Da können Drehbuchautoren noch so brillant texten, in der Regel stehen sie doch im Schatten der Regisseure, die ihre Skripts adaptieren. So erging es etwa Paul Schrader, der sich nach „Taxi Driver" und „Wie ein wilder Stier" von Martin Scorsese unabhängig machte und seine Geschichten fortan selbst umsetzte. Auch Oliver Stone konnte es irgendwann nicht mehr ertragen, dass „Scarface" immer nur als Brian De Palmas Geniestreich angesehen wurde. Quentin Tarantino hat nach schlechten Erfahrungen bei „True Romance" und „Natural Born Killers" höchstens noch seinen Buddy Robert Rodriguez an seine Bücher gelassen oder sich gleich selbst um die Umsetzung gekümmert. Zuletzt wechselte „The Departed"-Autor William Monahan vom Schreibtisch auf den Regiestuhl und drehte nach eigenem Skript „London Boulevard". Jetzt reiht sich der Südkoreaner Park Hoon-Jung ein in die Riege der Autoren, denen das geschriebene Wort nicht länger genügt. Zuvor zeichnete er für die Vorlagen zu gleich zwei Korea-Blockbustern verantwortlich, die im Ausland auf großes Interesse und Kritiker-Wohlwollen stießen: Park war es, der den fesselnden Plot zu Kim Jee-woons Psycho-Thriller-Meisterwerk „I Saw the Devil" und den verschachtelten Polizei- und Polit-Thriller „The Unjust" für Ryoo Seung-wan ausgeheckt hat. Mit „Swordbrothers" feiert er seinen Einstand als Regisseur – leider nur mit durchwachsenem Erfolg.
Wir schreiben das Jahr 1619. Auf den Schlachtfeldern der Mandschurei stehen sich die Krieger aus Joseon und das Heer der Ching-Dynastie gegenüber. Dann bricht der Winter ein und kaum jemand hofft noch, seine Heimat jemals wiedersehen zu dürfen. Nach einem erbitterten Gemetzel finden sich die Aristokraten Heon-myung (Park Hee-Soon) und Do-yeong (Jin Goo) als einzige Überlebende zwischen Hunderten von Leichen wieder. Mit letzter Kraft schleppen sich beide durch die Schneewüste zu einem leerstehenden Wirtshaus im Nirgendwo. Hier wollen die Offiziere Rast machen, ihre Wunden lecken und schließlich weiterziehen. Dort angekommen stellen sie jedoch fest, dass auch der vor kurzem desertierte Soldat Doo-soo (Ko Chang-Seok) hier Zuflucht sucht. Zu dritt verbringen sie bei einem Feuer die Nacht, in deren Verlauf sich lange unterdrückte Feindseligkeiten Bahn brechen. Eine jahrelange Rivalität hat aus einstigen Freunden Heon-myung und Do-yeong verbitterte Feinde gemacht – und auch auch der einfach gestrickte Doo-soo gerät wider Willen zwischen die Fronten der entflammten Feindschaft...
Wer bei dieser Story und diesem Titel (im Ausland heißt Parks Film „The Sowdown" oder „Bloody Fight") nun einen Martial-Arts-Schwertkampfreigen erwartet, wie er im Filmland Südkorea fast im Akkord produziert wird – man denke nur an fetzige Streifen wie „Musa" oder „The Legend of Goemon" –, wird hier nicht fündig werden. Nach einem ruppigen Auftakt im verschneiten Schlachtengetümmel setzt Park den Fuß auf die Bremse. Auch wenn so manches mal die Schwerter gezückt werden – eingesetzt werden sie später selten. „Swordbrothers" ist wieder aller Erwartung ein verknapptes Kammerspiel. Ein Raum, drei Männer, reichlich Konflikte: das war es, was Park hier gereizt hat. Bis die unterschiedlichen Männer jedoch aufeinandertreffen, ziehen erst einmal 20 Minuten ins Land. Im weiteren Verlauf der 111 Filmminuten wird der enge Raum dann bloß noch für Flashbacks verlassen.
Park gibt sich Mühe, immer wieder frische und spannende Winkel für die übersichtliche Szenerie zu finden. Eine Zeit lang gelingt ihm das. Doch Park ist nicht Roman Polanski und „Swordbrothers" nicht „Der Tod und das Mädchen" ist. Polanski hat seinerzeit bewiesen, wie packend ein Kammerspiel sein kann und wie schnell dabei zwei Stunden verfliegen können. Park dagegen verlangt seinem Publikum reichlich Sitzfleisch ab. Nein, aufregend ist es nicht, was dem Auge hier geboten wird. Die Rückblenden, die neben der Exposition wohl auch Abwechslung besorgen sollten, fallen gestalterisch trübe aus, wirken sie doch wie aus einem biederen 08/15-Historienschinken herausgeschnitten. Überhaupt ist das Flashback-lastige Hin und Her in Parks Skript ein Problem. Der Debüt-Regisseur hat durchaus ein Händchen dafür, langsam und stetig die Schlinge enger zu ziehen und mit den Sympathiezuweisungen zu spielen, wenn er Stück für Stück mit Informationen rausrückt, die seine Figuren plötzlich in neuem Licht erscheinen lassen.
Doch gerade die sich langsam entfaltende Komplexität der Ménage à trois wirkt bald arg protzerisch und selbstzweckhaft. Auf halber Spielzeit setzt der große Überdruss ein. Warum noch mitfiebern, wenn einem aus jeglicher Anteilnahme spätestens zehn Minuten später ohnehin wieder ein Strick gedreht wird? Twists im Zehn-Minuten-Takt machen die Geschichte nicht involvierender, so wird stattdessen das Publikum abgehängt – und aus tollen Ideen werden billige Taschenspielertricks. Da können bloß noch gute Darsteller helfen, um den überkonstruierten Film wenigstens ein Stück weit zu erden. Das Trio spielt solide, so recht will der Funke jedoch auch hier nicht überspringen. Für den alles überschattenden Konflikt zwischen Heon-myung und Do-yeong hätte es einprägsamere Mimen, Mut zur Exzentrik oder südkoreanischer Starpower bedarft.
Die Jungdarsteller Park Hee-soon und Jin Goo spielen souverän, was ihnen angereicht wird, dürfen dem Affen jedoch nie so richtig Zucker geben. So müssen sie sich unter Parks Regie auf brütendes In-sich-ruhen, bedeutungsschwangere Blicke und gezischelte Drohkulissen beschränken. Ko Chang-seok als bauernschlauer Doo-soo hat da noch die dankbarste Rolle. Wie Mario Adorf in „Deadlock" oder der „hässliche" Eli Wallach in „Zwei glorreiche Halunken" macht auch Ko als Dritter im Bunde die beste weil menschlichste Figur. Trotz Stärken bleibt „Swordbrothers" jedoch eine große Ernüchterung. Welch' großes Kino hätte die Crème de la Crème des neuen südkoreanischen Genrekinos aus dieser Vorlage zaubern können! Bleibt die Erkenntnis, dass ein guter Autor nicht auch automatisch einen guten Regisseur abgibt – und manche Autoren im Schatten meisterhafter Regisseure immernoch die beste Arbeit machen.