fotografien und Animationen, unterlegt mit einem knackigen Soundtrack, ist sehr gelungen. Nicht nur mit ihrer hohen Schnittfrequenz erinnern die atmosphärischen Ausflüge in die West-Berliner Glanzzeiten Dragans ein wenig an die Gangsterfilme von Martin Scorsese (mit einem Schuss „Boogie Nights“), aber die Überhöhung des Protagonisten zum Helden bleibt fragwürdig.
Fazit: „Dragan Wende“ ist ein mitunter interessanter, aber letztlich viel zu langer Einblick in das Leben eines Wende-Verlierers. Viel Leerlauf wechselt sich mit einigen gekonnt zusammengestellten Archivaufnahmen ab.