Ab und zu kommt es vor, dass die deutsche Übersetzung eines Filmtitels dem Zuschauer die Vorfreude darauf gründlich verdirbt. Zum Glück wurde für die kürzlich veröffentlichte Heimkinoausgabe von Jonathan Teplitzkys Film wieder auf den englischen Originaltitel The Railway Man zurückgegriffen, denn der ist alles andere als die seichte Schmonzette, welche die ursprüngliche deutsche Überschrift Die Liebe seines Lebens ankündigt.
Titel(anti)held Eric Lomax ist Eisenbahnfan. Er kennt sich bestens mit Kursbüchern und Fahrplänen aus, selbst seine Frau lernt der Kriegsveteran in einem Zugabteil kennen. Doch das eheliche Glück hält nicht lange an. Immer wieder wird er von Albträumen geplagt, woraufhin er sich mehr und mehr in sich zurückzieht. Im Zweiten Weltkrieg arbeitete er als Funker bei der britischen Armee und wurde samt seiner Einheit von den Japanern gefangen genommen. Er und seine Kameraden werden zum Bau einer Eisenbahnstrecke gezwungen, doch sie geben nicht auf und bauen heimlich einen Radioempfänger, um mehr über ihre Lage herauszufinden. Die Geheimpolizei kommt dahinter, Eric wird entführt und brutal gefoltert. Jahrzehnte später findet er heraus, dass sein einstiger Peiniger noch am Leben ist. Um das Kapitel endlich abzuschließen begibt er sich erneut an den Ort seiner Gefangenschaft.
Es ist eine Geschichte, die sowohl das Zeug zu einem gefühlvollen Drama, als auch zu einem knallharten Kriegsfilm hat. Irgendwie ist das Endresultat ein bisschen von beidem, eine eindeutige Zuordnung fällt schwer. Der ruhige Beginn mit der aufkeimenden Zuneigung zwischen Eric (Colin Firth) und seiner Frau (Nicole Kidman) wird vielleicht ein wenig zu ausführlich behandelt, aber trotzdem ein konzentriertes Porträt des traumatisierten Exzentrikers gezeichnet. Doch spätestens nachdem Lomax seinen ersten Alptraum erlebt und seine Frau Rat bei Ex-Kamerad Finlay (Stellan Skarsgård) sucht, nimmt die Handlung Fahrt auf.
Neben der spannenden wahren Geschichte und den oft von goldenem Sonnenlicht durchfluteten Bildern, die in krassem Kontrast zu dem Kriegsgeschehen stehen, lebt The Railway Man vor allem von seinen Darstellern. Colin Firth gibt dem introvertierten Soldaten ein Gesicht und zieht alle schauspielerischen Register. So vielschichtig und zerrissen sah man ihn zuletzt in Tom Hoopers Oscar-Hit The King's Speech, für den der Darsteller auch prompt mit der Auszeichnung als bester Hauptdarsteller geehrt wurde. Auch Jeremy Irvine (kriegserfahren aus Steven Spielbergs War Horse) als Erics jüngeres Ich überzeugt durch subtiles Spiel und eine glaubwürdige Kontinuität seines Charakters.
Nicole Kidmans Name macht sich gut auf dem Filmplakat, allerdings spielt sie hier höchstens eine Nebenrolle. Das zwar ganz okay, aber nicht allzu spektakulär. Ihre Figur hätte durchaus noch mehr hergegeben Der Schwede Stellan Skarsgård überzeugt in einer seiner selteneren Rollen als ebenfalls kriegsgeschädigter Sympathieträger und Freund Erics. Einer der besten Darsteller steht leider im Schatten seiner in der westlichen Welt bekannteren Kollegen: Hiroyuki Sanada spielt den von seiner Schuld beladenen und komplexer als auf den ersten Blick ersichtlich angelegten Takeshi Nagase mit einer erschütternden Intensität. Die Szenen zwischen ihm und Lomax entwickeln sich zu gnadenlosen Psychoduellen, bei denen bis zuletzt nicht klar ist, wie das Ganze ausgehen wird.
Das und die ungewöhnliche Erzählweise, die nach einer kurzen Eingewöhnungsphase eindrucksvoll zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Erics Gedankenwelt wechselt, lässt den Film zu einer ebenso gelungenen wie anspruchsvollen Auseinandersetzung mit einem wenig bekannten Kapitel der Geschichte werden. Mutig ist auch das Bekenntnis zur Versöhnung, anstatt das namenlose Grauen einfach stehen zu lassen.
Ein äußerst informatives halbstündiges MakingOf liefert noch allerhand Informationen über den größtenteils an Originalschauplätzen gedrehten Film und lässt sogar den echten Eric Lomax und dessen Frau zu Wort kommen.