Auf welchen großen Komödien-Regisseur der Deutsch-Belgier Sam Garbarski bei seinem neuen Film „Vijay und ich - Meine Frau geht fremd mit mir“ anspielt, ist offensichtlich. Wilhelm Wilder heißt seine Hauptfigur, ein aus Deutschland in die USA emigrierter Schauspieler – eine offensichtliche Verbeugung vor der ebenfalls nach Amerika ausgewanderten Regielegende Billy Wilder. Zu deren bekanntesten Werken gehört wiederum der unsterbliche Verwechslungsklassiker „Manche mögen's heiß“, den sich Garbarskis in seiner Komödie zum Vorbild nimmt. Sein Hauptdarsteller Moritz Bleibtreu schlüpft dabei allerdings nicht wie einst Tony Curtis und Jack Lemmon in Frauenkleider, sondern tarnt sich als Inder, auch der Ausgangssituation gibt Garbarski einen eigenen Dreh: Während die Verkleidung als Frau im Original einer romantischen Verbindung zwischen Curtis und seiner Angebeteten Marilyn Monroe im Wege steht, hat Bleibtreu gerade in seiner Maskerade als Inder Erfolg bei der Umworbenen – die neue Rolle ist hier die Bedingung für die Liebesbeziehung. Von dem Esprit und dem Witz Wilders sind Garbarski und sein Film trotz dieses netten Kniffs jedoch immer noch meilenweit entfernt. Der „Irina Palm“-Regisseur setzt auf leisen und beiläufigen Humor sowie auf selbstreflexive Nachdenklichkeit - dabei wirken seine Pointen jedoch meist allzu bemüht und so ist „Vijay und ich“ eine erstaunlich lahme Angelegenheit.
Schauspieler Wilhelm, genannt Will (Moritz Bleibtreu), wird 40 und ist todunglücklich. Aus der großen Karriere wurde nichts, stattdessen hampelt der New Yorker in einem überdimensionalen Hasen-Kostüm durch eine Kindersendung. In seiner Ehe mit der Psychiaterin Julia (Patricia Arquette) läuft schon lange nichts mehr und seine pubertierende Tochter Lily (Catherine Missal) respektiert ihn nicht. Und dann scheinen seine Familie, seine Freunde und seine Kollegen auch noch allesamt seinen runden Geburtstag zu vergessen. Wutentbrannt stürmt Will vom Set der TV-Serie, nicht ahnend, dass hinter den Kulissen gerade eine Überraschungsparty für ihn vorbereitet wird. Als ihm auf dem Heimweg der Wagen geklaut wird, ist der Tag (natürlich Freitag, der 13.) für ihn endgültig im Eimer. Aber es kommt noch schlimmer: Der Autodieb baut einen fatalen Unfall und nun hält alle Welt Will für tot. Das bringt den deprimierten Hasendarsteller auf eine Idee: Mit der Hilfe seines indischen Freundes Rad (Danny Pudi) verkleidet er sich als dessen Landsmann Vijay, um die eigene Beerdigung zu besuchen und so herauszufinden, was alle wirklich von ihm denken. Die frustrierte Julia fühlt sich schnell zu dem exotischen Fremden hingezogen und so lässt sich Will/Vijay auf eine Affäre mit seiner eigenen Ehefrau ein. Ein immer komplizierter werdendes Spiel von Lügen und Intrigen beginnt…
Während bei vergleichbaren Transformationen in anderen Filmen (man denke an Dustin Hoffman in „Tootsie” oder an Robin Williams in „Mrs. Doubtfire”) trotz aller Wiedererkennbarkeit einiger Verkleidungsaufwand getrieben wurde, der die mehr oder weniger absurde Prämisse leicht akzeptierbar machte, ist Moritz Bleibtreu als Vijay einfach Moritz Bleibtreu mit Turban: Eine rasierte Brust, ein stereotyper Akzent, neue Kleidung und etwas dunklere Haut reichen hier für die Verwandlung. Dass Wills Frau selbst beim Sex nicht erkennen soll, dass sie es mit ihrem langjährigen Gatten und nicht mit einem exotischen Asiaten zu tun hat, glaubt kein Mensch. Und dass neben Julia auch Wills Agent („Die Sopranos“-Star Michael Imperioli in einer überflüssigen Nebenrolle) den Pseudo-Inder partout nicht erkennt, dessen Tochter und der demente Vater (in einem Mini-Auftritt: Michael Gwisdek) die Charade aber sofort durchschauen, muss man einfach hinnehmen. Regisseur Garbarski geht über solche Details und Zusammenhänge in aller Regel einfach hinweg, wodurch immer wieder der Eindruck von erzählerischer Beliebigkeit entsteht. Aber hinter dieser Nonchalance steckt System und in den besten Momenten erreicht Garbarski gleichsam im Vorbeigehen eine köstlich-entlarvende Absurdität. Das gilt besonders für Wills Inspiration zum Identitätswechsel: Sein Kumpel Rad betreibt ein indisches Restaurant mit Immigranten aus Südamerika und Osteuropa als Angestellten, die sich jedoch als Inder verkleiden müssen. Er macht dies aber nicht etwa, weil dieses Personal billiger wäre, sondern weil er Angst hat, dass ein echter Inder ihm seine Geheimrezepte klaut und ein eigenes Lokal eröffnet…
In „Vijay und ich“ stecken viele durchaus clevere Ideen, gewichtige Themenfelder wie kulturelle Identität und Vorurteile, Selbsttäuschung sowie die Entfremdung in Familien werden hier zumindest angerissen. Doch das geschieht in einer für Komödien allzu nüchternen Art, die Lust am Errichten und am Einreißen des elaborierten Lügengebäudes vermittelt sich hier kaum einmal – von erzählerischem Schwung keine Spur. Der Film wirkt mitunter so, als wollte der Regisseur mit den Zutaten einer Verwechslungskomödie ein Arthouse-Drama im Stil seines Festival-Hits „Irina Palm“ fabrizieren. Moritz Bleibtreu ist als falscher Inder hauptsächlich mit seinem Akzent beschäftigt und wirkt als Will angemessen orientierungslos, ohne daraus komische Funken schlagen zu können. Patricia Arquettes („True Romance“) Rolle als Ex-Gattin mit Tomaten auf den Augen, die ironischerweise auch noch als Therapeutin arbeitet, ist wiederum viel undankbarer als es sich anhören mag. Nur eine einzige starke Szene haben ihr Garbarski und seine Co-Autoren ins Drehbuch geschrieben: Wenn Julia endlich hinter die wahre Identität ihres Lovers kommt, sitzt sie auf der Couch und versucht sich einzureden, sie habe von Anfang an Bescheid gewusst. Die Momente, in denen der falsche Inder erkannt wird, gehören ohnehin zu den Höhepunkten des Films, etwa wenn Wills Tochter ihrem getarnten Vater zum Schein sexuelle Avancen macht und ihn mit Geschichten von angeblichen Drogen- und Sexexzessen schockiert.
Fazit: Auch wenn es bewundernswert ist, wie wenig sich Regisseur Sam Garbarski um die logischen Klippen einer Verwechslungskomödie schert, so fehlt „Vijay und ich - Meine Frau geht fremd mit mir“ trotz netter Einfälle und Einzelszenen der Schwung für einen gelungenen Filmspaß.