Von den Eltern vergessen wehrte sich Macaulay Culkin in „Kevin - Allein zu Haus" mit allerhand ausgeklügelten Streichen gegen zwei vertrottelte Einbrecher. Chris Columbus' Komödie avancierte zum großen Erfolg, fand mit „Kevin - Allein in New York" schnell die erste von mittlerweile drei Fortsetzungen und flimmert inzwischen regelmäßig zu Weihnachten über die Bildschirme. Nun erlebt er eine merkwürdige Neuinterpretation: Für „The Aggression Scale" nahm sich Regisseur Steven C. Miller („Run for Blood") das Grundkonzept der „Kevin"-Filme zur Brust, drehte es einmal beherzt durch den Fleischwolf und serviert eine blutige Erwachsenenversion des Familienklassikers. Wer ein erhöhtes Maß an Schadenfreude mitbringt und nicht zu viele Fragen nach Logik und Wahrscheinlichkeit stellt, für den ist „The Aggression Scale" wie gemacht. Denn unter diesen Voraussetzungen macht der fiese Home-Invasion-Thriller durchaus Laune.
Reg Bellavance (Ray Wise) ist richtig sauer. Gerade ist der Gangsterboss auf Kaution entlassen worden und hat nun 48 Stunden Zeit, unbemerkt das Land zu verlassen. Alle Koffer sind schon gepackt, da fällt ihm auf, dass jemand seine mit 500.000 Dollar prallgefüllte Urlaubskasse geplündert hat. Wutentbrannt trommelt er das Team des Auftragskillers Lloyd (Dana Ashbrook) zusammen, das sich umgehend auf die Suche nach dem verschwundenen Geld macht. Um den Kreis der Verdächtigen etwas einzugrenzen, hat Reg eine Liste erstellt, auf der alle Personen stehen, die sich an dem Geld vergriffen haben können. Auch Bill Rutledge (Boyd Kestner) steht auf besagter Liste und tatsächlich: Für ein schickes Eigenheim auf dem Lande hat er sich beim Gangsterboss bedient. Böser Fehler. Als Lloyd und seine Bande bei der neuen Residenz von Bills Patchwork-Familie eintreffen, ist dessen Sohn Owen (Ryan Hartwig) (fast) allein zu Haus. Doch der Teenager erweist sich als äußerst wehrhaft. Mit List und Tücke macht er der Verbrechertruppe das Leben zur Hölle und tut alles, um sich und seine neue Schwester Lauren (Fabianne Therese) zu retten...
Regisseur Steven C. Miller weiß genau, wo die Stärken seines Films liegen. Mit Nebensächlichkeiten hält er sich nicht lange auf und bereitet fix die Bühne für den großen Auftritt von Satansbraten Owen, der zwar nicht viel sagt – um genau zu sein, spricht er kein einziges Wort – dafür aber andere Qualitäten hat. Der sadistisch veranlagte MacGyver-Verschnitt – aus seiner Strafakte geht hervor, dass er auf der titelgebenden Aggressionsskala bedenkliche 99.5 von 100 möglichen Punkten erreicht – kann mühelos Schlösser öffnen, beherrscht medizinische Eingriffe und kann schwere Waffen bedienen. Seine Spezialität sind jedoch perfide Fallen: Ein auf Kniehöhe hervorschnellender Ast gehört ebenso zum Repertoire wie auf dem Fensterbrett angebrachte Teppichmesserklingen - und diese Hinterhalte sind im Vergleich zu dem, was Owen im großen Finale für die Eindringlinge in petto hat, sogar noch harmlos.
Mit den Maßstäben der Logik kommt man bei „The Aggression Scale" nicht besonders weit. Die Einbrecher verhalten sich ein ums andere Mal selten dämlich und lassen sich immer wieder mit simpelsten Taschenspielertricks ins Verderben locken. Wenn Owen in weiser Voraussicht eine Radkappe abmontiert, die ihm später auf wundersame Weise das Leben retten wird oder in Windeseile komplizierteste Fallen konzipiert, ergibt das ebenfalls nur bedingt Sinn. Doch wer sich davon den Spaß verderben lässt, sitzt schlicht im falschen Film. Schon eher fällt ins Gewicht, dass die Handlung nach kurzer Einleitung sehr monoton abläuft: Es wird schlicht eine Falle nach der anderen gestellt und die Angreifer tappen herein. Nach den ersten blutigen Attacken zeigt das Konzept von „The Aggression Scale" entsprechend bald merkliche Abnutzungserscheinungen. Erst im gewalttätigen Finale spielt Miller noch einmal alle Trümpfe aus und lässt Owen ein letztes Mal sämtliche Register seines moralisch bedenklichen Könnens ziehen.
Fazit: „Kevin - Allein zu Haus" für Erwachsene: „The Aggression Scale" bietet eine geballte Ladung blutiger Schadenfreude mit beachtlichem Unterhaltungswert, der jedoch vor allem im Mittelteil spürbar nachlässt.