Paul Greengrass, der unter anderem 2007 seinen Kinohit Das Bourne Ultimatum produziert hat, ist jetzt mit einem neuen Actionthriller in den Kinos zu sehen. Ein weiteres Mal stellt der Regisseur, mit der Behandlung eines komplizierten politischen Themas, sein Können, im Film Captain Phillips, unter Beweis. Durch die ständige Abwechslung von lauten, hektischen Szenen und leisen, nachdenklichen Momenten spannt Greengrass einen gewaltigen Bogen der Spannung auf, den nur wenige Regisseure auf diese Weise aufzubauen vermögen.
Richard Phillips, der Kapitän des Containerschiffs Maersk Alabama, soll die Lebensmittelladung für afrikanische Länder aus dem Hafen im Oman sicher in Richtung Mombasa lenken. Nicht ohne Grund macht sich der Captain Sorgen, als das Schiff in das gefährliche Pirateriegebiet nahe Somalia fährt.
Die langjährige Erfahrung des nachdenklich wirkenden Phillips lässt ihn wissen, dass die zwei näherkommenden Kleinboote keine Fischer, sondern Piraten sind.
Nach mehreren missglückten Versuchen, gelingt es den vier jungen somalischen Männern auf das große Schiff aufzuspringen und dem Captain zu drohen. Phillips versucht seine versteckte Besatzung zu schützen und bietet den Piraten 30.000 Dollar und das Rettungsboot an, wenn sie daraufhin den Frachter wieder verlassen.
Es kommt aber zu einer überraschenden Wendung. Die Piraten nehmen den Captain als Geisel.
Bereits einen ganzen Tag fahren die fünf Männer zusammengepfercht, auf kleinstem Raum, in einem Rettungsboot Richtung Somalia, wissend, dass nun auch US-amerikanische Einsatzkräfte sie verfolgen. Über die Hälfte des Films spielt sich ein Drama im engen Fluchtboot ab, wo Emotionen der Angst und Verzweiflung aufeinanderprallen und Opfer und Täter, durch kurze Gespräche, eine persönliche Verbindung aufbauen, die aber durch die zunehmende Aggressivität und Gewalt gegenüber der Geisel immer aufs Neue zerstört wird.
„Ich bin zu weit gekommen, ich kann nicht aufgeben!“, sagt Muse, der Anführer der Piraten, verzweifelt, als sie schon von der US-amerikanischen Navy, einem Helikopter, mehreren Scharfschützen sowie Fallschirmspringern beobachtet und gejagt werden. Ihre einzige Chance scheint es zu sein, Phillips weiter als Geisel zu halten, um schließlich eine Ablösesumme in Millionenhöhe erpressen zu können und somit die Ansprüche ihres Warlords zu erfüllen. Die Machtverhältnisse zwischen den einfachen Piraten und den mächtigen Warlords, die gemeinsam mit der Überfischung der Meere, die Hauptgründe sind, weshalb es die ehemaligen somalischen Fischer in die Piraterie treibt.
Sie handeln ohne Rücksicht auf Verluste, weil sie nichts mehr zu verlieren haben und sie nur diese Möglichkeit sehen ihre bloße Existenz zu retten.
Vor allem die verzweifelten Gesichtszüge der Piraten werden ideal durch Nahaufnahmen zum Vorschein gebracht und auch Anspannung und Hektik werden durch eine wacklige Kameraführung in Szene gesetzt. Wie ein ruhiger Gegenpol zu den nervösen und hektischen Somaliern wirkt dagegen der bedachte Richard Phillips, gespielt von dem vielfach ausgezeichneten Schauspieler Tom Hanks.
Hanks zeigt in diesem Film die unterschiedlichsten Facetten eines Menschen, der anfangs noch völlig ruhig auf die Ausnahmesituation reagiert, am Ende aber dann die Kontrolle über seinen eigenen Körper und Verstand durch die ständige Todesangst verliert. Eine schauspielerische Leistung die beeindruckend und absolut sehenswert ist.
Dennoch sollte man sich bewusst sein, dass der Film auf einer wahren Begebenheit beruht und nicht etwa nur ein weiterer selbstdarstellerischer Film aus den USA mit einer typischen Heldenfigur ist.
Gewollt repräsentiert Regisseur Greengrass nicht nur den patriotischen Blickwinkel, sondern beide Seiten, sowohl des amerikanischen Militärs als auch der Piraten, um dem Zuschauer eine neutrale Sichtweise auf seinen Film und damit auf die dargestellte Problematik zu ermöglichen.
Der Regisseur geht sogar soweit, dass er wohl bewusst die überdimensionale Bekämpfung der ärmlich ausgestatteten Piratengruppen durch die US-Amerikaner kritisiert, wobei das eigentliche politische Problem, die Auslieferung von Fischer an die Warlords der Piraterie, durch das gewaltige militärische Aufgebot im Film, unterzugehen droht. Dabei stellt Greengrass dadurch die letztendliche Lösung des tiefgründigen Themas der Piraterie durch Captain Phillips mehr als nur in Frage.