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    Cobweb
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Cobweb

    Die Jagd nach dem perfekten Filmende

    Von Janick Nolting

    Oft steht und fällt alles mit dem Ende. Es kann ein Werk rahmen, öffnen, schließen oder alles noch einmal in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen. Mit der Frage, wie man ein solches Ende, das mit festgefahrenen Sehgewohnheiten bricht, aber überhaupt ganz praktisch erreicht, beschäftigt sich Kim Jee-woon in einem waghalsigen neuen Spielfilm-Experiment. Der südkoreanische Regisseur, der für Genre-Perlen wie „A Tale of Two Sisters“ und „I Saw The Devil“ verantwortlich zeichnet, hat in „Cobweb“ nämlich gleich zwei Filme in einem inszeniert. Ihr Zusammenspiel miteinander gelingt allerdings nicht immer überzeugend.

    In den frühen 1970er-Jahren wird Regisseur Kim (Song Kang-ho) von Träumen heimgesucht. Filmszenen ereilen ihn im Schlaf, große Ideen, die er rastlos niederschreibt und die darauf warten, endlich auf Film gebannt zu werden. Sein bereits abgedrehtes Werk „Cobweb“ soll so perfektioniert werden und ein neues Finale erhalten. Aus einem gewöhnlichen Drama soll so ein radikales Meisterstück werden. Weil ihm aber die Bürokratie seiner Financiers sowie die staatliche Zensur im Wege stehen, entschließt sich Kim kurzerhand, das Unterfangen heimlich in die Tat umzusetzen…

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    Regisseur Kim (Song Kang-ho) tut alles, um das neue Ende für seinen Film doch noch zu drehen. Aber ist er wirklich genial? Oder einfach nur wahnsinnig?

    Kim Jee-woon inszeniert diesen künstlerischen Guerilla-Kampf als Rückzug in einen abgeschotteten Mikrokosmos. Die verschiedenen Gewerke der Künstlergesellschaft müssen im Studio zusammenfinden. Die Außenwelt sperrt man aus und klopft sie doch einmal an die Tür, verheißt das selten Gutes. Ein solches Meta-Kino, das von der Filmproduktion selbst erzählt, hat eine lange Tradition und ist nicht totzukriegen.

    Besonders beliebt sind dabei Stoffe, die Kunst und Chaos zusammendenken und das Scheitern und Abmühen auf dem Weg zum finalen Leinwandprodukt aufzeigen. In den letzten Jahren haben sich Filme wie „Casting“, „One Cut Of The Dead“ und sein Remake „Final Cut Of The Dead” oder auch Gaspar Noés psychedelische Miniatur „Lux Æterna“ genüsslich in den Wahnsinn gestürzt, der sich an einem Filmset so abspielen kann.

    Das altbekannte Chaos im Filmgeschäft

    Und das ist das Problem: Basierend auf dem Drehbuch von Shin Yeon-shick hat Kim Jee-woon große Schwierigkeiten, seinem Publikum bei diesem Einblick in das Filmbusiness noch irgendetwas zu zeigen, dass man nicht schon (zu) oft gesehen hat. Eifersüchteleien, private Krisen, eigensinnige, gekränkte Stars und allerlei technische Pannen lassen sich natürlich immer noch amüsant aufbereiten, wie man in „Cobweb“ sehen kann. Sie strotzen nur schnell vor Längen und empfundener Gleichgültigkeit, wenn es an originellen Ideen oder wenigstens hemmungslosem Exzess fehlt. Denn wenn man ehrlich ist: Dieser Film begibt sich zwar ins buchstäbliche Flammeninferno, aber bis dahin dreht sich die Eskalationsspirale äußerst gemächlich und bremst ihre ausschnitthaft und verstreut präsentierten Konflikte in über zwei Stunden immer wieder aus.

    Geschuldet ist dies auch der doppelten Erzählstruktur: Wiederholt wechselt „Cobweb“ zwischen Farbe und Schwarz-Weiß, lässt seinen Film im Film stationsartig ablaufen und unterbricht dann immer wieder dessen Illusion, um den Blick auf seine Entstehung im Studio zu richten oder Parallelen zwischen beiden Welten zu schaffen. Es gibt wunderbare Szenen in jenem Film im Film zu erleben, keine Frage! In einer großen Konfrontation gipfelt die gezeigte Melange aus Familiendrama, Romanze und psychologischem Thriller etwa in irrwitzigen Enthüllungen, die mit humoristisch übertriebenen Gesten aus dem Ensemble herausbrechen. Im Finale folgen zudem ein erstaunlicher Genre-Wechsel und Abstecher in den Monster-Horror.

    Zwischen Zensur und künstlerischer Radikalität

    Unter den Figuren, vor allem zwischen Künstler*innen und Zensurbehörde, die irgendwann in Form eines verpeilten Sittenwächters auftritt und möglichst viele Kommunisten im Film brennen sehen will, sorgen solche Einfälle natürlich für böses Blut. Und „Cobweb“ gibt sich alle Mühe, mit seinem Blick auf südkoreanische Filmgeschichte und darüber hinaus ein Plädoyer für eine freie, entfesselte, selbstbestimmte Kunst zu kreieren. Doch so erwartbar dieses Plädoyer gerät, so naiv und verklärend entfaltet es sich mitunter. „Cobweb“ gibt gerade vor, als gäbe es nur die böse Ideologie und Zensur hier und die reine, subversive Kunst als Gegenwelt dort. Als wären nicht gerade deren Verstrickung der eigentlich anregende Reflexionsprozess.

    Gerade der Meta-Blick, die Aufschlüsselung der Aktionen innerhalb und außerhalb der Filmillusion, bietet in dem Konzept an, tiefer in dieses Spannungsfeld einzutauchen! „Cobweb“ lässt hier jedoch erheblich frischen erzählerischen Wind vermissen. Zumal das Schwelgen im revolutionären Geist des Films im Film dann doch eher Produkt einer historischen Rückschau bleibt.

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    Der Film im Film ist in Schwarz-Weiß gedreht – und überrascht immer wieder mit plötzlichen Genrewechseln.

    Spannend, aufrüttelnd und anregend wird „Cobweb“ somit vorrangig dann, wenn das Chaotische des Drehs einmal einen Schritt zurücktritt, um seine Hauptfigur unter die Lupe zu nehmen. Es ist nämlich auch ein Film darüber, wie weit das Ego und verbissene Streben eines solchen visionären Großkünstlers gehen kann. Wie sehr kann er seine Macht nutzen oder missbrauchen? Welche rabiaten Methoden darf er anwenden, um aus seinem Cast die überzeugendste Leistung herauszukitzeln?

    Wo wird die Unterdrückung und Unfreiheit, die man an der einen Stelle kritisiert und unterwandern will, in anderer Form reproduziert? Wie lässt sich bei aller Radikalität dennoch eine Form von rücksichtsvoller Zusammenarbeit finden? Ein früherer Regisseur erscheint dabei als ebenso ermutigendes wie warnendes Gespenst. Bis zum Äußersten ist er einst gegangen, qualvoll verbrannt – und das alles nur für den perfekten Shot.

    Wer ist hier die Monster-Spinne?

    Wenn Regisseur Kim, den der südkoreanische Superstar Song Kang-ho („Parasite“) intensiv zwischen Undurchsichtigkeit, getriebener Konzentration und Verzweiflung verkörpert, nun plant, sein Finale in Echtzeit als Plansequenz zu inszenieren, brodeln Anspannung und Gefahr, dass sich die Feuer-Katastrophe wiederholen könnte. Stück für Stück scheint „Cobweb“ auf den völligen Kontrollverlust zuzusteuern. Nur bleibt der Film bei solchen kritischeren Fragen und Betrachtungen zu oberflächlich und zahnlos, was schlussendlich kaum zur produktiven Verunsicherung taugt. „Cobweb“ traut seinen Zuschauer*innen wenig Desorientierung zu. Aufgefahren werden zuvorderst Klischees, Abziehbilder und erwartbare Gags.

    Jedes noch so düstere Detail, etwa bezüglich einer Ausbeutung und ignoranten Behandlung von Arbeitskräften am Set, bleibt locker leichtes Entertainment. Zu seinem konsequenten Unbehagen und einem Selbstbewusstsein im Tonfall kehrt „Cobweb“ erst in der starken Schlussszene zurück. Dann, wenn eine Nahaufnahme des Protagonisten zutiefst ambivalente, undurchsichtige Gedanken nach außen trägt und das Bild einer Riesenspinne und ihres titelgebenden Netzes gleich mehrere, weniger optimistische Deutungsmöglichkeiten eröffnet.

    Fazit: Genrefilm-Spezialist Kim Jee-woon meldet sich mit einer amüsanten, diskussionswürdigen und ambitioniert verschachtelten Abrechnung mit den Hürden der Filmproduktion zurück. Über weite Strecken gerät sein satirischer Historienfilm aber zu abgedroschen in den Witzen und Konflikten sowie ernüchternd zahm im Umgang mit dem künstlerischen Gebaren, das er vorführt.

    Wir haben „Cobweb“ im Rahmen der Fantasy Filmfest Nights 2024 gesehen.

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