Cronenberg-Wochen beim Filmfestival in Cannes 2012: Während Vater David mit seiner Don-DeLillo-Verfilmung „Cosmopolis" im Wettbewerb seine Visitenkarte abgibt, ist Filius Brandon mit seinem Regiedebüt „Antiviral" in der Nebenreihe „Un Certain Regard" vertreten. Der Name Cronenberg steht für besonders boshafte Horror-Parabeln, in denen meist in blutrünstigen Bildern albtraumhafte Transformationen des Körpers beschrieben werden – quasi im Alleingang hat Cronenberg Senior mit Filmen wie „Die Fliege" oder „Videodrome" den Begriff Bodyhorror geprägt und gleichermaßen Genre-Fans und Feuilletonisten begeistert. Dabei hat er sich stilistisch immer wieder neu erfunden, während das Misstrauen dem Körper gegenüber geblieben ist: In „Eine dunkle Begierde" schließlich hat er die Horrorbilder seiner frühen Filme zugunsten einer intellektuellen Variante seines Hauptmotivs beiseitegelassen. Sohn Brandon an dieser Filmografie zu messen, das wäre im Prinzip unfair. Der versucht jedoch selbst offenkundig, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten – und inszeniert mit „Antiviral" einen mit Hommagen und Querverweisen vollgestopften Kunst-Horrorfilm, der wie ein verspätetes und wenig inspiriertes Vatertagsgeschenk daherkommt.
In einer nicht näher bezeichneten Zukunft hat der Starkult, dem wir in der Gegenwart frönen, immer absurdere Züge angenommen. Um den Promis nahe zu sein, reicht es nicht mehr, im Klatschmagazin zu blättern. Nein, manche wollen ihre Lieblingsstars wortwörtlich für sich vereinnahmen. Darüber ist eine Industrie entstanden: Den Popleuchten werden DNA-Proben entnommen. Die werden dann geklont, gestreckt und zahlungswilligen Kunden als Injektion, als ganz persönliche Dosis Starpower, verabreicht. Sich wie ein Star fühlen? Ein Schuss in die Vene macht's möglich! Einer dieser Geschäftsleute ist Syd (Caleb Landry Jones), ein Mann, der zwar auf der beruflichen Gewinnerstraße steht, dabei jedoch selbst von seinem „Produkt", dem Star Hannah Geist (Sarah Gadon), abhängig geworden ist. Dann wird plötzlich ein mysteriöser Virus im bereits in den Umlauf geschickten Hannah-Stoff entdeckt, der seine Opfer in den Wahnsinn treibt...
Brandon Cronenberg versucht sich in Gesellschaftskritik: Falsche Schönheitsideale, Starkult, Drogenmetaphern, Burnout und Medienkritik, das alles findet sich in seinem überfrachteten Horrorcocktail. Auf den ersten Blick scheint die Grundannahme dabei ganz selbstverständlich zu sein: „Promi-Sucht" geht auf die Kosten der geistigen Gesundheit. Bloß, es bleibt dann auch bei dieser Annahme. Ergründet werden die vielen Themen kaum. „Antiviral" ist ein bierernster und mit bedeutungsschwangerer Symbolik überladener Film, der in der Tradition kritischer Arthouse-Science-Fiction à la George Lucas' „THX 1138" stehen soll – von dort hat Cronenberg zumindest den sterilen, blendend-weißen Look entlehnt. Sicher, spannender als der x-te Teenie-Slasher ist das allemal. Dass Cronenberg dabei aber in so bemerkenswerter Offensichtlichkeit die väterliche Filmografie von „Rabid" über „Parasitenmörder" bis „Crash" durchzitiert, macht auch den direkten Vergleich mit diesen Filmen unumgänglich – und dem ist „Antiviral" einfach nicht gewachsen.
„Antiviral" ist vor allem ein mit aufgesetztem Kunst-Gestus präsentiertes und in seiner Kälte seltsam stimmungsarmes Stück Arthouse-Kino. Da mag Hauptdarsteller Caleb Landry Jones noch so verstört dreinschauen, da können noch so ausufernd wabernde Ambiente-Klangteppiche auf der Tonspur dröhnen – der Film bleibt eine spürbar kalkulierte Stilübung. Insbesondere eine bestimmte Traumsequenz, inszeniert im Stil eines Chris-Cunningham-Videos, sieht zwar interessant aus, ist aber so unschlüssig in den Film integriert, dass sie letztendlich doch nur selbstzweckhaft wirkt. „Antiviral" ist der Versuch, vor allem das frühere Schaffen des alten Cronenberg nachzuzeichnen. Dabei sind immerhin auch ein paar halbwegs stilechte Igittigitt-Momente in den Film gelangt, die tatsächlich recht eklig ausfallen. Ob der junge Cronenberg aber eine eigene Stimme als Filmemacher hat, wird er erst noch unter Beweis stellen müssen.
Fazit: Brandon Cronenberg eifert seinem Vater und Vorbild David nach, kann aber nicht mithalten: „Antiviral" ist ein so schick wie selbstgefällig inszenierter Kunsthorrorfilm, dem die thematische Durchschlagskraft und die formale Eigenständigkeit fehlt.