Der berühmte Forscher und Abenteurer Thor Heyerdahl war Nichtschwimmer. Das ist eine der erstaunlichen Tatsache, die man in Joachim Rønnings und Espen Sandbergs „Kon-Tiki" über den norwegischen Volkshelden erfährt. In dessen Heimat war das historische Drama ein Riesenerfolg und erlebte seine feierliche Premiere in Anwesenheit des Königspaars. Erzählt wird die Geschichte von Thor Heyerdahls legendärer Fahrt mit dem Floß Kon-Tiki, bei der er von Peru aus westwärts segelte, um seine Theorie zu untermauern, dass Polynesien zuerst von Südamerika aus besiedelt wurde. Die beiden Regisseure werfen mit geradezu kindlich unbekümmertem Schwung ein buntes maritimes Heldenepos auf die Leinwand, dabei trumpfen sie mit wunderbaren Naturbildern auf, überhöhen den wagemutigen Forscher Heyerdahl aber endgültig zum Mythos.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Zukunft vieler überlebender junger Männer ungewiss, das gilt auch für den norwegischen Forscher Thor Heyerdahl (Pål Sverre Hagen). In New York lernt er den Ingenieur Herman (Anders Baasmo Christiansen) kennen, der sich als Kühlschrankverkäufer über Wasser hält und nach einem Abenteuer lechzt. Diese Begegnung befeuert Heyerdahls Pläne einer Expedition, mit der er seine in Wissenschaftskreisen verlachte These beweisen will, dass Polynesien von Südamerika aus besiedelt worden sei. Mit dem Floß Kon-Tiki, das technisch den Transportmitteln jener vermeintlichen ersten Siedler nachempfunden ist, machen sich Thor, Herman und vier weitere Männer schließlich von Peru aus auf den Weg westwärts. Lediglich Heyerdahls Jugendfreund Erik (Odd-Magnus Williamson) kann segeln, zwei Crew-Mitglieder sind immerhin mit dem Funkgerät vertraut und eines weiß, wie man eine Kamera bedient. Die Fahrt ist abenteuerlich und voller Gefahren, auch Spannungen in der Besatzung bleiben nicht aus. Und als die „Kon-Tiki" nach 101 Tagen wohlbehalten Polynesien erreicht, wird Heyerdahl von der Nachricht empfangen, dass seine Frau, die er mit den Kindern im heimischen Lillehammer sitzengelassen hat, sich scheiden lassen will.
Auch wenn sich der echte Heyerdahl und seine Mitstreiter auf ihrer langen Fahrt durchaus gelegentlich gelangweilt haben dürften, im Film ist davon nichts zu merken. Mit seltsam unerschütterlicher guter Laune spielt Pål Sverre Hagen („Ich reise allein") Heyerdahl als unbeirrbaren Strahlemann, der sich regelmäßig mit einem großen peruanischen Krebs unterhält, der als blinder Passagier auf das Floß geraten ist und jeden Sturm ebenso gleichmütig übersteht wie der Forscher selbst. Unwetter und etliche Begegnungen mit allerlei Meerestieren sind temporeich und farbig in Szene gesetzt, hier werden die Urängste angesprochen, die auch jeder noch so abgeklärte Kinogänger in sich trägt. So gesehen ist ein Floß-im-Pazifik-Film eine ziemlich sichere Bank, denn auch wenn man von vornherein ahnt, dass es zum Beispiel irgendwann eine Haiattacke geben wird, ist es dennoch aufregend, wenn sie tatsächlich kommt.
So unausweichlich wie der Hai-Angriff kommt einem allerdings der gesamte Handlungsverlauf vor und das liegt längst nicht daran, dass die wahre Geschichte der Expedition vielen Zuschauern zumindest in groben Zügen bekannt ist. Dem einfallslos aufgebauten Drehbuch fehlt neben erzählerischer Phantasie entschieden die psychologische Tiefe, was zwar während der Meeres- und Actionszenen nicht sehr auffällt, aber bei der Vorgeschichte dafür umso stärker stört. So wirkt Heyerdahls mühsame Sponsorensuche etwa bloß wie eine dramaturgisch hilfreiche Übertreibung voller Klischees. Da Rønning und Sandberg die wiederum nicht ironisch auf die Spitze treiben, dringen sie auch nicht zu ihrem Kern vor und kommen dem Menschen Heyerdahl kaum auf die Spur. „Kon-Tiki" gehört ganz dem Helden, der hier reichlich unverhohlen und ungebrochen gefeiert wird.
Fazit: „Kon-Tiki" ist ein stark inszeniertes, aber inhaltlich bisweilen klischeehaftes Heldenepos über den norwegischen Forscher Thor Heyerdahl und seine legendäre Pazifikfahrt mit dem titelgebenden Floß.