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    Welcome to New York
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Welcome to New York
    Von Michael Meyns

    Die Nachricht ging um die Welt: Im Mai 2011 soll Dominique Strauss-Kahn, damals Chef des Internationalen Währungsfonds und designierter französischer Präsidentschaftskandidat, in einem Hotel in New York ein Zimmermädchen vergewaltigt haben. Die Anklage wurde zwar fallen gelassen, doch Strauss-Kahns politische Karriere war beendet. Es entstand das Bild eines sexhungrigen, skrupellosen Machtmenschen, das der streitbare New Yorker Regisseur Abel Ferrara nun als Vorlage für seinen neuen Film nimmt. Trotz einer eindrucksvollen, teilweise schmerzhaft freizügigen Darstellung von Gérard Depardieu in der Hauptrolle, funktioniert „Welcome to New York“ dabei als unentschlossene Vermischung von Doku-Drama, allegorischer Überhöhung und boulevardeskem Skandalfilm nicht durchweg.

    George Devereaux (Gérard Depardieu) liebt Sex. Als wichtiger Mann der internationalen Finanzwelt lebt der massige Mann in einer Welt des Luxus, umgeben von attraktiven Bediensteten, denen er ungeniert auf den Hintern starrt. In einer Nacht in New York feiert er zunächst zusammen mit zwei Kollegen eine Orgie mit zahlreichen Prostituierten, bestellt sich anschließend noch ein Duo aufs Zimmer und ist am Morgen noch nicht zufrieden: Ein Zimmermädchen (Pamela Afesi) überrascht ihn im Bad und wird von Devereaux oral vergewaltigt. Anschließend trifft er seine Tochter (Marie Mouté) zum Lunch und will zurück nach Frankreich fliegen. Doch noch am Flughafen wird er verhaftet und findet sich auf einmal in einer völlig anderen Welt wieder: einem Gefängnis in New York, wo er wie jeder andere Kriminelle behandelt wird und bald vor Gericht steht. Allein seine reiche Frau Simone (Jacqueline Bisset) scheint ihm helfen zu können.

    Ein Leben, wie gemacht fürs Kino: Dominique Strauss-Kahn, in Frankreich nur DSK genannt, ist mächtig, machtbewusst, bekannt für seinen kaum stillbaren sexuellen Hunger und stand kurz davor, als Kandidat der Sozialisten nächster Präsident Frankreichs zu werden, bevor er über die Vergewaltigungsvorwürfe stürzte. In Zuge dessen kamen etliche andere Vorwürfe ans Licht, die von sexueller Nötigung über Zuhälterei bis zur Massenvergewaltigung reichten und das Bild eines Mannes entstehen ließen, der keinerlei Skrupel hatte, wenn es um das Ausleben seiner sexuellen Gier ging. Eine gleichermaßen abstoßende, wie faszinierende Gestalt, die der New Yorker Skandalregisseur Abel Ferrara („Body Snatchers – Angriff der Körperfresser“) in den Mittelpunkt seines Films stellt – scheinbar aber ohne Recht zu wissen, wie er ihr begegnen soll.

    Zwar heißt DSK in „Welcome to New York“ Devereaux, doch es besteht kein Zweifel, über wen Ferrara erzählt: So wirkt sein Film auch teilweise wie ein Doku-Drama. Der Regisseur lässt Polizeibeamte, die bei DSKs Verhaftung dabei waren, sich selbst spielen, filmt in genau dem Stadthaus, in dem DSK seinen Hausarrest verbrachte und setzt am Ende gar – wie in einer Dokumentation – authentisches Material ein. Dies ist natürlich gerade deswegen durchaus fragwürdig, weil so auch die explizite Darstellung von DSKs bzw. Devereaux' sexuellen Exzessen, sein aggressives Benutzen von Frauen und schließlich auch die Vergewaltigung des Zimmermädchens als Tatsachen verkaufen werden, zumindest einen solchen Eindruck hinterlassen. Doch was genau in DSKs Hotelzimmer passierte, weiß natürlich auch Ferrara nicht. Mit seiner peniblen Nachzeichnung der Ereignisse lässt er allerdings keine Zweifel daran, an welche Version der Wahrheit er glaubt.

    Dafür hat er mit Kinolegende Gérard Depardieu („Cyrano von Bergerac“) einen wuchtigen Schauspieler zur Hand, der sich mit ganzem, wirklich ganzem Körpereinsatz in seine Rolle stürzt. Der koksende, vögelnde Harvey Keitel aus Ferraras bekanntestem Film „Bad Lieutenant“ ist nichts gegen den nackten Depardieu, der eine Prostituierte zu brutalem Oralsex drängt und dabei röhrt wie ein Elch. Depardieu liefert eine eindrucksvolle und schonungslose Darstellung, die in einem Film mit einem klareren Fokus noch besser aufgehoben gewesen wäre. Ferrara bleibt hier aber unentschlossen. Denn ob der Regisseur über die Verführbarkeit durch Geld erzählen will, wie es der Beginn seines Films andeutet, wenn zu einer ironischen Version von „America the Beautiful“ Gelddruckmaschinen und Goldbarren gezeigt werden, oder einen biographischen Film über DSK machen wollte oder vielleicht doch eine allegorische Studie über einen fiktiven Machtmenschen, bleibt offen. Am Ende ist „Welcome to New York“ ein bisweilen allzu fahriger Film, um wirklich eine relevante Position zur DSK-Affäre einzunehmen oder als Allegorie zu funktionieren. Doch Gérard Depardieu in seiner besten Rolle seit langem zu sehen, ist ein nicht immer schönes, aber eindrucksvolles Erlebnis.

    Fazit: Mit „Welcome to New York“ versucht sich Abel Ferrara an einer Mischung aus dokumentarischer Nachzeichnung der DSK-Affäre und allegorischer Überhöhung eines Machtmenschen. Das Ergebnis ist wenig fokussiert, überzeugt aber vor allem durch Gérard Depardieus kraftvolle Darstellung.

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