Gerade die simpelsten Szenen offenbaren oft die größte filmische Meisterschaft. Man denke nur an die Tavernen-Szene aus „Inglourious Basterds“, in der Quentin Tarantino ein gemeines Trinkspiel zwischen den Helden und einem sadistischen Gestapomann genussvoll in die Länge zieht und die Spannung so mit einfachsten Mitteln an den Rand des Erträglichen treibt. Wenn ein solches inszenatorisches Bravourstück gelingt, vergisst der Zuschauer bald, dass da vordergründig lediglich ein paar Leute an einem Tisch sitzen und sich über Gott und die Welt unterhalten. Gelingt es hingegen nicht, macht sich schnell Langeweile breit – so zum Beispiel bei David A. Armstrongs Krimi-Kammerspiel „Pawn“: Der Raum ist begrenzt, die Konflikte sind vielfältig und die Wendungen gibt’s in schneller Abfolge – aber Spannung kommt trotzdem keine auf!
In einem unspektakulären Diner geht ein unspektakulärer Abend zu Ende. Wirt Charlie (Stephen Lang) bereitet den Feierabend vor und denkt an nichts Böses, als plötzlich drei zu allem entschlossene Gangster unter Führung des ruppigen Derrick (Michael Chiklis) das Restaurant stürmen, um den Tresor im Hinterzimmer auszuräumen. Als wäre die Situation nicht schon schlimm genug, spitzt sich der Konflikt noch weiter zu, als auch noch Polizist Will (Forest Whitaker) hereinplatzt. Bald fällt der erste Schuss und der erste Tote ist zu beklagen. Von da an läuft alles aus dem Ruder: Vor dem Haus versammelt sich schnell ein großes Polizeiaufgebot, während drinnen die Nerven blank liegen...
Die Handlung klingt geradlinig, ist sie aber gar nicht: Durch immer wieder eingestreute Flashbacks wird schnell klar, dass in dieser bedrohlichen Pattsituation nichts ist, wie es scheint, sondern jeder mindestens ein doppeltes Spiel treibt. Bei einem solchen möchtegern-cleveren Räuber-und-Gendarm-Kammerspiel muss wie bei einem Uhrwerk ein Rädchen ins andere greifen: Die Darsteller müssen trotz ständiger Richtungswechsel glaubhaft bleiben, der Drehbuchautor darf trotz ständig neu gemischter Karten nicht die Übersicht verlieren und der Regisseur muss die Spannung ständig hochhalten. Bei „Pawn“ hakt es zumindest in den Bereichen Skript und Regie! Denn mit dem bulligen „The Shield“-Star Michael Chiklis, „Avatar“-Bösewicht Stephen Lang, Oscar-Preisträger Forest Whitaker sowie „Goodfellas“-Legende Ray Liotta wurden zwar fraglos talentierte Darsteller an den Start gebracht - aber all ihr Charisma reicht nicht aus, um ihre drögen Rollen interessanter zu machen.
Die Schuld am Scheitern von „Pawn“ liegt also weniger bei den Darstellern, als vielmehr bei Drehbuchautor Jay Anthony White und Regisseur David A. Armstrong. Whites Skript bietet zwar einige schöne Ideen und es wird durchaus geschickt mit der Chronologie der Ereignisse jongliert, aber für die Feinheiten, die eine Geschichte erst rund machen, fehlt ihm jedes Gespür. Auch die Dialoge sind schwach, was in einem so redseligen Film natürlich doppelt schwer wiegt: Wo sich ein Quentin Tarantino sich in Fabulierfreude verliert oder ein David Mamet („Glengarry Glen Ross“) sich in Reduktion übt, fallen White nur Klischeephrasen ein, die von den Darstellern zwar mit Inbrunst, aber deshalb noch keinen Deut überzeugender vorgetragen werden.
Trotzdem hätte Armstrong mit etwas mehr Fingerfertigkeit und Inspiration noch etwas retten können - stattdessen liefert aber auch er nur unmotivierten Dienst nach Vorschrift und verschenkt dabei jede Gelegenheit, eigene Akzente zu setzen: Wenn Whitaker das Diner betritt und die bedrohliche Stille sowie die verängstigten Blicke ihn langsam ahnen lassen, dass hier etwas nicht stimmt, hätte die Szene das Zeug für einen schönen Spannungsmoment gehabt. Aber statt sich die Zeit zu gönnen, den Moment voll auszukosten, spurtet Armstrong gehetzt voran. Ähnlich lieblos spult er weitere potentielle Schockmomente ab, in denen zuvor groß eingeführte Figuren mal eben nebenbei das Zeitliche segnen. Entwickelt sich „Pawn“ dann in der zweiten Hälfte mehr und mehr zum Belagerungs-Thriller (böse Jungs drinnen, verhandelnde Cops draußen), reiht sich plötzlich ein abstruser Twist an den nächsten, so dass schnell der letzte Rest Spannung flöten geht. Bei so viel verschenktem Potential bleibt uns nicht mehr, als euch stattdessen lieber den ähnlich gelagerten, aber stimmig durchdachten „Ein riskanter Plan“ mit Sam Worthington ans Herz zu legen.
Fazit: Gut gedacht, schwach umgesetzt - „Pawn“ hat interessante Ideen und hochkarätige Darsteller, aber Regisseur David A. Armstrong macht daraus so gut wie nichts.