Sie galt als eine der spektakulärsten Bahnstrecken der Welt. Aber nach der Eröffnung am 25. Oktober 1943 überdauerte die 415 Kilometer lange, auch Todeseisenbahn genannte Thailand-Burma-Linie nur knapp zwei Jahre, bevor sie durch das Luftbombardement der Alliierten im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Der Blutzoll für die Errichtung der Trasse war dabei astronomisch hoch: Mehr als 10.000 westliche Kriegsgefangene und ähnlich viele asiatische Zwangsarbeiter starben beim Bau. Die japanische Armee ließ die Männer selbst unter schwierigsten klimatischen Bedingungen ohne Gnade schuften. Regisseur Jonathan Teplitzky („Besser als Sex“) bereitet die Schrecken des Eisenbahnbaus, die auch schon in David Leans Meisterwerk „Die Brücke am Kwai“ eine große Rolle spielen, nun anhand eines Einzelschicksals auf: Sein romantisches, auf der Autobiografie „The Railway Man“ von Eric Lomax basierendes Schuld-und-Sühne-Drama „Die Liebe seines Lebens“ überzeugt mit ausgezeichneten Schauspielleistungen. Aber während der Plot in der ersten Hälfte vor sich hindümpelt, wird der wirklich spannende Teil der Geschichte erst unnötig spät angegangen.
1983: Eric Lomax (Colin Firth) ist kein Eisenbahn-Liebhaber, er ist ein Fanatiker! Sein ganzes Leben hat der Schotte diesem Hobby verschrieben: Die gesammelten Fahrpläne Großbritanniens kennt er mittlerweile auswendig. Auf einer seiner Reisen (natürlich mit dem Zug) lernt er die sympathische ehemalige Krankenschwester Patricia (Nicole Kidman) kennen. Die beiden verlieben sich und heiraten. Doch im Alltag verzweifelt Patricia zunehmend an den immer stärker hervortretenden dunklen Seiten ihres Ehemanns. Oft wacht er nachts nach furchtbaren Albträumen schweißgebadet auf, will dann aber nicht darüber reden. Erst von Erics Freund und Leidensgenossen Finlay (Stellan Skarsgard) erfährt Patricia schließlich die wahre Geschichte: 1942 gerät der junge Funktechniker Eric Lomax (Jeremy Irvine) in japanische Kriegsgefangenschaft und wird zum Bau der Thailand-Burma-Eisenbahn zwangsverpflichtet. Als die Gruppe der Gefangenen beim Bau eines improvisierten Funkgeräts erwischt wird, hat das für Eric als vermeintlichen Drahtzieher furchtbare Folgen…
In Deutschland kommt „Die Liebe seines Lebens“ nun erst eineinhalb Jahre nach seiner Premiere auf dem Filmfestival in Toronto 2013 in die Kinos – und wir können uns auch ganz gut vorstellen, woran das liegt, denn die Vermarktung des Films ist alles andere als einfach. Dafür spricht auch der täuschende deutsche Titel „Die Liebe seines Lebens“ – denn „The Railway Man“ (so der Titel im Original) handelt eben eigentlich nur nebenbei von der späten Liebe zu Patricia und vornehmlich von den Traumata, die Eric während des Zweiten Weltkriegs erlitten hat. Aber bis sich Jonathan Teplitzky endlich richtig bis zu diesem dramatischen Teil der Geschichte durchgekämpft hat, ist es für den Zuschauer fast schon zu spät, um noch groß Anteil zu nehmen: Zu lange plätschert die Romanze der grauen Mäuse Eric und Patricia Lomax in gediegener – wenn auch wundervoll fotografierter - Langeweile vor sich hin, ohne dass dem Publikum klar wird, was für eine Geschichte der Regisseur eigentlich erzählen möchte.
Es gibt zwar schon früh im Film einige eingestreute Rückblenden in die Kriegsjahre, aber die stören den Handlungsfluss eher, weil dem Zuschauer die Orientierung fehlt und er nicht weiß, dass das Kriegsgeschehen später das eigentliche Zentrum des Films ausmachen wird. Wenn dann der Fokus irgendwann doch auf die bedeutend interessantere Handlung im Jahr 1942 wechselt, stören wiederum die Sprünge in die Filmgegenwart der 80er Jahre. Erst im letzten Drittel entfaltet „Die Liebes seines Lebens“ seine eigentliche Stärke: Wenn Eric nach Thailand reist, um 40 Jahre nach Kriegsende seinen Peiniger Nagase (Hiroyuki Sanada) wiederzutreffen, prasseln die Gefühle ungebremst auf den Zuschauer ein. Der emotionalen Wucht dieses elektrisierenden Aufeinandertreffens kann man sich unmöglich entziehen.
Letztendlich sind es vor allem die Oscar-Preisträger Colin Firth („The King’s Speech“) und Nicole Kidman („The Hours“), die im Zusammenspiel mit den ebenso rauen wie betörend-schönen Bildern von Teplitzkys Stamm-Kameramann Garry Phillips dafür sorgen, dass die Aufmerksamkeit des Publikums in der ersten Hälfte nicht komplett flöten geht: Firth zeichnet das stille, zurückhaltende Porträt einer gequälten Seele – und das ohne jeden Anflug von falschem Pathos. Kidman ist hingegen in der 80er-Jahre-Handlung die dezent treibende Kraft und verleiht ihrer auf den ersten Blick völlig unscheinbaren Ehefrau-Figur eine überraschende innere Stärke.
Fazit: Jonathan Teplitzkys Verfilmung der Memoiren des britischen Kriegsgefangenen Eric Lomax braucht lange, um in Fahrt zu kommen. Aber der berührende Schlussakt entschädigt für den zuvor präsentierten Leerlauf.