Seit Dwayne Johnson nicht mehr für die WWE im Ring steht, sondern als Star in bevorzugt mit Action und Humor vollgepackten Hollywoodblockbustern auftritt, hat es der 1,96-Meter-Hühne schon mit so ziemlich jedem erdenklichen Schreckensszenario aufgenommen: Neben den üblichen machtbesessenen Schurken („Fast & Furious 7“) haben dem muskelbepackten Ex-Wrestler mit dem Lächeln eines Teddybären auch schon Erdbeben („San Andreas“), ein genmanipulierter fliegender Riesenwolf („Rampage“), ein verfluchtes Videospiel („Jumanji“), teuflische Zauberer („The Scorpion King“) und Sozialstunden im Feenreich („Zahnfee auf Bewährung“) nichts anhaben können. Dennoch treten bei der immer ähnlichen Erfolgsformel langsam erste Ermüdungserscheinungen auf und „Baywatch“ bewies im vergangenen Jahr, dass auch Johnson zwar jeden und alles retten kann – nur eben keinen wirklich schlechten Film.
In „Skyscraper“ ist es nun ein brennender Wolkenkratzer, der Johnson sein ganzes Können – ob menschenmöglich oder nicht – abverlangt: Als das erste Plakat zum Film erschien, ließen es sich einige Kommentatoren nicht nehmen, den dort abgebildeten Mega-Stunt, auf dem der Schauspieler von einem Kran auf das offene Fenster eines Wolkenkratzers zuspringt, auf seine physikalische Glaubhaftigkeit zu überprüfen - und kamen dabei zu dem eindeutigen Schluss, dass nicht einmal Dwayne Johnson ein solcher Sprung gelingen könnte. Doch schon Bruce Willis hat in „Stirb langsam“ gezeigt, dass die pure Logik auch bei guten Actionfilmen nicht unbedingt im Vordergrund stehen muss. Der Klassiker von 1988 (für uns der zweitbeste Actionfilm aller Zeiten) stand offensichtlich Pate für „Skyscraper“, den Regisseur Rawson Marshall Thurber („Wir sind die Millers“) als visuell spektakuläres Gaga-Vergnügen inszeniert, dessen physikalischen Irrsinn das Plakat tatsächlich schon ganz gut ausdrückt.
Seit der Kriegsveteran Will Sawyer (Dwayne Johnson) bei einem Einsatz ein Bein verloren hat, verdingt er sich als Sicherheitschef im The Pearl, dem höchsten Haus der Welt, das mehr als 240 Stockwerke umfasst. Gemeinsam mit seiner Frau Sarah (Neve Campbell) und seinen Kindern Henry (Noah Cottrell) und Georgia (McKenna Roberts) bewohnt er außerdem eine komplette Etage des Gebäudes, das als eines der sichersten der Welt gilt. Trotzdem gelingt es einer Handvoll Gangster, unbemerkt einzudringen und einen Großbrand zu legen. Das eigentliche Ziel: ein im Besitz des Tycoons Zhao Long Ji (Chin Han) befindlicher wertvoller Gegenstand! Dabei haben die Ganoven die feurige Rechnung allerdings ohne Will gemacht: Als seine Familie wider Erwarten noch im Gebäude ist und in den Flammen umzukommen droht, setzt er alles daran, sie zu retten - und erklimmt dafür ein vermeintlich unüberwindbares Hindernis nach dem anderen…
Die Story von „Skyscraper“ passt auf eine Briefmarke: Ein Mann muss seine Familie aus den Händen brutaler Verbrecher befreien – und zwar aus einem brennenden Gebäude, das sage und schreibe einen Kilometer (!) hoch ist. Dabei ist es letztendlich völlig egal, welche Motive die Klischee-Schurken denn nun haben. Sie gucken grimmig drein, haben schweres Geschütz dabei und fackeln nicht lange, wenn es darum geht, Will davon zu überzeugen, für sie ihre Arbeit zu machen – und notfalls drohen sie halt einfach damit, seine kleine Tochter vom Dach des Hochhauses zu schmeißen. Das aktuelle Objekt der Begierde ist dabei mal ein Tablet-PC, mit dem sich die komplette Sicherheitsanlage des Hotels fernsteuern lässt (!) und mal ein USB-Stick mit Bankverbindungen, der sie alle der Geldwäsche überführen würde. Doch egal wer es in „Skyscraper“ gerade auf wen oder was abgesehen hat, am Ende hat all das sowieso nur einen Zweck: Dwayne Johnson möglichst spektakuläre Dinge tun zu lassen, die in der realen Welt so ganz sicher nicht möglich wären.
Dabei eröffnet der Film bereits auf einer ironischen Note: Gleich in der allerersten Kampfsequenz muss Johnson nämlich erst einmal ordentlich einstecken und zieht gegenüber seinem Widersacher klar den Kürzeren. Auch der erste von vielen halsbrecherischen Stunts, der besagte Poster-Sprung vom Kran ins Hotel, gelingt Johnson bloß mit Ach und Krach. Anders als seine bisherigen Rollen ist Will Sawyer nämlich zunächst ein ganz „normaler“ Mann, der erst im Angesicht der Katastrophe über sich hinauswächst – und amüsanterweise geht das wie schon in „Stirb langsam“ auch hier damit einher, dass er sich nach und nach seiner seine Muskeln verdeckenden Klamotten entledigt.
Wer übrigens glaubt, dass der auf dem Plakat und im Trailer zelebrierte Mördersprung den stunttechnischen Höhepunkt von „Skyscraper“ markiert, der irrt gewaltig: Die Macher fahren im Laufe der 104 Minuten immer wahnwitzigere Ideen auf, mit welchen Hindernissen es der Protagonist in der 240-stöckigen Flammenhölle noch zu tun bekommen könnte. Dafür lassen sie Will unter anderem die berühmt-berüchtigte Burj-Khalifa-Szene aus „Mission Impossible: Phantom Protokoll“ nachstellen – allerdings mit Klebeband (!!) statt Hightech-Handschuhen! Oder er hält eine zerbrochene Brücke nur noch mit seiner schieren Körperkraft zusammen.
Und ganz nebenbei hat der liebende Ehemann und Vater natürlich auch immer noch die passenden beruhigenden Worte für seine Familie bereit. Dass gerade dieser pathetische Aspekt nicht völlig ins ungewollt Komische abdriftet, liegt an zwei Dingen: Zum einen nimmt man Johnson die unbedingte Aufopferungsbereitschaft für seine Familie tatsächlich ab und zum anderen erweist sich „Scream“-Queen Neve Campbell in der Rolle seiner Frau als absolut würdige Ergänzung. Als ehemalige Soldatin kann Sarah nicht nur ebenfalls blendend austeilen, sie ist auch genauso smart, wenn es darum geht, ihre Kinder heile aus dem brennenden Gebäude zu bekommen. Und in letzter Sekunde vor irgendwas gerettet werden, muss sie auch nicht.
Während sich der Familienkitsch in engen Grenzen hält (irgendwann gibt es einfach nur noch Will und das brennende Gebäude), steht im Fokus von „Skyscraper“-Regisseur Rawson Marshall Thurber sowieso ganz klar die Optik. Schon bei der ersten Tour durch The Pearl bekommt man ein Gespür für die visionären und actionkompatiblen Ideen der Filmemacher, die das Innenleben des zum Großteil am Computer entstandenen Hochhauses penibel durchdesignt haben - üppige Parks, Wasserfälle, Luxus-Designerwohnungen und eine Kuppel mit Dutzenden nach innen und außen gerichteten 8K-Bildschirmen inklusive.
Vieles davon würde in der Realität zwar keinen Sinn ergeben, doch den Machern ist ein stimmungsvolles Setpiece eben wichtiger als die dahintersteckende Wohnlogik – und das gilt für das Publikum schließlich auch, wir wollen in das Haus ja nicht einziehen, sondern es möglichst spektakulär abfackeln sehen! Man kann sich an dem Interieur des The Pearl selbst dann einfach nicht sattsehen, wenn es schon längst lichterloh in Flammen steht. So lässt sich „Skyscraper“ – vor allem in 3D! – als das was er ist, nämlich ein Dwayne-Johnson-Starvehikel mit einem brennenden Fantasie-Hochhaus, ganz hervorragend genießen.
Fazit: Es gibt spaßigen Quatsch und schlechten Quatsch – und dank eines blendend aufgelegten Dwayne Johnson und einer spektakulären 3D-Optik gehört „Skyscraper“ klar zur ersten Kategorie.