Wer am 21. Dezember 2012 schon etwas vorhat, sollte vielleicht noch einmal umplanen, denn nicht wenige Menschen sind davon überzeugt, dass uns an jenem Winterfreitag der Weltuntergang ins Haus steht. Dann nämlich endet der aktuelle Zyklus des kompliziert angelegten Maya-Kalenders, was in esoterischen Kreisen als Beleg für die Prophezeiung der Apokalypse gedeutet wird. Doch obwohl sich die Informations- und Unterhaltungsmedien, allen voran Roland Emmerich mit seinem Blockbuster „2012", umfassend des Themas angenommen haben, scheint noch niemand auf die Idee gekommen zu sein, die Nachfahren der Maya selbst zum Thema zu befragen. Mit ihrer informativen, aber auch etwas überladenen Dokumentation „Herz des Himmels, Herz der Erde" holt das Regie-Duo Frauke Sandig und Eric Black („Frozen Angels") dieses Versäumnis nun nach.
Sandig und Black begleiten sechs junge Maya im heutigen Mexiko und Guatemala. Sie alle tragen die Traditionen ihres Volkes auf eine eigene Weise weiter, sei es im Widerstand gegen die Zerstörung der Umwelt oder im Kampf gegen die Marginalisierung der indigenen Bevölkerung. So tritt der Schamane Carlos Chan K'in Chanuk für ein Leben im Einklang mit Mutter Erde ein, während Floridalma Gonzalez, deren Familie einst vor der Militärjunta von Guatemala nach Mexiko flüchten musste, in ihrem einstigen Heimatdorf gegen eine Goldmine kämpft - deren kanadische Eigentümer beuten nämlich nicht nur einen heiligen Berg aus, sie verwehren den Bewohnern auch den Zugang zum Grundwasser. Zu Carlos und Floridalma kommen noch einige in der Zapatistischen Befreiungsarmee EZLN im südmexikanischen Chiapas engagierte Indigenas, die auf ihre Weise auch auf die Missstände in Mittelamerika aufmerksam machen wollen.
Schon die Auswahl der Protagonisten zeigt, dass sich die Regisseure Black und Sandig einiges vorgenommen haben. Nicht nur wollen sie die spirituelle Komponente der Maya-Kultur erkunden, sie ziehen Entwicklungslinien bis heute und stellen nicht immer ganz sauber argumentierte Zusammenhänge mit der heutigen politischen Situation der Ureinwohner in Mexiko und Guatemala her. Von den diversen Schöpfungsmythen der unterschiedlichen Maya-Stämme über das besondere Verhältnis zum Mais, der nicht nur als Grundlage, sondern auch als Ursprung des Lebens (nach dem Glauben der Maya wurde der Mensch aus Mais erschaffen) gesehen wird, behandeln sie ein sehr weites Feld – dabei leider viele Aspekte nur in aller Kürze. So wirkt der fertige Film dann auch einigermaßen überfrachtet, besonders wenn das Regie-Duo auch noch die realwirtschaftlichen Mechanismen unter die Lupe nimmt, die zur Unterdrückung der eingeborenen Bevölkerungsmehrheit in Guatemala beitragen.
Tatsächlich sind die hier offengelegten ökonomischen Zusammenhänge der lehrreichste Aspekt des Films. Wenn US-amerikanischer Gen-Mais den Markt südlich der Grenze überschwemmt und die örtliche Agrarwirtschaft ruiniert, wird dort mehr als nur wirtschaftlicher Schaden angerichtet, gerade weil der Mais für die Maya so viel mehr ist als nur ein Lebensmittel. Womit wir beim Aspekt des Glaubens wären, dem in „Herz des Himmels, Herz der Erde" viel Erzählzeit eingeräumt wird. Der tiefe Respekt, mit dem die Maya der Flora und Fauna ihrer Heimat begegnen, soll in der Sequenz verdeutlicht werden, in der die junge Josefa kleinen Meeresschildkröten beim Schlüpfen hilft und sie ins Meer geleitet. Dass auch sie dabei in die Natur eingreift, übersehen die Filmemacher. Sie neigen insgesamt zur Romantisierung der Maya-Kultur und wandeln bei der Verbindung von spirituellen und wirtschaftlichen Elementen, die längst nicht immer überzeugend gelingt, auf einem schmalen Grat. Immerhin wird so spürbar wie sehr noch für die Maya-Nachfahren Glaubenswelt und Alltagsleben verschmelzen.
Auch wenn sie in ihrem Versuch, es von Fair-Trade-Aktivisten bis zu New-Age-Jüngern allen recht machen zu wollen, nicht immer ein glückliches Händchen haben, so haben Frauke Sandig und Eric Black ihren Film doch in einen überzeugenden erzählerischen Rahmen gefasst: Mit dem Kreislauf von der Reise der Meeresschildkröten über die Eiablage bis zum Schlüpfen und zur erneuten Fortpflanzung haben sie einen wesentlichen Aspekt der Maya-Kultur in Bilder gefasst: Wie im Maya-Kalender gibt es kein Anfang und kein Ende, aber trotzdem ständige Erneuerung. Und so macht „Herz des Himmels, Herz der Erde" Hoffnung, dass mit dem erneuten Beginn des Kalender-Zyklus eine bessere Zeit anbricht. Für alle Menschen.
Fazit: Ein etwas überfrachteter, aber informativer und hoffnungsvoller Dokumentarfilm über die Kultur der Maya-Nachfahren und ihre wirtschaftliche Situation – ein lohnenswertes Kontrastprogramm zu den vielen Apokalypse-Beschwörungen zum Jahr 2012.