Auf der Suche nach bedrohlichen Bösewichten ist Hollywood stets dem Zeitgeist zugewandt und gleichzeitig moralisch nicht zimperlich. Wer ist aktuell die finsterste Figur im weltpolitischen Schachspiel? Nordkoreas Jung-Diktator Kim Jong-un natürlich. Und so sind es in Antoine Fuquas ultrabrutalem Terrorismus-Actioner „Olympus Has Fallen - Die Welt in Gefahr“ Kims düstere Landsleute, die God’s Own Country in Schutt und Asche legen wollen. Der seit seinem Afrika-Thriller „Tränen der Sonne“ bestens mit den Minenfeldern des brisant-fragwürdigen Blockbuster-Kinos vertraute Regisseur macht im wahrsten Sinne des Wortes keine Gefangenen: Beim existenziellen Kampf um den Erhalt der „freien Welt“ nehmen sich Freund und Feind ins Dauerfeuer. Das opferreiche Inferno ist im besten Fall actionreich-packend, aber dabei oft genug auch unangenehm einseitig und patriotisch verklärt. So hinterlässt es immer wieder ein Propaganda-Geschmäckle, wenn Gerard Butler in „Stirb langsam“-Manier letzten Widerstand „In The Line Of Fire“ leistet, um „Die rote Flut“ zu stoppen…
Mike Banning (Gerard Butler) ist ein ganz harter Hund mit butterweichem Herzen – und einer der besten Secret-Service-Agenten, die die Vereinigten Staaten von Amerika in ihrem Waffenarsenal führen. Dennoch kann der persönliche Beschützer des US-Präsidenten Benjamin Asher (Aaron Eckhart) nicht verhindern, dass die First Lady Margaret (Ashley Judd) eines schneeverwehten Wintertages nahe Camp David bei einem tragischen Verkehrsunfall umkommt. Banning wird zum Sündenbock gemacht und aus dem unmittelbaren Umfeld des Präsidenten entfernt. Aber 18 Monate später bekommt der an den Schreibtisch strafversetzte Agent in Washington D.C. seine Chance auf Wiedergutmachung: Eine kompromisslose und bestens organisierte Gruppe von nordkoreanischen Super-Terroristen unter Führung des skrupellosen Kang (Rick Yune) stürmt das Weiße Haus und bringt den Präsidenten samt Gefolge (u.a. Melissa Leo als Verteidigungsministerin) in ihre Gewalt, der südkoreanische Premierminister Lee (Keong Sim), der sich gerade sich auf Staatsbesuch in Washington befindet, wird kurzerhand exekutiert. Doch da gibt es ja noch Mike Banning, der sich aus seinem nahen Büro zum Weißen Haus aufgemacht hat, um seinen ehemaligen Boss zu retten. Er schießt sich den Weg frei und kann unbemerkt von den restlichen Terroristen im Gebäude untertauchen.
Eigentlich müsste „Olympus Has Fallen“ „White House Down“ heißen – denn das wäre der perfekt passende Titel für Antoine Fuquas Terrorismus-Thriller. Die Namensrechte für diese unverblümt reißerische Variante sind aber bereits an den schwäbischen Hollywood-Export und „Independence Day“-Macher Roland Emmerich vergeben, der mit ihr dann im Herbst 2013 auf Zuschauerjagd gehen wird. Für Gerard Butlers Mission wurde eine nahezu gleichbedeutende, aber etwas blumigere Alternative gefunden: „Olympus“ ist in der Geheimdienstsprache das Codewort für das Weiße Haus – und das wurde in dem hartgesotten-rotzigen Action-Reißer an Hightech-Terroristen verloren. Regisseur Fuqua („Training Day“, „Shooter“) versteht sich auf satte Action, dieses Können stärkt auch „Olympus Has Fallen“. Beeindruckend sind vor allem jene Szenen, in denen der physisch wieder einmal unglaublich präsente Gerard „300“ Butler („Movie 43“, „Das Phantom der Oper“) die Unholde im Nahkampf dezimiert. Das ist für die berserkernde Ein-Mann-Armee, die sich zum eingebunkerten Präsidenten durchschlägt, aber nicht die größte Herausforderung. Schließlich muss er im Alleingang nichts weniger als die Apokalypse verhindern, denn die Terroristen drohen mit der Auslösung eines atomaren Armageddon.
Der drohende Weltuntergang wurde schon wirkungsvoller in Szene gesetzt als hier. Obwohl das Budget mit 70 Millionen Dollar nicht gerade lumpig ist, macht „Olympus Has Fallen“ auf der Spezialeffekt-Ebene nämlich oft nur einen mäßigen Eindruck. Die günstig in Bulgarien produzierten CGI-Tricks, die den Angriff auf das Weiße Haus zu Beginn dominieren, sind einfach schwach. Sie wirken billig und nicht auf dem neuesten Stand. Von der kruden Machart dieser Szenen her ist der Film nicht allzu weit von jenen schnell heruntergekurbelten Direct-To-DVD-Produktionen entfernt, die sich in den Videotheken zuhauf finden. Auch das Drehbuch des Debüt-Duos Creighton Rothenberger und Katrin Benedikt entspricht in den Punkten Figurenzeichnung und Handlungsaufbau den gängigen Klischees. Fuqua geht es nicht darum, einen ernstzunehmenden Kommentar zur weltpolitischen Großwetterlage im Allgemeinen und zum Terrorismusproblem im Besonderen abzugeben. Der inhaltliche Anspruch des Films lässt sich kurz und knackig zusammenfassen: Es muss ordentlich krachen! Und es kracht gewaltig in „Olympus Has Fallen“: Oft kommt sich der Zuschauer angesichts der hohen Leichenberge vor wie in einem zünftigen Ballerspiel – ihm wird jedenfalls ein hohes Toleranzlevel in Sachen Leinwandgewalt zu Unterhaltungszwecken abverlangt.
Wenn die Terroristen die tapferen Amis zu Hunderten ummähen, dann ist das in seiner Brutalität und Aggressivität mehr als nur ambivalent. Die Demarkationslinie von Gut und Böse ist unmissverständlich gezogen, aber wenigstens wird der Feind nicht ausschließlich als Horde tumber Killermaschinen gezeichnet. Anführer Kang ist im Gegenteil ein schlauer Superfuchs, der die gesamte US-amerikanische Geheimdienst-Elite wie Amateure aussehen lässt – bis auf den patriotischen Brockenwegräumer Banning versteht sich. Rick Yunes („The Fast And The Furious“, „The Man With The Iron Fists“) Bösewicht ist wesentlich interessanter als der Rest der nordkoreanischen Gang, die bis auf einen Verräter aus Reihen der Amerikaner gesichtslos bleibt.
Den mit unerschütterlicher Entschlossenheit agierenden Invasoren aus einer der letzten Bastionen des Kommunismus setzt Fuqua beschwörend-pathetische Bilder und Töne entgegen. Immer wieder sind trotzig wehende US-Flaggen zu sehen, dazu erklingt die martialische Musik von Trevor Morris („Krieg der Götter“). Nach dem erbarmungslosen Überrumpelungsangriff scheint das amerikanische Selbstverständnis (ähnlich wie nach den Angriffen vom 11. September 2001) zunächst ernsthaft erschüttert zu sein, aber es folgt alsbald die totale patriotische Mobilmachung. Diese Stars-&-Stripes-Einfärbung mag man als störend empfinden, aber mit Butler hat „Olympus Has Fallen“ einen charismatischen und durchaus vielschichtigen Helden, außerdem ist die radikale Konsequenz, mit der Regisseur Fuqua seine knüppelharte Linie durchzieht, für Genrefans eine wohltuende Abwechslung in Zeiten weichgespülter und auf Familientauglichkeit getrimmter Blockbuster. Die ironische Pointe liefert der schottische Hauptdarsteller allerdings hinter den Kulissen, denn Butler ist ein Vorstandsmitglied der Vereinigung Artists For Peace And Justice (Künstler für Frieden und Gerechtigkeit). In „Olympus Has Fallen“ kämpft der Schauspieler nun mit der groben Keule für seine Werte: Kopfschüsse für den Weltfrieden.
Fazit: Antoine Fuqua öffnet die Tore zur Hölle. Sein „Olympus Has Fallen“ ist kein cleverer Polit-Thriller und auch kein realistisches Terror-Drama, sondern ein extrem brutaler und wirklichkeitsfremder, aber zumindest streckenweise packend inszenierter B-Actioner: ein filmgewordenes Ballerspiel.