Mein Konto
    Pixels
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Pixels
    Von Andreas Staben

    Als sich Josh Gad („Die Trauzeugen AG“) in einer der zahlreichen 80er-Jahre-Huldigungen, die Chris Columbus‘ „Pixels“ zu einem Nostalgietrip für alle popkulturaffinen Fourtysomethings machen, mit „Everybody Wants to Rule the World“ von Tears for Fears die Seele aus dem Leib singt, steht schon lange fest, wer in dieser Alien-Invasions-Familienfilm-Komödie die Welt regiert: die Nerds. Hier übernehmen jene blassen Jungs das Kommando, die vor rund 30 Jahren ihr komplettes Taschengeld in Arcade-Automaten versenkt haben, um den Highscore von „Pac-Man“, „Donkey Kong“ oder „Space Invaders“ zu knacken. Sie sind nie so ganz erwachsen geworden, trotzdem ist einer von ihnen (noch dazu einer mit Leseschwäche) inzwischen sogar Präsident der Vereinigten Staaten. Er sieht dem „King of Queens“ verdammt ähnlich und erweist sich in der Krise als genau der richtige Mann für den Job – eben weil er seine Kindheit und seine alten Freunde nicht vergessen hat. Kevin James („Der Kaufhaus Cop“) ist hier genauso in seinem Element wie sein „Kindsköpfe“-Kumpel Adam Sandler („Jack & Jill“). Sie sorgen in dem absurd-albernen Spektakel für Quatsch mit Herz, während „Game of Thrones“-Star Peter Dinklage mit irrer Perücke den zynischen Gegenpart verkörpert und Regieveteran Columbus („Harry Potter“, „Kevin – Allein zu Haus“) in einem ebenso unausgegorenen wie kurzweiligen Film für visuell beeindruckende Computerspiele-werden-Wirklichkeit-Action sorgt.

    Die beiden 13-Jährigen Sam Brenner (Anthony Ippolito) und Will Cooper (Jared Riley) sind sofort Feuer und Flamme, als im Sommer 1982 in ihrer Nachbarschaft die erste Spielhalle mit Arcade-Spielautomaten eröffnet. Vor allem Sam erweist sich als Naturtalent und wird bei der folgenden Weltmeisterschaft erst im „Donkey Kong“-Entscheidungsmatch vom kleinwüchsigen Großkotz Eddie Plant (Andrew Bambridge) besiegt, der sich selbst „Fireblaster“ nennt. Will sagt Sam eine große Zukunft voraus, aber 30 Jahre später ist er selbst (jetzt: Kevin James) der amerikanische Präsident, während sein Freund (jetzt: Adam Sandler) bei der „Nerd-Brigade“ arbeitet und Heimkinosysteme installiert. Als jedoch Aliens eine Militärbasis auf Guam angreifen und die Generäle machtlos sind, erkennt Sam das Muster des Arcade-Games „Galaga“ wieder: Die Außerirdischen haben ein damals ins All geschossenes NASA-Video mit Aufzeichnungen von der WM als Kriegserklärung missverstanden und attackieren nun die Erde in der Form zerstörerische Wirklichkeit gewordener pixeliger 80er-Jahre-Computerspiele. Will und Sam holen sich Verstärkung durch den paranoiden Ober-Nerd Ludlow Lamonsoff (Josh Gad) und der Präsident begnadigt schließlich auch Sams Erzfeind Eddie (jetzt: Peter Dinklage), den sie bei ihrem Kampf gegen den durch die Straßen New Yorks rasenden Riesen-Pac-Man gut gebrauchen können...

    „Pixels“ basiert auf einem zweiminütigen Kurzfilm des Franzosen Patrick Jean, die Macher haben sich aber offenbar auch von Klassikern wie „Ghostbusters“ und „Independence Day“ (einmal mehr werden berühmte Sehenswürdigkeiten attackiert und dann müssen eben sechs Weltwunder reichen) sowie von der „Futurama“-Folge „Geschichten von Interesse II“ inspirieren lassen. Anders als im Animationshit „Ralph reichts“ bekommen die Computerspielfiguren hier (fast) kein Eigenleben (abgesehen vom knuddeligen orangen Q*bert, der zum gar nicht so heimlichen Star der zweiten Filmhälfte avanciert), sondern dienen als bloße Verkörperung der außerirdischen Bedrohung. So knabbert der überdimensionierte Pac-Man schließlich sogar seinen Erfinder Dr. Iwatani (Denis Akiyama, der echte Iwatani ist kurz als Handwerker zu sehen) an, den die Menschen als Joker ins Spiel bringen. Der Reiz der Auseinandersetzung liegt ganz klar in der Verwandlung der groben unrunden Graphiken der Arcade-Spiele in ein dreidimensionales Spektakel. Dabei sind die leuchtenden Pilze und Schlangen der „Centipede“-Attacke visuell besonders gelungen, während die Jagd der Nerds auf Pac-Man, den sie in Mini-Coopern verfolgen, den rasanten Action-Höhepunkt darstellt. Die spätere „Donkey Kong“-Variante fällt dagegen nur optisch überzeugend aus und wenn schließlich eine ganze Armada verschiedener Spiele und Figuren (von „Tetris“-Blöcken über den Frogger bis zu einem Schlumpf) über die Stadt herfällt, herrscht mit voller Absicht eher gutgelauntes Chaos als Weltuntergangsstimmung.

    Während die wohldosierte Spiele-Action nicht nur den Arcade-Nostalgikern, sondern auch der Playstation-Generation gefallen dürfte, sind Josh Gads hyperaktive Albernheiten eher etwas für die Jüngeren, die mit Peter Dinklages Zynischer-Einzelgänger-mit-eigenwilligen-Vorlieben-Attitüde wiederum kaum etwas anfangen können: er will sich im Hotelzimmer mit Tennis-Ass Serena Williams und mit Martha Stewart, der Hausfrau der Nation, vergnügen. Und Adam Sandler spielt in den Szenen mit Kevin James und Michelle Monaghan („True Detective“) sowieso in seinem eigenen Film: Wenn Sam mit Will herumblödelt oder mit der frisch verlassenen Militärberaterin Violet flirtet, dann blitzt etwas von dem typischen großherzigen Sandler-Alltagshumor aus Filmen wie „Urlaubsreif“ auf und in den Szenen mit Violets Sohn Matty (Matt Lintz) baut er die Brücke zwischen den (Gamer-)Generationen. Was seinen Fans, die Sandlers vergangenen Film „Cobbler“ hierzulande gar nicht mehr im Kino sehen konnten, allerdings kaum genug ist, mag für die Verächter schon fast zu viel sein – so oder so gibt es in diesem Ensemblewerk jede Menge anderer Attraktionen und Kuriositäten wie etwa Ludlows versponnene Verschwörungstheorien („Kennedy hat zuerst geschossen“).

    Was die 3D-Action-Szenen an Extra-Profil gewinnen, fehlt hier den eindimensionalen Nebenfiguren. Brian Cox' („Troja“) Soldatenkarikatur ist Geschmackssache, köstlich ist allerdings der Moment, wenn er und sein Generalskollege Sean Bean („Der Herr der Ringe“) sich nach der „Centipede“-Attacke erleichtert in den Armen liegen. Auch wenn Violet auch nicht gerade komplex angelegt ist: Deutlich kompetenter als die Männer im Krisenstab ist sie allemal. Die Nerd-Welt ist dennoch durch und durch männlich, da wird nicht einmal vor der gänzlich unironischen Verwirklichung einer unreifen Jungen-Phantasie zurückgeschreckt: Die knapp bekleidete Spielefigur Lovely Lisa wird lebendig, die Pixel verwandeln sich in Fleisch und Blut, aber die arme Ashley Benson („Spring Breakers“) darf nicht ein einziges Wort sagen. Vielleicht wollen die Macher auch damit auf den Geist der 80er Jahre anspielen, dem einige Figuren noch nicht entwachsen sind. Die oberflächliche Dekade der Schmalzpopper und der Reaganomics bietet den Außerirdischen wohl nicht ganz zufällig die perfekte Tarnkulisse und für die älteren Zuschauer ist das Wiedersehen mit „Fantasy Island“, Hall & Oates oder Max Headroom gerade deshalb ein Vergnügen, weil man sie weit hinter sich gelassen hat.

    Fazit: „Pixels“ ist eine bunt-witzige Hollywood-Wundertüte mit beeindruckenden Effekten.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top